Beim fortgeschrittenen nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom ist es in den letzten Jahren zu einer zunehmenden Individualisierung der Therapie gekommen. Insbesondere in Adenokarzinomen konnten mehrere Driver-Mutationen, welche für das Tumorwachstum von wesentlicher Bedeutung sind, charakterisiert werden (Abb. 1)1. Diese Mutationen eignen sich potenziell als therapeutische Targets, und für einige dieser Mutationen sind zielgerichtete Substanzen auch bereits im klinischen Einsatz.
EGFR-gerichtete Tyrosinkinaseinhibitoren bei Tumoren mit EGFR-aktivierenden Mutationen: EGFR-aktivierende Mutationen im Tumor sind verantwortlich für das gute Ansprechen auf Erlotinib oder Gefitinib2. Bei Patienten mit diesen Mutationen führte die Erstlinientherapie mit Erlotinib oder Gefitinib im Vergleich zu einer platinhältigen Chemotherapie zu einer Verlängerung des progressionsfreien Intervalls und einer Verbesserung der Lebensqualität3–7. Beide Substanzen wurden deshalb für die Erstlinientherapie bei Patienten mit nachgewiesenen EGFR-aktivierenden Mutationen zugelassen. Dies erfordert zum Zeitpunkt der Diagnose eine routinemäßige EGFR-Mutationsanalyse bei allen Patienten mit Adenokarzinomen8. Patienten mit nachgewiesenen Mutationen werden bevorzugt mit Tyrosinkinaseinhibitoren und Patienten ohne Mutationsnachweis ausschließlich mit Chemotherapie behandelt.
Afatinib, ein irreversibler Tyrosinkinaseinhibitor, führte in der kürzlich präsentierten LUX-Lung-3-Studie im Vergleich zu Cisplatin plus Pemetrexed bei Patienten mit Adenokarzinomen und EGFR-aktivierenden Mutationen ebenfalls zu einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens9. Im Rahmen des ESMO-Kongresses wurden Subgruppenanalysen für bestimmte Mutationen präsentiert10. Weiters wurde gezeigt, dass Afatinib wirksamer hinsichtlich der Linderung tumorbedingter Symptome und der Verbesserung der Lebensqualität war11.
Hohe EGFR-Expression als prädiktiver Biomarker für Cetuximab: Die Erstlinienchemotherapie in Kombination mit Cetuximab führte zu einer Verbesserung des Überlebens bei Patienten mit hoher EGFR-Expression im Tumor12, wobei beim ESMO-Kongress nun gezeigt wurde, dass dies unabhängig vom EGFR-Mutationsstatus sein dürfte13.
Crizotinib bei ALK-positiven Karzinomen: Ein wesentlicher Fortschritt war die Charakterisierung des EML4-ALK-Fusionsproteins als onkogener Driver14. Ein ALK-Rearrangement (Inversion oder Translokation) findet sich in etwa 4 % der Adenokarzinome, bevorzugt bei Nie-Rauchern oder Ex-Rauchern. Bei Patienten mit ALK-positiven Karzinomen führte Crizotinib zu Ansprechraten von über 60 %15. Ein gutes Ansprechen fand sich sowohl bei unbehandelten als auch bei bereits mit mehreren Chemotherapielinien vorbehandelten Patienten.
Beim ESMO-Kongress wurden nun die Ergebnisse der PROFILE-1007-Studie präsentiert. In dieser Phase-III-Studie konnte die gute Wirksamkeit von Crizotinib bei bereits mit Chemotherapie vorbehandelten Patienten mit ALK-positiven Karzinomen bestätigt werden16. Insgesamt wurden 347 Patienten mit ALK-positiven Karzinomen eingeschlossen. Der Nachweis der ALK-Translokation erfolgte mittels FISH-Analyse. Die überwiegende Zahl der Patienten hatte Adenokarzinome (95 %) und guten Allgemeinzustand (91 % ECOG 0–1). Behandelte Hirnmetastasen fanden sich bei 35 % der Patienten. Weitere Charakteristika waren: 56 % Frauen, 52 % Kaukasier, 63 % Nie-Raucher, 33 % Ex-Raucher, 4 % Raucher. Die Patienten erhielten Crizotinib 250 mg 2-mal täglich oder eine Standardchemotherapie mit Docetaxel (75 mg/m2 alle 3 Wochen) bzw. Pemetrexed (500 mg/m2 alle 3 Wochen). Zum Zeitpunkt der Progression war ein Crossover erlaubt. Crizotinib bewirkte eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens: Hazard-Ratio 0,49 (95%-KI 0,37–0,64), median 7,7 versus 3 Monate, p < 0,0001. Der Vorteil von Crizotinib fand sich bei allen Subgruppen. Die Ansprechraten betrugen 65 % für Crizotinib und 19,5 % für Chemotherapie. In einer vorläufigen Analyse fand sich kein Unterschied im Gesamtüberleben. Die Hauptnebenwirkungen von Crizotinib waren Sehstörungen (60 % Grad 1–2), Durchfälle (60 % Grad 1–2), Übelkeit (55 % Grad 1–2, 1 % Grad 3), Erbrechen (47 % Grad 1–2, 1 % Grad 3) und Erhöhung der Transaminasen (38 % Grade 1–2, 16 % Grad 3).
Aufgrund dieser Datenlage wurde Crizotinib in der EU für die Second-Line-Therapie bei ALK-positiven Patienten zugelassen. In der derzeit laufenden Phase-III-Studie PROFILE 1014 wird Crizotinib bei Patienten mit ALK-positiven Karzinomen mit Standardchemotherapie in der Erstlinie verglichen.