Im September 2011 erhielt Abirateron die Marktzulassung zur Therapie des metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinoms (mCRPC) nach Chemotherapie mit Docetaxel. Wenige Monate später wurden nun auf der Jahrestagung der American Association for Clinical Oncology (ASCO) die Daten zum Einsatz von Abirateron bei chemotherapienaiven mCRPC-Patienten vorgestellt. Es ist die erste Phase-III-Studie, die eine Aktivität dieser Substanz bei chemotherapienaiven Patienten zeigt. Ein weiterer Paradigmenwechsel in der Behandlung des Prostatakarzinoms könnte bevorstehen.
Beim metastasierten Prostatakarzinom wirken antihormonelle Maßnahmen zumeist nur zeitlich begrenzt, sodass auf eine Chemotherapie mit Docetaxel als Standard oft nicht verzichtet werden kann. Doch auch in diesem kastrationsresistenten Stadium können Prostatakarzinomzellen weiter hormonabhängig sein. Für die Entwicklung einer Kastrationsresistenz sind Veränderungen des Androgenrezeptors ursächlich, sodass dieser schon bei sehr niedriger Androgenkonzentration oder ligandenunabhängig stimuliert wird. Als weiteres Faktum kommt hinzu, dass trotz konventioneller Androgendeprivation außerhalb des Hodens weiter Androgene in Nebennieren und Tumorzellen gebildet werden. Bei Abirateron(Zytiga®) handelt es sich um einen ein CYP-17-Inhibitor und damit einen Hemmer der Testosteronbiosynthese. Als Folge der Enzymblockade können – anders als bei einer konventionellen Antihormontherapie – sowohl im Hoden, der Nebennierenrinde als auch im Tumorgewebe selbst keine Androgene mehr gebildet werden. Unter Abirateron fällt der Testosteronspiegel < 1 ng/dl damit weit unter das Kastrationsniveau (50 ng/dl)1.
In der Zulassungsstudie COU-AA-3012 mit primärem Studienendpunkt Gesamtüberleben (OS) wurde Abirateron bei Patienten in gutem oder etwas reduziertem Allgemeinzustand (ECOG ≤ 2) nach Versagen von Docetaxel in einem 2 : 1-Design für Verum oder Placebo randomisiert. Nach einem mittleren Beobachtungszeitraum von 12,8 Monaten konnte unter Abirateron (1.000 mg einmal täglich) in Kombination mit Prednison/Prednisolon (5 mg zweimal täglich) ein medianes Überleben von 14,8 Monaten versus 10,9 Monate im Kontrollarm (Placebo + Prednison) erzielt werden. (HR 0,66; 95%-KI 0,55–0,78). Auch alle sekundären Endpunkte (Zeit bis zur PSA-Progression, radiographisches progressionsfreies Überleben [PFS], PSA-Ansprechrate) schnitten positiv zugunsten des Abirateron-Armes ab.
Charles J. Ryan vom Helen Diller Family Comprehensive Cancer Center an der University of California, San Francisco, präsentierte nun erstmals eine Interimsanalyse der Phase-III-Studie COU-AA-302 zum Einsatz von Abirateron bei chemotherapienaiven mCRPC-Patienten3 (ASCO 2012; LBA4518). An der Studie beteiligten sich 151 Zentren in 12 Ländern. In einer 1 : 1-Randomisierung erhielten 1.088 asymptomatische Patienten oder Patienten mit geringer Symptomatik Abirateron (1.000 mg einmal täglich) + Prednison (5 mg zweimal täglich) oder Placebo + Prednison. Das mediane Follow-up betrug 22,2 Monate. Die co-primären Endpunkte dieser Studie waren rPFS (radiographisches progressionsfreies Überleben) und OS.
Es zeigte sich folgendes Ergebnis: mCRPC-Patienten, die mit Abirateron + Prednison behandelt wurden, wiesen verglichen mit Patienten im Placeboarm eine statistisch relevante Verbesserung im rPFS auf. Das mediane rPFS im Kontrollarm lag bei 8,3 Monaten und wurde im Abirateron-Arm noch nicht erreicht (HR 0,43; 95%-KI 0,35–0,52), p < 0,0001). Statistisch relevante Veränderungen zeigten sich zudem in allen sekundären Endpunkten im Verum-, verglichen mit dem Placeboarm (Tab.). Die sekundären Endpunkte umfassten die Zeit bis zum tumorschmerzbedingten Opiateinsatz, die Zeit bis zur Chemotherapie-Initiierung, die Zeit bis zur Verschlechterung des ECOG-Performance-Status und die Zeit bis zur PSA-Progression.
Gesamtüberleben: Die Ergebnisse der Interimsanalyse weisen auch einen Trend zu einem erhöhten medianen Gesamtüberleben auf. Im Placeboarm lag das OS bei 27,2 Monaten (HR = 0,75; 95%-KI 0,61–0,93, p = 0,0097) und wurde im Abirateron-Arm noch nicht erreicht. Auch der festgelegte p-Wert von 0,0008 (um statistische Signifikanz zu erzielen) wurde zum Zeitpunkt dieser Zwischenanalyse noch nicht erreicht. Das unabhängige Datenkontrollkomitee (IDMC) empfahl, nachdem durch diese geplante Zwischenanalyse statistisch relevante Unterschiede in rPFS und ein Trend zur Abweichung in OS festgestellt wurden, die Entblindung dieser Phase-3-Studie. Zu diesem Zeitpunkt waren 43 % aller Ereignisse eingetreten.
Sicherheitsdaten: In der Zulassungsstudie COU-AA-301 stellte sich das Nebenwirkungsprofil der Substanz als sehr günstig dar2. Hypokaliämie, Hypertonie, Ödeme, eine Erhöhung kardialer Ereignisse sowie eine Erhöhung der Leberfunktionsparameter. Aspartat-Aminotransferase (AST) und Alanin-Aminotransferase (ALT) gelten als die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen. Die Zwischenauswertung der COU-AA-302-Studie erbrachte trotz längerer Behandlung mit Abirateron (22,2 Monate; Vergleich median 12,8 Monate in der COU-AA-301-Studie) keine neuen Aspekte hinsichtlich des Sicherheitsspektrums. Grad 3 /-4-Nebenwirkungen, die häufiger als im Kontrollarm auftraten, waren Hypertension (3,9 % vs. 3,0 %), Hypokaliämie (2,4 % vs. 1,9 %), ALT # (5,4 % vs. 0,7 %) und AST # (3,0 % vs. 0,9 %).
Neben Abirateron bringt auch das Antiandrogen MDV3100 bei Patienten mit progressivem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom, die zuvor mit Docetaxel behandelt wurden, einen Überlebensvorteil. Anlässlich einer Postersitzung wurden die ersten Daten zur Wirksamkeit von Abirateron nach Versagen auf eine Docetaxel- und darauf gefolgte MDV3100-Therapie präsentiert4 (Abstract 4554). Bei der Patientengruppe handelte es sich um 24 Patienten, die in der Drittlinie Abirateron nach dem Standardregime erhielten. Bei diesen wurden PSA-Ansprechen (definiert als PSA-Wert < 50 % des Ausgangswertes, bestätigt nach 4 Wochen), Zeit bis zu Progression und Schmerzansprechen erhoben. Die Patienten mit einem medianen Alter von 74 Jahren und einem medianen PSA-Wert von 108 ng/ml hatten alle Knochenmetastasen, 38 % eine Lymphknotenmetastasierung bzw. 25 % Leber- bzw. Lungenmetastasen. Abirateron führte bei drei Patienten zu einem PSA-Ansprechen, welches 2, 3 und 4,5 Monate anhielt. Bei rund 30 % verbesserte sich die Schmerzsymptomatik bzw. konnten Analgetika reduziert werden. Die Therapie wurde gut vertragen, musste aber bei einem Patienten aufgrund von Ödemen und Hypokaliämie abgebrochen werden. Demnach scheint diesen vorläufigen Daten zufolge eine Gruppe von mCRPC-Patienten von einer Drittlinientherapie mit Abirateron zu profitieren.
Ein weiteres Poster beschäftigte sich mit der Robustheit der Daten das Gesamtüberleben als primären Studienendpunkt der COU-AA-301-Studie betreffend. Nachdem gezeigt werden konnte, dass Abirateron/Prednison in der COU-AA-301-Studie das Gesamtüberleben nach Docetaxel-basierter Chemotherapie um 4,6 Monate versus Placebo/Prednison bei mCRPC-Patienten verbesserte, wurde in einer explorativen Post-hoc-Analyse5 evaluiert, ob das Timing der ersten und letzten Docetaxel-Dosis und der Grund für den Abbruch einer Docetaxel-Therapie den Überlebensvorteil unter Abirateron beeinflussen (Abstract 4558).
Der Vergleich zwischen Verum- und Placeboarm zeigte, dass in beiden Armen die Docetaxel-Therapie zu 45 % aufgrund der Progression der Erkrankung abgebrochen werden musste. Die Verbleibenden beendeten die Therapie nach der Verabreichung aller geplanten Zyklen (37 %), aufgrund von Toxizität (12 %) oder aus für den Untersucher jeweils anderen Gründen (5 %). Das mediane Überleben, berechnet von der ersten und letzten Docetaxel-Dosis, war unter Abirateron im Vergleich zu Placebo länger. Vom Zeitpunkt der ersten Docetaxel-Therapie gerechnet, hatten Patienten im Abirateron-Arm ein medianes Gesamtüberleben von 32,6 Monaten (Placebo: 27,6 Monate; HR = 0,75; 95%-KI 0,65 bis 0,88; p = 0,0002). Auch die Berechnung von der letzten Docetaxel-Dosis wirkte sich nicht im Überlebensvorteil durch eine Abirateron-Therapie aus (Abirateron: 23,2 Monate, Placebo: 19,4 Monate; HR = 0,74; 95%-KI 0,64 bis 0,86; p ≤ 0,0001).
Das Gesamtüberleben war ebenso länger bei Patienten, die aufgrund der Krankheitsprogression bzw. aus allen anderen Gründen die Docetaxel-Therapie beenden mussten. Die Studienautoren legen aufgrund der Daten dieser explorativen Analyse den Schluss nahe, dass der Überlebensvorteil infolge einer Therapie mit Abirateron bei mCRPC-Patienten erhalten bleibt. Dies ist unabhängig davon, ob die Berechnung von der ersten oder letzten Docetaxel-Dosis erfolgt, oder ob die Docetaxel-Therapie aufgrund der Krankheitsprogression beendet werden musste oder nicht. Damit sei die Robustheit der OS-Ergebnisse in der COU-AA-301-Studie bestätigt.