Blockierung des Hedgehog-Signalweges
: Neue Möglichkeit zur Behandlung des fortgeschrittenen Basalioms


Hautkrebs ist der häufigste Tumor des Menschen mit weltweit steigender Inzidenz, was neben den Belastungen jedes einzelnen Patienten auch zu einer immer größer werdenden finanziellen und gesundheitspolitischen Herausforderung wird. Schon allein deshalb ist es notwendig, die pathophysiologischen Mechanismen in diesen Tumoren besser zu verstehen, um effiziente und zielgerichtete Therapien entwickeln zu können. 

Das Basaliom (im englischen Sprachraum Basal Cell Carcinoma, BCC) ist mit einer geschätzten jährlichen Inzidenz von 0,1–0,5 % einer der häufigsten Vertreter des „weißen Hautkrebs“ (NMSC). In den meisten Fällen können Basaliome durch einen mehr oder weniger aufwändigen chirurgischen Eingriff entfernt werden. Bei manchen Patienten gelingt das allerdings nicht, und der Tumor wächst lokal destruierend in das umgebende Gewebe ein – mit schwerwiegenden, mitunter letalen Folgen für den Patienten. In sehr seltenen Fällen kann das Basaliom auch metastasieren – mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung des Patienten von 8 Monaten1. Derzeit existieren noch keine Standardtherapien für lokal fortgeschrittene oder metastasierende Basaliome.

 

 

Forschung: von der Fruchtfliege zum Menschen

Wie Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung die therapeutischen Möglichkeiten in der Dermatologie beeinflussen, vielleicht sogar revolutionieren können, sei am Beispiel des Basalioms (Basal Cell Carcinoma, BCC) gezeigt.
Die deutsche Forscherin und Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Vollhard untersuchte in den frühen 1980er-Jahren die genetische Steuerung der Embryonalentwicklung in der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster). Hier fiel eine Larve auf, die mit Borsten bedeckt war und von den Forschern den Namen Hedgehog (Englisch für Igel) erhielt. Später zeigte sich, dass dieser Larve ein bestimmtes Signalprotein fehlt, das ebenfalls als Hedgehog bezeichnet wurde.
Der Hedgehog-Signalweg (Hh-Signalweg) ist in hohem Maße konserviert und findet sich im Wesentlichen von der Fruchtfliege bis zum Menschen. Während sich bei der Drosophila nur ein Hh-Weg findet, sind es bei Vertebraten drei Hh-Paraloge, die als Sonic-Hh (SHh), Indian-Hh (IHh) und Desert-Hh (DHh) bezeichnet werden.

Schlüsselregulator für Zellwachstum

Dieser Hedgehog-Signalweg, ein Schlüsselregulator für Zellwachstum und Differenzierung, kontrolliert eine Vielzahl von epithelialen und mesenchymalen Interaktionen während der Embryonalentwicklung. In adulten Zellen ist der Hh-Signalweg normalerweise nicht aktiv. Die Forschung der letzten 15 Jahre hat allerdings gezeigt, dass es bei verschiedenen Tumoren zu einer Reaktivierung des Hh-Weges kommen kann.

Tumorentwicklung: Reaktivierung des Hedgehog-Signalweges

Zu diesem Signalweg gehören die Komponenten Hedgehog, PTCH1 (patched homologue 1) und SMO (smoothened). Hedgehog ist ein sezerniertes Protein, das an den Rezeptor PTCH1 an der Zell­oberfläche bindet. PTCH1 ist Teil eines Rezeptorkomplexes an der Zellmembran. Unter physiologischen Bedingungen ist dieser Signalweg „abgedreht“, indem PTCH1 eine aktive Inhibierung von SMO ausübt und so eine Signalweiterleitung „stromabwärts“ verhindert. SMO ist ein 7-Transmembranprotein und nimmt eine Schlüsselstellung in der Aktivierung von Signalen ein: Über Proteine wie SUFU (suppressor of fused) und Transkriptionsfaktoren der GLI-Familie (glioma-associated oncogene family) kontrolliert SMO die Proliferation und Differenzierung der Zelle. SMO wird physiologischerweise durch PTCH1 inaktiviert, während Hedgehog wieder PTCH1 inaktiviert.

Der Hedgehog-Signalweg im Goltz-Gorlin-Syndrom

Einer der ersten Beweise, dass der Hh-Signalweg mit der Entwicklung von Tumoren in Zusammenhang steht, stammt aus der Dermatologie. 1996 wurde entdeckt, dass eine „Loss of Function“-Mutation von PTCH1 auf dem langen Arm des menschlichen Chromosom 9 (q22.3) zum Basal Cell Nevus Syndrom (BCNS), auch Goltz-Gorlin-Syndrom genannt, führt. Dieses Gen kodiert PTCH 1, den primären Rezeptor für Liganden des Hh-Signalweges.
Menschen mit Goltz-Gorlin-Syndrom leiden an multiplen Basaliomen bereits in jungen Jahren. Es findet sich eine Assoziation mit Neoplasmen innerer Organe (Medulloblastom bis 20 %, seltener Ovarialkarzinome, Fibro- und Rhabdomyosarkome. Zusätzlich finden sich bei Patienten mit Gorlin-Syndrom Einziehungen der palmoplantaren Haut (so genannte Pits), odontogene Kieferzysten (bei etwa 75 % Zahnverlust schon in der Jugend) und gehäuft Fehlbildungen der Rippen und ektopische Verkalkungen.

Der Hedgehog-Signalweg bei sporadischen Basaliomen

Die gleiche inaktivierende Mutation des PTCH1-Gens wie im Goltz-Gorlin-Syndrom finden wir bei 70 % aller sporadischen Basaliome bei Menschen ohne Goltz-Gorlin-Syndrom. Weitere 10–20 % aller sporadischen Basaliome zeigen aktivierende Mutationen des SMO (smoothened), das als Onkogen zur Aktivierung des Hh-Weges führt. Eine kleine Gruppe von Basaliomen hat Mutationen im PATCH 1-Homolog PTCH2 und in SUFU. Da nicht in allen Basaliomen Mutationen von PTCH1, SMO und SUFU nachgewiesen werden können, liegt die Vermutung nahe, dass bei manchen Basaliomen auch andere, bis dato nicht erkannte Gene des Hh-Weges mutiert sein könnten.

Gezielte Therapie des Basalioms mit „kleinen Molekülen“

Basierend auf diesen molekularen Erkenntnissen wurden kleine Moleküle als Inhibitoren des Hh-Weges entwickelt, die neue gezielte Therapien (targeted therapies) von chirurgisch nicht sanierbaren Basaliomen ermöglichen. Diese zielgerichteten Substanzen binden an SMO und blockieren die Signalweiterleitung. Zwei dieser innovativen Substanzen sind derzeit in klinischer Prüfung: LDE225 (Fa. Novartis) und GDC-0449 (Vismodegib, Fa. Roche). Es handelt sich dabei um Präparate, die oral verabreicht werden, für LDE225 wird auch eine topische Anwendungsform untersucht.

LDE225 (Fa. Novartis)

Bis dato liegen für LDE225 klinische Daten von Phase-I-Studien mit systemischer und topischer Applikation vor.

Unter systemischer Therapie mit LDE225 wurden bei 7 auswertbaren Patienten mit fortgeschrittenen Basaliomen 1 komplette Remission, 3 partielle Remissionen und 3 Stabilisierungen der Erkrankung erzielt. Die Verträglichkeit von LDE225 war bei systemischer Gabe bis 800 mg pro Tag p. o. gut2. 
Topische Anwendung: In einer doppel­blinden, randomisierten, intraindividuellen Studie wurden 8 Patienten mit Goltz-Gorlin-Syndrom über 4 Wochen topisch behandelt. Die Patienten wiesen ins­gesamt 27 Basaliome auf. Auf diese wurde 2-mal täglich entweder die 0,7%-LDE225-Creme oder die Kontrolle (CremBbasis) aufgetragen. Von den 13 mit LDE225-Creme behandelten Basaliomen zeigten 3 eine komplette Remis­sion, 9 eine partielle Remission, und 1 Tumor fand kein Ansprechen. Demgegenüber fand sich in der nur mit Cremebasis behandelten Kontrollgruppe (n = 14) nur ein Basaliom mit partieller Remission3. Die Verträglichkeit der topischen LDE225-Formulierung war bei allen Patienten sehr gut.

Vismodegib (Fa. Roche)

Ein anderer, besonders viel versprechender, ausschließlich systemisch zu verabreichender Hh-Inhibitor ist GDC-0449 (Vismodegib).
In einer ersten klinischen Phase-I-Studie wurde 33 Patienten mit metastasierendem oder lokal weit fortgeschrittenem Basaliom der orale Hh-Inhibitor GDC-0449 (Vismodegib) einmal täglich gegeben. Die durchschnittliche Einnahmedauer betrug 9,8 Monate. Von den 33 Patienten zeigten 18 Patienten ein objektives Ansprechen auf die Behandlung, 2 von ihnen mit kompletter und 16 mit partieller Remission. Von den übrigen 15 Patienten konnte bei insgesamt 11 eine Stabilisierung der Erkrankungen erzielt werden, bei den anderen 4 Patienten wurde allerdings ein Progress beobachtet4.
Diese Aufsehen erregenden Ergebnisse führten zur ersten klinischen Phase-III-Studie mit insgesamt 104 Patienten. Es wurden Patienten mit histologisch gesichertem Basaliom eingeschlossen, bei denen der Tumor entweder inoperabel war oder eine radikale chirurgische Behandlung (z. B. im Gesicht) zu einer massiven „Entstellung“ des Patienten geführt hätte. Alle Patienten erhielten Vismodegib 150 mg (1 Kapsel) pro Tag. Ein objektives Ansprechen auf die Therapie mit Vismodegib wurde bei 43 % aller Patienten mit inoperablen Basaliomen und 30 % der Patienten mit metastasiertem Basaliomen berichtet5.

 

 

 

Sicherheit und Verträglichkeit von Hh-Inhibitoren

Bezüglich Nebenwirkungen können bei den Hedgehog-Inhibitoren unter anderem auftreten: Elektrolytverschiebungen, erhöhte Kreatininkinase (CK), Muskelkrämpfe, Herzrhythmusstörungen, Fatigue, Beeinträchtigung des Haarwachstums („struppige“ Haare) und Effluvium sowie Geschmacksstörungen.
Die Sicherheit von Vismodegib wird derzeit in einer klinischen Studie, die den Namen STEVIE (SafeTy Events in VIsmodEgib) trägt, untersucht. Für diese Phase-II-Studie werden im Wiener AKH an der Abteilung für Allgemeine Dermatologie noch Patienten mit lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Basaliomen gesucht, die chirurgisch nicht in sano behandelt werden können. Ansprechpartner und Leiter der klinischen Studie ist Dr. Rainer Kunstfeld (Tel.: 01/404 00-7702 oder E-Mail)

Ausblick

Das fortgeschrittene Basaliom stellt einen Modell-Tumor dar, der mit Inhibitoren des Hedgehog-Signalweges zielgerichtet behandelt werden kann. Weitere klinische Studien werden notwendig sein, um die dauerhafte Effektivität und langfristige Sicherheit dieser neuen Generation von kleinen Molekülen zu beweisen. Sollten sich die Erwartungen der Wissenschaft bestätigen, dann könnten in Zukunft auch andere, nichtoperable Tumoren mit diesen innovativen Wirkstoffen gezielt behandelt werden.

Modifizierter Beitrag aus Spectrum Dermatologie 1/2012, Blockierung des Hedgehog-Pathways – Neue Möglichkeit zur Behandlung des fortgeschrittenen Basalioms, von Univ.-Prof. Dr. Rainer Kunstfeld


 

1 Raszewski RL, Guyuron, Long term survival following nodal metastases from basal cell carcinoma. Ann Plas. Surg 1990; 24:170–5
2 Tawbi HA, Rodon Ahnert J et al., ASCO Meeting Juni 2011; Chicago, Abstract 3062
3 Skvara H. et al., J Invest Dermato. 2011 Aug; 131(8):173–44
4 Von Hoff DD, N Engl J Me. 2009; 361(12):1164–72
5 Luc Dirix et al., 2011 European Multidisciplinary Cancer Congress (EMCC): Abstract 1BA. Presented September 24, 2011