Aktuelle Einsatzmöglichkeiten – Pegyliertes liposomales Anthrazyklin bei soliden Tumoren sowie in der Hämatoonkologie

Anlässlich der diesjährigen Frühjahrstagung der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie wurde über unterschiedliche Anwendungsgebiete von pegyliertem liposomalen Doxorubicin (PLD) diskutiert, einer Substanz, die vor allem die Anthrazyklin- bedingte Kardiotoxizität vermindert. Doz. Thomas Kühr, Wels, wies dabei auf die Bedeutung der Einteilung nach dem zeitlichen Auftreten der Anthrazyklin- bedingten Kardiotoxizität hin. Hierbei kann zwischen akutem bzw. subakutem (selten), chronischem Auftreten sowie einem „late onset“ der Toxizität unterschieden werden.

Verringerte Kardiotoxizität: Pegyliertes liposomales Doxorubicin verfügt über pharmakokinetische Eigenschaften, die das Toxizitätsspektrum von konventionellem Doxorubicin herabsetzt. Durch die ausgeprägte intravasale Lokalisation der Anthrazyklin-hältigen pegylierten Liposomen kommt es kaum mehr zu einer Verteilung in das Herzgewebe, so dass selbst höhere kumulative Dosen ein wesentlich geringeres kardiales Risiko nach sich ziehen. Man erreicht durch die Verwendung von PLD eine mehr als 20-fach reduzierte maximale Peak-Plasmakonzentration. Gleichzeitig kann eine erheblich verlängerte terminale Halbwertszeit ermittelt werden.

Kombinationspartner beim metastasierten Mammakarzinom: Retrospektive Analysen lassen vermuten, dass insbesondere Patientinnen mit HER2-überexprimierenden Tumoren von einer Anthrazyklin- hältigen Therapie profitieren, berichtete Univ.-Doz. Dr. Brigitte Mlineritsch, Salzburg. Eine Therapie mit PLD bietet sich dabei besonders an, da aufgrund eigener Phase-II-Daten bei Patientinnen mit vorbehandeltem, metastasierten Mammakarzinom eine Ansprechrate von 31 % mit PLD als Monotherapie erreicht werden konnte (Mlineritsch et al., Onkologie 2004). Bei HER2-positivem, metastasiertem Mammakarzinom konnte durch die Kombination von PLD mit Trastuzumab ein Ansprechen in 52 % erreicht werden (Krankheitsprogression nur bei 11 % der Patientinnen), das mediane progressionsfreie Überleben lag bei 9,9 Monaten (Chia et al., JCO 2006). Keine Patientin entwickelte eine klinisch manifeste Herzinsuffizienz. Innerhalb der AGMT wird derzeit die Kombination von PLD mit Lapatinib bei Patientinnen mit HER2+, metastasiertem Mammakarzinom geprüft (AGMT-Studie MBC-5).

Rezidiviertes Ovarialkarzinom, CALYPSO- Studie: Großes Augenmerk sollte man laut OA Dr. Alois Lang, Feldkirch bei der Therapie des Ovarialkarzinoms auf die prognostischen Faktoren der Erkrankung legen; zu diesen zählen Alter, Grading, histologischer Subtyp, Krankheitsstadium sowie Tumorlast. Bei Patienten im Stadium III der Erkrankung, die ein größeres Volumen an residualer Erkrankung aufweisen, führt dies zu einem schlechterem Überleben. Im Krankheitsrezidiv wird die Behandlungsstrategie nach dem Intervall seit der letzten platinbasierten Therapie getroffen. Erfolgt das Rezidiv innerhalb von 6 Monaten, handelt es sich um eine platinresistente Erkrankung, bei einem Rezidiv, das nach mehr als 6 Monaten auftritt, spricht man von einer platinsensitiven Erkrankung.
Bei letzterer Patientenpopulation gilt Carboplatin plus Paclitaxel als Therapiestandard. Bedingt durch das Risiko von kumulativen Neuropathien wurden weitere Carboplatin-Kombinationen untersucht – PLD erscheint hier als ein wertvoller Kombinationspartner. In die randomisierte Phase-III-Studie CALYPSO (Pujade- Lauraine et al., JCO 2010) wurden Patientinnen mit Ovarialkarzinom in einem späteren Relapse (> 6 Monate) inkludiert, die zuvor als Erst- oder Zweitlinie eine platinbasierte Therapie erhalten hatten (eine vorangegangene Taxantherapie war ebenfalls erforderlich). Randomisiert wurde entweder in den experimentellen Arm (CD) mit PLD 30 mg/m2 i.v. am Tag 1 + Carboplatin AUC 5 Tag 1 oder in den Kontrollarm (CP) mit Paclitaxel 175 mg/m2 i. v. Tag 1 + Carboplatin AUC 5 am Tag 1. Die Patientinnen erhielten 6 Therapiezyklen, die Therapie wurde bei Patientinnen mit Stable Disease oder partiellem Ansprechen (PR) bis zur Krankheitsprogression fortgeführt. Als primärer Endpunkt wurde das progressionsfreie Überleben (PFS) definiert, sekundäre Studienendpunkte beinhalteten Gesamtüberleben, qualitative und quantitative Toxizitäten sowie Lebensqualität. Im experimentellen Studienarm konnte eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens unter PLD + Carboplatin im Vergleich zum Kontrollstudienarm erzielt werden (11,3 vs. 9,4 Monate im Kontrollarm) (Abb.).
Bezogen auf das PFS konnte eine 18%- Reduktion des Rezidivrisikos beobachtet werden. Die Überlebensdaten sind noch unausgereift, bis dato gibt es erst 322 Todesfälle.
Die Kombination von PLD + Platin wies eine signifikant niedrigere Rate an Neuropathien sowie Alopezie auf, was zu einer Verbesserung der Lebensqualität der Patientinnen führte; es wurde in diesem Studienarm über ein moderates Auftreten des Hand-Fuß-Syndroms, von Mukositis sowie Übelkeit und Erbrechen berichtet.

Steroidfreie Therapie bei Myelompatienten: Bereits seit den 1980er Jahren sind Anthrazykline ein fixer Bestandteil in der Therapie des multiplen Myeloms, berichtete OA Dr. Thomas Nösslinger, Hanusch-Krankenhaus Wien. Die bereits erwähnten Nebenwirkungen wie Neutropenie und vor allem die Kardiotoxizität sind allerdings auch in der Hämatoonkologie oft limitierende Faktoren für den Einsatz von Doxorubicin. Die erforschten Synergien zwischen dem Proteasomeninhibitor Bortezomib und PLD führten zur Entwicklung von Studienkonzepten, bei welchen PLD das herkömmliche Doxorubicin ersetzen sollte. Die von Orlowski et al. im JCO 2007 publizierte Phase-III-Studie inkludierte 646 Patienten mit rezidiviertem/refraktärem multiplen Myelom: Im Studienarm A wurde den Patienten PLD (30 mg/m2 am Tag 4) + Bortezomib 1,3 mg /m2 an den Tagen 1,4,8,11 verabreicht, im Kontrollstudienarm B erhielten die Patienten Bortezomib als Monotherapie. Geplant war die Verabreichung von 8 Therapiezyklen, als primärer Studienendpunkt wurde die Zeit bis zur Krankheitsprogression (TTP) definiert. Bereits 2/3 der eingeschlossenen Patienten hatte 2 Vortherapien, mehr als die Hälfte der Patienten wurde bereits mit Kortikosteroiden, herkömmlichen Anthrazyklinen sowie alkylierenden Substanzen therapiert, mehr als die Hälfte durchliefen bereits eine autologe Stammzelltransplantation. Die mediane TTP betrug im Studienarm Bortezomib + PLD 9,3 Monate vs. 6,3 Monate mit Bortezomib als Monotherapie (p = 0,000004). Bezogen auf die 15-Monate-Überlebensrate zeigte sich ebenfalls ein Vorteil zugunsten der Kombinationstherapie (76 % vs. 65 %). Die mediane Zeit bis zum Ansprechen auf die Therapie erfolgte in beiden Studienarmen bereits in den ersten 43 Behandlungstagen. Die Ansprechraten werden in der Tabelle dar – gestellt. Die Kombination von PLD mit Bortezomib repräsentiert einen neuen Therapiestandard, der sich auch in allen Subgruppen als effektiv erwiesen hat. Besonders für Patienten, die Steroidtherapien schlecht tolerieren, oder bei Patientenpopulationen mit thromboembolischen Ereignissen in der Anamnese stellt diese Kombinationstherapie eine wirkungsvolle Alternative dar.

FACT-BOX
Vorteile von pegyliertem, liposomalen Doxorubicin:

  • präferenzielle Akkumulation im Tumorgewebe
  • geringes Kardiotoxizitätsprofil (auch bei höheren Kumulativdosen)
  • weniger Neutropenien, weniger Alopezien
  • PLD-Kombinationen wirksam und kardial gut verträglich beim metastasiertem Mammakarzinom (inklusive HER2+)
  • die Kombination von PLD + Carboplatin ist eine effektive Therapieoption für platinsensitive Patientinnen mit rezidiviertem Ovarialkarzinom
  • die Kombination von PLD + Bortezomib stellt eine sinnvolle Behandlungsalternative bei Myelompatienten dar, die steroidintolerant sind oder ein thromboembolisches Risiko aufweisen