Der Apothekenvorbehalt für rezeptfreie Produkte bleibt. Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes war klarer als erwartet. Der Drogerieriese dm ist mit seiner Klage abgeblitzt. Doch zu Ende ist der Kampf noch nicht: dm überlegt den Gang zum Europäischen Gerichtshof.
Am Ende war die Entscheidung klar und überraschend eindeutig: „Nicht rezeptpflichtige Arzneimittel dürfen auch weiterhin nur von Apotheken bezogen sowie im Klein- oder Fernabsatz (online) abgegeben werden. Ebenso bleibt das absolute Verbot der Abgabe von Arzneimitteln in Selbstbedienung aufrecht“, schreibt der VfGH in seinem Urteil. Die Drogeriemarktkette dm hatte einen Individualantrag auf Gesetzes- und Verordnungsprüfung eingebracht. dm wandte sich damit gegen Vorschriften, denen zufolge auch nicht rezeptpflichtige Arzneimittel nur von Apotheken bezogen sowie im Kleinverkauf oder durch Fernabsatz abgegeben werden dürfen. Der VfGH in einem durchaus richtungsweisenden Urteil: „Der Apothekenvorbehalt dient mehreren im öffentlichen Interesse liegenden Zielen, so u.a. dem Zweck, eine funktionierende Versorgung der Bevölkerung mit Heilmitteln sicherzustellen. Dazu kommt, dass Apotheken zahlreichen öffentlich-rechtlichen, standes- und disziplinarrechtlichen Verpflichtungen unterliegen, die sicherstellen sollen, dass dieses Ziel auch tatsächlich erreicht wird.“
Selbst der Drogerieriese, der davor mit zwei Klagen aus Formalgründen abgeblitzt ist, nahm das zähneknirschend zur Kenntnis: „Aufgrund der im Verfahren abgegebenen Stellungnahmen der Ministerien ist zu erwarten, dass die Regierung eine Liberalisierung weiter verzögern wird“, erklärte der Konzern in einer Aussendung. Die Argumentation der Apotheker und offenbar auch das Lobbying bei der Politik dürften gewirkt haben. dm-Geschäftsführer Harald Bauer schreibt selbst: „Die Formulierungen in den Stellungnahmen der Ministerien sind praktisch wortident mit jenen, die von den Apothekervertretern verbreitet werden.“
„Das ist für uns und die Arbeit der Apotheken ein sehr wertschätzendes Urteil – auch von der Begründung her“, sagt Mag. pharm. Christian Wurstbauer, Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer. „Das ist eine Bestätigung für die Arbeit der Apothekerinnen und Apotheker und auch der Arbeit der Kammer“, freut sich Wurstbauer. Gerade die Arbeit während der Pandemie habe gezeigt, wie wichtig die Beratung für das gesamte Gesundheitssystem ist. „Wir haben etwa über die Lösungen zur Dauermedikation und ELGA geholfen, die Versorgung der Menschen zu sichern.“ Die Apothekerkammer spricht in einer Aussendung von einer „richtungsweisenden Entscheidung“.
Auch der Herstellerverband IGEPHA zeigt sich erfreut: Mit der Entscheidung schaffe der VfGH „endlich Klarheit nach jahrelangen Spekulationen“, heißt es in einer Presseaussendung. Beim Verkauf rezeptfreier Arzneimittel müsse den Kunden die Möglichkeit einer professionellen Beratung angeboten werden, um offene Fragen hinsichtlich der korrekten An- und Verwendung der Produkte beantworten zu können“, sagt die Präsidentin der IGEPHA, Mag. Mirjana Mayerhofer.
Ganz geschlagen will sich dm aber noch nicht geben: Auf Dauer werde sich der „längst überholte Zustand“ des „Apothekenmonopols“ sicher nicht aufrechterhalten lassen, argumentiert der Handelsriese. Man arbeite bereits an neuen Kooperationen und Serviceleistungen, „um den Kunden dennoch einen Zugang zu rezeptfreien Arzneimitteln zu attraktiven Preisen und höchsten Qualitätsstandards zu ermöglichen“, sagt Bauer. Geprüft werden demnach Kooperationen ähnlich der früheren Zusammenarbeit mit der Versandapotheke Zur-Rose aber auch neue integrative Ansätze. Es werde zudem geklärt, ob „wir den Apothekenvorbehalt auf europäischer Ebene überprüfen lassen, was vom Verfassungsgerichtshof nicht behandelt wurde“, gibt sich Bauer kämpferisch. (rüm)