Kein gutes Haar lassen Fachleute am Management und der Kommunikation zur Corona-Pandemie in Österreich. Zwei Jahre nach den ersten Infektionen fällt die Bilanz nüchtern aus.
Die Überforderung vieler Institutionen bleibt selbst zwei Jahre nach Pandemiebeginn offensichtlich. Für den Komplexitätsforscher Peter Klimek führt daher kein Weg am Aufbau einer wissenschaftlich exzellenten, gesamtstaatlich organisierten Einrichtung vorbei, in der das Management professionell geleistet werden kann. Dazu müsse sich an der hiesigen Kultur aber einiges ändern. Man müsse etwa nur nach Dänemark schauen, um sich ein Bild davon zu machen, wie Covid-19-Pandemiemanagement auf solidem wissenschaftlichen Boden transparent geleistet werden kann. Die knapp 400 Mitarbeiter des Statens Serum Institut beschäftigen sich dort auf hohem Niveau mit dem Thema, die zuständigen Stellen verfügen über die notwendigen Daten und stellen sie bereit, erklärte der Komplexitätsforscher vom Complexity Science Hub (CSH) Vienna und der Medizinischen Universität Wien im Gespräch mit der APA.
In Österreich hingegen dominieren immer noch vielfach eilig aufgebaute Strukturen, denen oft wichtige Informationen fehlen, die zwischen politische Partikularinteressen eingezwängt agieren müssen und wo sich Wissenschafter meist in selbstausbeuterischer Weise beteiligen. Ein erster Ansatz zur höchst notwendigen Professionalisierung sei die Gecko-Kommission. Was Seuchenkontrolle und Co betrifft, sei auch die Forschungslandschaft vor der Pandemie nicht optimal aufgestellt gewesen. Daher sollte man sich an schlagkräftigen Strukturen wie in Dänemark orientieren. Die österreichische Situation mit ihrem Partikularinteressen und ihrer ausgeprägten Provinzialität kennend ist Klimek aber noch „nicht sehr zuversichtlich“ gestimmt, dass dies auch umgesetzt würde: „Dass wir so etwas brauchen, sollte aber eine von den Lektionen aus dem Ganzen sein. Wir müssen uns an internationaler Exzellenz orientieren.“ Auch nach der Omikron-Welle und der bald erwarteten Dominanz der BA.2-Untervariante werde die Pandemie nämlich weiter Thema bleiben. Niemand wisse, was etwaige künftige Varianten noch bringen. Der Immunisierungsgrad gehe mit der Zeit wieder zurück, man sollte daher tunlichst den Sommer für Auffrischungsimpfungen nutzen, um nicht im Herbst bei ungünstigerer Saisonalität wieder vor einem Problem mit der kommenden Erkrankungswelle zu stehen.
Kritik übt auch der Vorarlberger Verhaltensökonom Gerhard Fehr. Er bemängelt die Krisen-Kommunikation der Bundesregierung. Es brauche eine stringente Kommunikation, damit die Menschen nach den Lockerungen mögliche Einschränkungen im Herbst wieder akzeptieren würden. Für Fehr ist die Frage der Stringenz von großer Bedeutung. Man sehe international, dass jene Länder, die es geschafft haben, eine sehr stringente Politik zu machen, „unbeschadeter“ mit der Krise umgegangen sind, sagte Fehr im Interview mit ORF Radio Vorarlberg. Das zeige sich in wirtschaftlicher, psychologischer und sozialer Sicht.
Wichtig ist für Fehr, verlässlich zu kommunizieren, was morgen passiert. „Die Entscheidungsträger müssen der Bevölkerung klar machen, dass wir nicht wissen, was im Herbst kommt“, betont der Verhaltensökonom. Ein „Freedom-Day“ im März und mögliche Schließungen im Herbst seien nicht stringent, das würden die Leute nicht verstehen. Und die Nebenwirkungen von dieser Nicht-Stringenz ist für Fehr, dass die Menschen die Maßnahmen nicht nachvollziehen können. Auf die Frage, welcher Schulnoten er der österreichischen Bundesregierung für die vergangenen zwei Pandemie-Jahre geben würde, sagt Fehr, dass er die Kommunikation unterdurchschnittlich bewerten würde. Für die Teststrategie gebe es die Bestnote, die Impfstrategie sei überdurchschnittlich. Ein extrem schlechtes Zeugnis stellt Fehr für die handwerkliche Umsetzung der Gesetze aus. (red)