Die Zufriedenheit mit dem Gesundheitssystem ist massiv gesunken. Schlechte Noten gibt es unter anderem wegen einer Zwei-Klassen-Medizin und zu wenig Kassenärzt:innen.
Ganze 42 Prozent halten das heimische Gesundheitssystem für mittelmäßig bis schlecht, wie eine Spectra-Umfrage zeigt. Damit ist die Zufriedenheit in den vergangenen zwei Jahren massiv gesunken: 2021 hatten 28 Prozent schlechte Noten ausgestellt. Aus der Umfrage geht außerdem hervor, dass eine überwiegende Mehrheit überzeugt ist, dass sich das Gesundheitssystem immer mehr in Richtung Zwei-Kassen-Medizin entwickelt. Zwar gibt es in der diesjährigen Umfrage noch eine knappe Mehrheit von 53 Prozent (fünf Prozent machten keine Angabe), die das Gesundheitssystem für gut oder sehr gut hält, aber 60 Prozent attestierten auch dringenden Handlungsbedarf – 46 Prozent würden wesentliche Änderungen verordnen, 14 Prozent meinen, es helfe ohnehin nur noch, das System von Grund auf neu zu gestalten.
Wenig überraschend sehen Menschen mit chronischen Erkrankungen die größten Defizite. 18 Prozent nannten als größtes Problem den Ärzt:innenmangel, 16 Prozent die langen Wartezeiten auf Ordinations- und Ambulanztermine. 13 Prozent hätten gerne mehr Kassenärzt:innen und weniger Wahlärzt:innen, ebenso viele wünschen sich, dass die Kasse mehr Therapieleistungen übernimmt. 62 Prozent der Österreicher:innen – unter den chronisch Kranken sogar 74 Prozent – glauben, dass es sich immer mehr in Richtung Zwei-Klassen-Medizin entwickelt, weitere 22 Prozent stimmen dieser Behauptung zumindest teilweise zu. Wenig bis gar nicht anschließen können sich dieser Prognose nur elf Prozent. 78 Prozent sehen die Politik gefordert, die Zustände zu verbessern, 65 Prozent die Krankenkassen, 60 Prozent die Spitalsträger. Die EU (31 Prozent), die Ärzt:innenschaft (30 Prozent) oder gar die Patient:innen (neun Prozent) sieht man weniger in der Verantwortung.
Die Ergebnisse der Umfrage seien keine Überraschung, sagt Johannes Steinhart, Präsident der Österreichischen Ärztekammer: „Sie zeigen schwarz auf weiß die Fehlentwicklungen auf, vor denen die Ärztekammer seit Jahren warnt.“ Der Ärzt:innenmangel im öffentlichen Bereich, der für lange Wartezeiten auf Behandlungs- und OP-Termine verantwortlich sei, der Handlungsbedarf bei Kassenleistungen und der generelle Trend hin zur Zwei-Klassen-Medizin würden von den Menschen zurecht zunehmend kritisiert, so Steinhart. Die Warnungen und Lösungsvorschläge der Ärzteschaft seien zu lange ignoriert worden. Verbesserung der Ärzteausbildung, u.a. durch bessere personelle Ressourcen, ein einheitlicher und moderner Leistungskatalog und auch flexible Kassenverträge – das seien Beispiele dafür, wie die derzeitigen Probleme im Gesundheitsbereich gelöst werden könnten. (kagr/rüm/APA)