Wiederholt sich ein Infektionswinter wie im Vorjahr? RELATUS sprach darüber mit Großhandel, Industrie und Apothekerkammer. Die Antworten sind ernüchternd.
„Um die Arzneimittelversorgung sicherzustellen, arbeiten wir gerade einer Verpflichtung der pharmazeutischen Industrie, mehr Mengen gewisser Arzneimittel einzulagern. Es soll ein Paket gemeinsam mit allen Partnern sein, weil wir alle Stakeholder an Bord brauchen. Es wird auch eine Erweiterung der Möglichkeiten für die magistrale Zubereitung in Apotheken kommen.“ Das sagte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) zuletzt im Relatus-Interview. Doch wird das reichen? Und was bringt der Infektionswinter – angesichts bereits hoher Fallzahlen auf der Südhalbkugel, wo gerade ein entsprechender Winter zu Ende geht?
„Wir sehen als Großhandel bereits bei mehr als 1.000 Medikamenten Lieferschwierigkeiten. Aus heutiger Sicht können wir damit auch eine Medikamentenknappheit nicht ausschließen“, sagt Monika Vögele, Generalsekretärin des heimischen Großhandelsverbandes PHAGO auf Anfrage. Ähnlich klingt es aus dem Pharmaverband Pharmig: „Wir können nicht vorhersagen, ob es wieder Lieferschwierigkeiten geben wird, noch ob es diese ausbleiben werden. Das hängt unter anderem vom Infektionsgeschehen und der damit verbundenen Nachfrage ab. Wir hoffen jedenfalls, dass sich so eine Situation wie letzten Winter nicht wiederholt.“ In der Apothekerkammer verweist man auf das BASG: „Schon bisher waren Engpässe nur schwer prognostizierbar, umso schwerer für die Apothekerschaft, die in der Kette der involvierten Institutionen und Berufsgruppen weit hinten, unmittelbar vor den Patient:innen, rangiert.“
Der Großhandel nehme seinen Versorgungsauftrag sehr ernst, betont Vögele: „Unser Versorgungsauftrag hat allerdings dort seine Grenze, wo er für uns aufgrund der Vergütungssituation nicht mehr zumutbar ist.“ Die Hersteller hätten bereits vergangenen Winter, als die Nachfrage nach Antibiotika weit höher war als das Angebot, auf die Situation reagiert, argumentiert die Pharmig: „Sie haben ihre Produktionsmengen erhöht beziehungsweise auch auf das sogenannte ‚Dual Sourcing‘ umgestellt, sprich einzelne Arzneimittelkomponenten von mehreren Lieferanten bezogen, um die Abhängigkeit zu verringern – jedenfalls dort, wo dies möglich ist. Ebenso haben sie Sicherheitsbestände erhöht, zusätzliches Fachpersonal in der Produktion eingestellt und zusätzliche Arbeitsschichten eingeführt.“ Man dürfe allerdings nicht vergessen, dass die Medikamentenproduktion lange Vorläufe benötigt. „Derartige Maßnahmen können daher nur bedingt helfen, kurzfristig in die Höhe schnellende Nachfragen zu decken.“
Und was tut die Apothekerkammer, damit sich der Vorjahreswinter nicht wiederholt? „Apotheker:innen betreiben großen Aufwand, um bestehende Lieferengpässe so weit wie möglich abzufedern. Die Apothekerkammer kämpft wie immer an vordererster Front. Schon im März hat sie ein dreiteiliges Lösungspaket präsentiert: Arzneimittel-Spezialitätenlager, Rohstofflager sowie Arzneimittel-Preisanpassung im Niedrigpreissegment“, teilt die Kammer mit. Die Einrichtung von Rohstofflagern sei zugesichert worden. „Der entsprechende Ministerratsvortrag ist vorhanden, die Politik befindet sich aktuell in der Umsetzungsphase. Die angesprochenen Depots können helfen, kommende Lieferengpässe zumindest abzufedern. Darüber hinaus können Apotheker:innen bestimmte Arzneimittel magistral herstellen, sofern der Wirkstoff verfügbar ist.“ (rüm)