Für Therapien bei seltenen Erkrankungen gibt es in Österreich keine einheitliche Finanzierung. Ein mögliches Lösungsmodell wird derzeitig diskutiert.
Wer in Österreich an einer seltenen Erkrankung leidet, ist bei der Behandlung und Finanzierung dieser vom Wohnort – also dem Bundesland – abhängig. Vor allem in der Kinder- und Jugendheilkunde haben spezielle Fälle in den vergangenen Jahren immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. „Krankheiten kümmern sich nicht um Kostenträger. Die aktuelle Situation kann im Extremfall so weit führen, dass eines von zwei Geschwistern, die an derselben Krankheit leiden, Medikamente bekommt und das andere nicht. Wir dürfen keine Patientin und keinen Patienten unbehandelt lassen, egal welchen Alters. Leider fehlen bundesweit einheitliche Lösungen und vor allem ein Solidaritätsinstrument für diese Erkrankungsbilder“, warnt Daniela Karall, Stellvertretende Direktorin der Innsbrucker Kinderklinik und Obfrau des Vereines Forum Seltene Krankheiten, in ihrer Keynote beim 13. Rare Diseases Dialog der Pharmig Academy. Sie hält einen zentralen Finanztopf – der auch Thema bei den aktuellen Finanzausgleichsverhandlungen ist – für eine gute Lösung.
Erste Ansätze gibt es in diesem Bereich bereits, eine breitere Aufstellung des Topfes wird aber nicht von allen als Lösung gesehen. Laut Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH, kann ein bundesweiter Finanztopf lediglich ein Add-on zum bestehenden System sein: „Es geht um Spitzenabfederung. Von der Schaffung eines weiteren komplexen Systems innerhalb des Gesundheitssystems rate ich ab“, meint Ostermann. „Die föderale Struktur Österreichs räumt den Bundesländern ein bestimmtes Maß an Autonomie im Gesundheitsbereich ein und hat durchaus bis zu einem gewissen Ausmaß ihren Sinn. Ein bundesweiter Topf kann die Länder und deren Bevölkerung bei der Gesundheitsversorgung zusätzlich unterstützen. Aber man muss die Nutzung dieser speziellen Ressource an bestimmte Kriterien binden, damit sie sinnvoll eingesetzt werden kann“, führt Ostermann aus. Bernhard Rupp, Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik in der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich, hakt hier ein und betont, dass es „österreichweit einheitliche rechtlich abgesicherte Entscheidungsstrukturen für den Spitalsbereich und die Zugänglichkeit innovativer Therapien für wirklich alle Patientinnen und Patienten, die dafür qualifiziert sind“ geben muss. „Fremde Patient:innen“, also Patient:innen aus anderen Bundesländern, dürfen nicht abgelehnt werden. Rupp wünscht sich einen „Finanzierungstopf mit klarer Zweckwidmung und Zugriffsregelungen, die auf medizinisch-wissenschaftlichen Kriterien basieren“.
Auch aus dem Bereich Pharma meldeten sich Expert:innen zu Wort: Gunda Gittler, Apothekenleiterin und zuständig für den Arzneimitteleinkauf des Einkaufsverbundes der Barmherzigen Brüder, hält den gemeinsamen Topf für einen guten Ansatz, betont aber, dass keine weitere Zentralisierung des Einkaufs benötigt wird. „Der sollte weiterhin regional bleiben und wird ohnedies bereits über die Zusammenarbeit der Krankenhausapotheken und der Spitalsträger in Österreich gelebt. Eine zentrale Beschaffung hat sich auch im Kampf gegen die Pandemie als wenig zielführend erwiesen“, sagt Gittler. Ronald Pichler, Head of Public Affairs & Market Access der Pharmig, betont, dass bei den Finanzausgleichsverhandlungen bereits über den Mechanismus, „dass aus diesem Topf nicht nur genommen, sondern auch nachhaltig eingezahlt wird“, diskutiert wird. (red)