Body Mass Index, Tamoxifen, Aromatasehemmer – Einfluss des BMI auf die Effektivität endokriner Therapien

Tamoxifen ist wie der Aromatasehemmer eine so genannte „zielgerichtete Therapie“ des Mammakarzinoms. Tamoxifen verhindert die Aktivierung des Östrogenrezeptors durch Östrogen und hemmt so die Proliferation der Tumorzellen und fördert deren Apoptose. Tamoxifen wird auch zielgerichtet eingesetzt, da nur jene Patientinnen diese Form der endokrinen Therapie erhalten, deren Tumor hormonrezeptorpositiv ist. Das bedeutet, dass das Patientenkollektiv, welches Tamoxifen erhält, gemäß der Expression (dem Vorhandensein) des Targets selektioniert wird.
Ganz im Gegenteil dazu wird der Aromatasehemmer nicht „zielgerichtet“ eingesetzt. Ziel des Aromatasehemmers ist die Hemmung der Aromatase, die vorwiegend im Fettgewebe der postmenopausalen Frau Androgen in Östrogen umwandelt. Die Folge ist, dass der Östrogenspiegel postmenopausaler Frauen unter Aromatasehemmer- Therapie auf ein Minimum abfällt, wodurch der östrogenabhängigen Tumorzelle das Östrogen entzogen wird. Im Unterschied zu Tamoxifen selektionieren wir unsere Patientinnen nicht gemäß dem Target des Aromatasehemmers, nämlich der Aromataseexpression, sondern wir selektionieren gemäß dem indirekten Ziel, nämlich dem Östrogenrezeptor. Es ist aber vollkommen unklar, ob Patientinnen mit hoher „Gesamtkörper-Aromataseaktivität“ und folglich höherem Serum-Östrogenspiegel den gleichen Benefit von Aromatasehemmern erfahren wie Patientinnen mit niedriger „Gesamtkörper-Aromataseaktivität“ und folglich niedrigen SerumÖstrogenspiegeln. Um den Aromatasehemmer zielgerichtet einzusetzen, müsste eigentlich die „Gesamtkörper-Aromataseaktivität“ bestimmt und der Einsatz des Aromatasehemmers dementsprechend angepasst werden. Dies ist allerdings impraktikabel. Zum einen kann man der Patientin nicht zumuten, dass prätherapeutisch Biopsien aus dem Fettgewebe zur Bestimmung der Aromataseaktivität entnommen werden, zum anderen ist es ja vollkommen unklar, von welchem Fettgewebe man diese Biopsien nehmen sollte: vom viszeralen Fettgewebe, vom Brustfettgewebe, vom abdominellen Fettgewebe oder von allen diesen Kompartimenten?

Re-Analysen von ABCSG-Studien

Bei postmenopausalen Frauen ist das Fettgewebe Hauptproduktionsort von Östrogenen. Es ist seit langem bekannt, dass mit zunehmendem BMI und damit zunehmender Fettmasse und Aromataseaktivität auch der Östrogenspiegel postmenopausaler Frauen steigt. Um die „Gesamtkörper-Aromataseaktivität“ abzuschätzen, könnte man folglich den BMI als Surrogatparameter heranziehen. Basierend auf diesen Überlegungen wurden Re-Analysen der ABCSG-Studie 12, die am ASCO 2010 vorgestellt und nun im JCO publiziert wurde, bzw. der ABCSG-Studien 6 und 6a, die beim SABCS Meeting 2010 präsentiert wurden, durchgeführt. Die Hypothese der Re-Analysen war, dass der BMI aufgrund obiger Erklärungen Einfluss auf die Effektivität der Aromatasehemmer, nicht aber von Tamoxifen nimmt.

ABCSG-Studie 12: Tatsächlich konnte in der Re-Analyse der ABCSG-12 bei prämenopausalen Patientinnen mit ovarieller Suppression gezeigt werden, dass übergewichtige Frauen unter Aroma – tasehemmer-Therapie ein signifikant schlechteres krankheitsfreies und Gesamtüberleben aufwiesen als normalgewichtige Frauen unter Aromatasehemmer. Zudem ergab die Analyse, dass übergewichtige Frauen unter Aromatasehemmer verglichen mit übergewichtigen Frauen unter Tamoxifen ein signifikant schlechteres krankheitsfreies und Gesamtüberleben aufweisen. Man kön nte also vermuten, dass übergewich tige, prämenopausale Brustkrebspatientinnen stärker von Tamoxifen als von einem Aromatasehemmer profitieren.

ABCSG-Studie 6: Beim SABCS 2010 konnten wir die Analysen der ABCSGStudien 6 und 6a vorstellen. In der Studie 6 wurden knapp über 2000 postmenopausale Mammakarzinompatientinnen randomisiert entweder mit Tamoxifen oder Tamoxifen + Aminoglutethimide (first generation AI) behandelt. In der Originalpublikation konnte kein Unterschied zwischen beiden Armen festgestellt werden. In unserer Re-Analyse untersuchten wir, ob der BMI Einfluss auf die Effektivität dieser Therapien nimmt. Zwei Drittel aller postmenopausalen Mammakarzinompatientinnen waren übergewichtig, nur ein Drittel war normalgewichtig. Unsere neue Auswertung zeigte, dass der BMI keinen Einfluss auf die Effektivität von Tamoxifen oder Tamoxifen+Aminoglutethimide hatte. D.h. ähnlich wie in der Auswertung der ABCSG-Studie 12 profitierten normalgewichtige und übergewichtige Brustkrebspatientinnen in gleichem Maße von Tamoxifen.

ABCSG-Studie 6a: In der ABCSG-Studie 6a wurden rezidivfreie Patientinnen nach abgeschlossener endokriner Therapie für 5 Jahre randomisiert zu weiteren 3 Jahren Aromatasehemmer (Anastrozol) versus nihil. In der Originalpublikation konnte gezeigt werden, dass Frauen mit zusätzlicher dreijähriger Aromatasehemmer- Therapie ein signifikant besseres krankheitsfreies Überleben aufwiesen. In unserer Re-Analyse untersuchten wir, ob der BMI Einfluss auf dieses Ergebnis nimmt. Zwei Drittel aller Patientinnen waren übergewichtig. In der Gruppe der Normalgewichtigen konnten wir zeigen, dass die zusätzliche 3-jährige Aromatasehemmer- Therapie das Risiko der Patientinnen, ein Rezidiv zu erleiden oder an der Krankheit zu versterben, halbierte. Ganz im Gegensatz dazu profitierten übergewichtige Frauen nicht von der zusätzlichen 3-jährigen Gabe eines Aromatasehemmers nach 5 Jahren endokriner Therapie: In dieser Gruppe traten genauso viele Rezidive und Todesfälle auf wie ohne weitere Therapie.

Zusammenfassung

Gemäß unseren Daten – der Re-Analysen der ABCSG-Studien 12, 6 und 6a – können wir davon ausgehen, dass der Body Mass Index die Effektivität von Aromatasehemmern, nicht aber von Tamoxifen beeinflusst. Frauen, die übergewichtig sind, haben deutlich weniger Benefit von der Therapie mit einem Aromatasehemmer als Frauen, die normalgewichtig sind. Aufgrund dieser retrospektiven Daten lässt sich allerdings noch keine Änderung des Vorgehens im klinischen Alltag ableiten. Allerdings könnte man sich überlegen, ob man bei Übergewichtigen, bei denen der Aromatasehemmer scheinbar nicht so gut wirkt, lieber die Switch-Therapie (Tam gefolgt von AI) einsetzt, während man bei Normalgewichtigen mit gutem Gewissen Upfront die Aromatasehemmer verwendet. Dieses Vorgehen wäre konform mit den ASCO Guidelines (2010).