Eine weitere Top-Ten-Arbeit wurde von einer jungen Ärztin aus Deutschland als Erstautorin eingereicht: Dr. Bernadette Jäger vom Klinikum München, unterstützt von Professor Wolfgang Janni. Sie konnte in der SUCCESS-A-Studie weltweit erstmals belegen, dass zirkulierende Tumorzellen (CTC) im Blut – postoperativ nachgewiesen, vor adjuvanter Chemotherapie – die Prognose des frühen Mammakarzinoms verschlechtern. Als minimale Resterkrankung konnten CTC bei knapp einem Viertel der Patientinnen nachgewiesen werden, bei denen dann insgesamt (Einzelfälle ausgenommen) ein 2–3-fach höheres Mortalitätsrisiko nachgewiesen wurde. Laufende Studien untersuchen CTC als Marker des Therapieansprechens bei frühem Brustkrebs (z. B. TREAT CTC) mit einer allfälligen Therapieumstellung oder als Grundlage einer personalisierten Medizin durch zusätzliche Gabe von Bisphosphonaten oder HER2-gerichteten Substanzen (DETECT-III-Studie beim metastasierten Mammakarzinom, aufgelegt vor wenigen Wochen). Zirkulierende Tumorzellen kommen wohl vom Primärtumor und können auch nach der Chemotherapie nachgewiesen werden. Professor Gnant war aber mehr noch an der offenen Frage interessiert, wohin sie gehen: in entfernte Organe, Knochen – oder auch nicht, denn einige Patientinnen leben mit diesen Zellen genauso lange wie Patientinnen ohne CTC, sodass deren Charakterisierung zu den Forschungsaufgaben mit hoher Priorität zählt.
Was in Österreich im nächsten Jahr realisiert wird, hat in den Niederlanden schon länger Tradition, so wurden die 20-Jahres-Daten des niederländischen systematischen Screenings bei Frauen im Alter zwischen 50 und 75 Jahren vorgestellt: Gescreent wird im Abstand von zwei Jahren, alle Frauen erhalten eine persönliche Einladung, die Mammographie wird doppelt ausgewertet und der Befund als Brief zugestellt. Auf diese Weise sind in 20 Jahren 16,6 Millionen Einladungen ergangen und 13,2 Millionen Untersuchungen durchgeführt worden (Beteiligungsrate 80 %). Bei 65.500 Frauen wurde ein Mammakarzinom erkannt, der Anteil präinvasiver duktaler In-situ-Karzinome betrug 16,5 %. Der Anteil falsch positiver Resultate nach der Bildgebung lag bei 6 % und verringerte sich auf 2 % nach der Biopsie. Das systematische Mammographie-Screening hat in den Niederlanden eine hohe Akzeptanz und trägt laut Professor Rianne de Gelder wesentlich zur Senkung der Brustkrebsmortalität bei, die vor Einführung des systematischen Screenings um 30 % höher war – wobei sich ein Teil des Erfolgs mit der heute besseren adjuvanten Therapie matcht. Ein wesentlicher Punkt ist der signifikante Rückgang jener Fälle, die sonst erst in späteren Stadien entdeckt werden.
Unter mehr als 600 wissenschaftlichen Abstracts wurden vom internationalen Review-Komitee folgende Arbeiten unter die besten 10 gereiht: eine Studie von Professor Rupert Bartsch als Erstautor (angereichert mit Namen wie Gnant, Zielinski und Steger), die zeigt, dass prämenopausale Patientinnen mit metastasiertem, hormonsensitivem Mammakarzinom von Fulvestrant plus Goserelin als einer weiteren endokrinen Option auch in späteren Therapielinien noch profitieren können, womit sich eine zusätzliche gut verträgliche „Bridging“-Option ergibt, noch bevor endgültig eine Chemotherapie notwendig wird. Fortgeschrittene hormonabhängige Mammakarzinome, zumal in der Prämenopause, zählen zu den selteneren Fällen, insofern sind solche Studien nicht leicht zu rekrutieren. Umso mehr schließt sich eine Lücke bei selektionierten Patientinnen, bei denen klinische Entscheidungen auch schwerfallen können.
HannaH ist das Akronym der ersten neoadjuvanten Phase-III-Studie, in der eine intradermale Trastuzumab-Applikation als Alternative zur Infusionstherapie geprüft wurde. Die Studie wurde in Wien von Professor Christian Jackisch vorgestellt und konnte bei 300 Patientinnen im direkten Vergleich zeigen, dass subkutanes Trastuzumab – unabhängig vom Körpergewicht in einer fixen Dosis von 600 mg über 5 Minuten verabreicht – genauso wirksam ist wie die Infusionstherapie, mit einer höheren pCR-Rate sogar numerisch wirksamer, und dass die Nebenwirkungen, insbesondere die kardialen, ebenfalls vergleichbar sind. Die Zeit bis zum Ansprechen auf die Therapie, median 6 Wochen, war in beiden Armen ebenfalls vergleichbar. Vielleicht gibt es Patientinnen, die diese Variante bevorzugen, die „Loading dose“ entfällt jedenfalls und der größte Vorteil dürfte die kurze Therapiedauer sein. Intradermales Trastuzumab wird in Österreich voraussichtlich ab 2013 zur Verfügung stehen.
In den ABCSG-Studien konnte Prof. Georg Pfeiler nachweisen, dass übergewichtige Frauen unter Aromatasehemmertherapie ein schlechteres krankheitsfreies oder Gesamtüberleben hatten als normalgewichtige Frauen. Aktuelle Auswertungen der CALGB-Intergroup-Studie 9741 (u. a. Ingle, Gradishar, Hudis, Winer, Berry et al.) zeigen nunmehr ähnliche Konsequenzen für prä- und postmenopausale Patientinnen, Hormonrezeptor-positiv und -negativ, unter Chemotherapie. Trotz einer an Länge und Körpergewicht angepassten Dosierung war jede Steigerung des Body-Mass-Index (BMI) um eine Einheit mit einem um 1,5 % kürzeren rezidivfreien Überleben assoziiert. Mit anderen Worten: Es geht eine Steigerung des BMI von 22 (Normalgewicht) auf 27 (Übergewicht) mit einem um 8 % höheren Rezidivrisiko einher. Übergewicht ist grundsätzlich ein modifizierbarer Faktor, allerdings weiß man aus diesen Studien laut Professor David Cameron nicht, ob auch der Umkehrschluss gültig ist: nämlich dass eine Gewichtsabnahme nach der Brustkrebsdiagnose noch etwas bringen kann.
Bolero-2 war im Kontext der Überwindung endokriner Resistenzmechanismen eine der meistzitierten Studien des Kongresses. Als Hintergrund: Die Zugabe des mTOR-Inhibitors Everolimus zum Aromatasehemmer Exemestan konnte in der Rezidivsituation das progressionsfreie Überleben postmenopausaler Patientinnen signifikant verlängern – und zwar genauso überzeugend wie die ersten Studien zur Anwendung von Trastuzumab beim HER2-positiven fortgeschrittenen Mammakarzinom, die damals als „Breakthrough“ galten. Die BOLERO-Studie verändert die Sicht auf die endokrine Therapie und hat bereits eine Reihe an Forschungsarbeiten mit weiteren zielgerichteten Substanzen nach sich gezogen: So wurden von Professor José Baselga 16 neue PI3K-Inhibitoren von verschiedenen Firmen vorgestellt. Eine interessante Subgruppenauswertung – eines der Top-5-Abstracts – wurde in Wien von Professor Michael Gnant erstpräsentiert und zeigt, dass Everolimus offenbar in der Lage ist, dem aromatasehemmerinduzierten Knochen-Turnover mit erhöhter Knochenresorption entgegenzuwirken. Der knochenprotektive Effekt ist zwar nicht frakturwirksam, vielleicht mit längerer Nachbeobachtung, interessant sind aber Hinweise aus onkologischer Sicht, dass im Everolimus-Arm weniger Knochenmetastasen aufgetreten sind. Sämtliche Daten dieser Studie drängen auf eine Weiterführung im adjuvanten Setting, sodass es für den Forschungsstandort Österreich von eminenter Bedeutung ist, wenn solche Studien mit global praxisveränderndem Potenzial von Beginn an hier stattfinden.