Die Kritik an Vorreihungen und fehlender Organisation im Corona-Impfmanagement der Bundesländer sowie die Forderung nach Konsequenzen nimmt zu. In manchen Bundesländern wächst die Kritik, dass nicht nach der vom Ministerium und dem Nationalen Impfgremium vorgesehenen Reihenfolge gegen das Coronavirus geimpft wird.
Das sprichwörtliche „Vitamin B“ hilft in manchen Gemeinde auch gegen Corona. In Vorarlberg, Tirol, Kärnten, Ober-, Niederösterreich und Wien mehren sich Fälle, wo übrig gebliebene Impfstoffe nicht an Heimbewohner, Gesundheitspersonal oder über 80-Jährige verabreicht wurden, sondern an Politiker, Gemeindebedienstete, Angehörige und andere. Die Behörden prüfen die Fälle nun. Fehlende Organisation im Impfmanagement sei mitunter ein Grund dafür, dass manche nun bereits geimpft seien, obwohl sie nicht der aktuell zu impfenden Gruppe zugeordnet sind, kritisiert der Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte Harald Mayer.
„Grundsätzlich haben die Impfbeauftragten der Gesundheitseinrichtung sowie der Impfkoordinator im jeweiligen Bundesland für ein geordnetes Vorgehen Sorge zu tragen“, hielt das Gesundheitsministerium am Dienstagmittag fest. Die Impfbeauftragten der einzelnen Gesundheitseinrichtungen hätten dafür Sorge zu tragen, den Impfstoffbedarf entsprechend der Priorisierung im Vorfeld genau zu erheben und anhand dessen die notwendige Impfstoffmenge zu ordern. Falls Impfstoff aus unvorhersehbaren Gründen übrig bleibt – etwa bei einer akuten Erkrankung einer zu impfenden Person -, sollte eine Warteliste mit weiteren priorisierten Personen vorliegen, die ersatzweise geimpft werden können.
In Vorarlberg gab es deshalb bereits zum zweiten Mal Wirbel. Wie die „Vorarlberger Nachrichten“ zunächst berichteten, hat sich der Feldkircher Bürgermeister Wolfgang Matt (ÖVP, 65) am Wochenende bei einer Impfaktion in einem Seniorenheim in Feldkirch-Gisingen impfen lassen. Die Heim-Ärztin kritisierte zudem, dass der Bürgermeister Druck gemacht und auf eine Impfung bestanden habe. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) übte scharfe Kritik. Matt selbst sah seine Impfung als gerechtfertigt an. Er stehe ständig mit Bewohnern von Seniorenheimen in Kontakt, begründete Matt seine Immunisierung. Zudem habe er die letzte zur Verfügung stehende Impfdosis erhalten, „die sonst verloren gegangen wäre“. Die Heim-Ärztin hatte hingegen eine andere Sicht der Dinge. Nach der Impfung aller Bewohner des Seniorenheims seien noch 14 Dosen vorrätig gewesen, sagte sie im ORF. Es seien noch viele Leute aus Hochrisikogruppen draußen gestanden und hätten geimpft werden wollen. Bereits in der vergangenen Woche hatte es in Vorarlberg Aufregung gegeben, weil Rot-Kreuz-Direktor Roland Gozzi von der Impf-Reihenfolge abgegangen war. Er hatte nicht nur Rot-Kreuz-Mitarbeiter, sondern auch deren Angehörige zur Impfung eingeladen.
Wer zu welchem Zeitpunkt geimpft wird, hat auch in Tirol für Diskussionen gesorgt. So wurde in mehreren Gemeinden offenbar die vorgegebene Impf-Reihenfolge nicht eingehalten. Laut Medienberichten kamen auch hier Gemeindemitarbeiter oder auch ein Bürgermeister und dessen Frau in den Genuss von überschüssigen Impfdosen aus Alters-und Pflegeheimen. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) pochte auf eine strikte Einhaltung. Laut einem Bericht der Tirol-Ausgabe der „Kronenzeitung“ wurden auch in einer Gemeinde im Bezirk Kufstein übrige Dosen an Gemeindemitarbeiter verimpft. „Für mich sind die Mitarbeiter der Gemeinde eindeutig systemrelevant“, argumentierte der dortige Ortschef. Die Verimpfung sei nicht im Detail abgestimmt gewesen, ließ indes das Land wissen und zeigte sich mit der Vorgehensweise einiger Gemeinden und Altersheime nicht einverstanden.
Auch in Oberösterreich wurden weitere Fälle bekannt, wonach Bürgermeister bereits gegen das Virus immunisiert wurden. Die Ortschefs von Enns (Bezirk Linz-Land) und St. Georgen an der Gusen (Bezirk Perg) versicherten, dass sie sich nicht vorgedrängt hätten. Der Ennser Bürgermeister Franz Stefan Karlinger (SPÖ) bestätigte einen entsprechenden Bericht der „Kronenzeitung“ (Dienstag-Ausgabe), wonach er schon geimpft worden sei. Er betonte gegenüber der APA, nicht als Politiker sondern als Angehöriger zweier Heimbewohner zum Zug gekommen zu sein. Auch der Bürgermeister von St. Georgen an der Gusen, Erich Wahl (SPÖ), hat bereits eine erste Corona-Impfung erhalten. Es handle sich bei ihm aber nicht um eine Vorreihung, wie er gegenüber der APA meinte. Betreiber des Seniorenheimes sei die Gemeinde und er als Bürgermeister Dienstvorgesetzter der Mitarbeiter. Damit gehöre er zu jener Gruppe der ersten Impf-Phase, argumentierte er weiter. Wahl betonte aber, dass er regelmäßig in der Einrichtung sei und auch an Team-Besprechungen teilnehme. Erstmals war am Wochenende bekannt geworden, dass in Eberschwang (Bezirk Ried im Innkreis) bereits Anfang Jänner der rote Bürgermeister sowie zwei Vizebürgermeister (SPÖ und FPÖ) mit Dosen für das dortige Pflegeheim geimpft wurden. Da zu dem geplanten Termin in dem Heim offenbar viele Menschen krank waren, kamen Externe zum Zug. Die Heimaufsicht prüft noch, ob die Landesvorgaben eingehalten wurden, informierte das Büro von Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ).
In Kärnten haben sich die Vorwürfe bisher nicht erhärtet, dass Prominente und Politiker gegen Spenden an Heimträger an den begehrten Impfstoff gekommen sind. Man wolle die Angelegenheit aber von der Staatsanwaltschaft prüfen lassen, damit sich die Verwaltung nicht selbst kontrolliere, heißt es vom Land. Eine Sachverhaltsdarstellung wurde noch am Dienstag übermittelt. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt wird die angekündigte Anzeige der Landesregierung zu kursierenden Impf-Vorwürfen prüfen, sagte Behördensprecher Markus Kitz am Dienstag. Noch kenne er nur, was medial kolportiert wurde. Demnach hatten sich bei den Impfungen in den Pflegeheimen einzelne Prominente oder Politiker hineingedrängt, Spenden an die Heime als Gegenleistung sollen geflossen sein.
Kritik kommt auch vom Gesundheitssprecher der Grünen, Ralph Schallmeiner. Die Impfstrategie ist seit Wochen bekannt und ziele auf den Schutz all jener ab, die diesen am dringendsten brauchen. „Den Kampf gegen die Pandemie führen wir vor allem mit dem Ziel, die Risikopatienten zu schützen. Das sollte eigentlich mittlerweile jeder verstanden haben“, sagt Schallmeiner. Die Prioritäten beim Impfen müssen in diesem Sinne eingehalten werden. „Ich finde es untragbar, wenn Einzelne wegen ihrer Funktion als Bürgermeister oder dergleichen vorgezogen werden. Wenn wirklich Impfstoff bei einer Impfaktion übrigbleibt, wäre es richtig und wichtig, all jene zu impfen, die dann laut Impfstrategie an der Reihe sind, wie etwa externe Dienstleister, die mit Risikogruppen arbeiten, meint Schallmeiner. (red/APA)