Chirurgie im Stadium I und II

Stadien und Therapieplanung

In der Planung chirurgischer Maßnahmen beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) ist eine Unterscheidung zwischen frühen Stadien (IA/B und IIA/B), lokoregional fortgeschrittenen Stadien (IIIA/B) und metastasierten Stadien (IV) zu treffen. Eine komplette chirurgische Resektion bei NSCLC kann gute Langzeitergebnisse erzielen. Die chirurgische Behandlung kann als Therapie der Wahl bei Patienten mit Frühstadien bzw. im Stadium T3N1 angesehen werden. Die Rolle der Chirurgie bei lokoregional fortgeschrittenen Stadien bleibt dagegen kontroversiell. Bei Patienten im Stadium IIIA-N2 wird eine chirurgische Resektion meistens dann angeboten, wenn durch eine Induktionstherapie ein mediastinales Downstaging erzielt werden kann.

 

 

 

 

Fortschritte in der Chirurgie

In den letzten 15 Jahren konnten die Ergebnisse nach chirurgischer Behandlung des NSCLC in den Stadien I und II deutlich verbessert werden. Als Beispiel dient eine retrospektive Analyse des norwegischen Krebsregisters aus dem Jahr 2012. Verglichen mit der Periode 1994/ 1995 konnte im Zeitraum 2006/2007 die nationale Resektionsrate von 16 % auf 19 % und das 1-Jahres-Überleben von 73 % auf 82 % gesteigert werden. Der Anteil resezierter Patienten in den pathologischen Stadien I und II nahm im gleichen Zeitraum von 87 % auf 83 % ab, der Anteil von Pneumonektomien nahm von 27 % auf 15 % ab, die 30-Tage-Mortalität konnte von 4,8 % auf 3 % reduziert werden. Vor 15 Jahren waren 31 % der frühpostoperativen Todesfälle durch Komplikationen verursacht, die direkt mit der Operation in Zusammenhang zu bringen waren, in den letzten Jahren wurden keine Todesfälle durch direkte chirurgische Komplikationen verzeichnet. Der einzige ungünstige Trend in dieser retrospektiven Analyse war eine Verlängerung der Wartezeit von 29 auf 40 Tage, bedingt durch einen höheren Zeitaufwand für eine eingehende präoperative Abklärung.

N1-Lymphknotenbefall

Die prognostische Bedeutung eines Lymphknotenbefalls der N1-Lymphknotenstationen bei NSCLC ist durch die Heterogenität dieser Patientengruppe erschwert. Nach kompletter Resektion beträgt das mittlere Überleben 63 Monate und die 5-Jahres-Überlebensrate 50 %. Bei Befall mehrerer Lymphknotenstationen bzw. -zonen im Vergleich zu einzelnen Lymphknotenstationen oder -zonen ist ein schlechteres Langzeitüberleben zu erwarten. Patienten mit hilären Lymphknotenmetastasen haben schlechtere Überlebensraten als Patienten mit peripheren N1-Metastasen. Die Bedeutung eines N1-Lymphknotenbefalls im Vergleich zum T-Stadium kann dzt. aufgrund der Heterogenität dieses Patientenkollektivs nicht beurteilt werden.

Chirurgie im fortgeschrittenen Alter

In einer retrospektiven Analyse an über 4.000 Patienten im Alter zwischen 66 und 80 Jahren wurden bei fast 56 % der Patienten nach Lobektomie im Stadium I postoperative Komplikationen während des Spitalsaufenthaltes beobachtet. In knapp 40 % handelte es sich um pulmonale Komplikationen, gefolgt von kar­dialen Komplikationen in 24,5 %. Die höchsten Komplikationsraten wurden bei männlichen Patienten jenseits des 75. Lebensjahrs mit einem hohen Komorbiditätsindex und höheren T-Stadien beobachtet. Postoperative Komplikationen hatten einen signifikanten Effekt auf den postoperativen Spitalsaufenthalt und die 30-Tage-Mortalität. Zu ähnlichen Langzeitergebnissen kommt die Arbeitsgruppe aus Pittsburgh, allerdings ohne Einfluss auf die perioperative Morbidität und Mortalität im untersuchten Kollektiv mit einem mittleren Alter unter 70 Jahren.

Lobektomie oder weniger: Besonders bei älteren Patienten mit erhöhtem perioperativem Risikopotenzial sind parenchymsparende anatomische Resektionen zunehmend Thema aktueller Publikationen. In einer retrospektiven Analyse von 900 Patienten konnte über die letzten 10 Jahre gezeigt werden, dass nach anatomischer Segmentresektion im Vergleich zur Lobektomie bei Patienten im Alter über 80 Jahren weniger Komplikationen (43,6 % versus 58,7 %) und eine geringere Mortalität (0 % versus 7,8 %) auftreten. Für Tumoren mit unter 2 cm Querdurchmesser war die Lokalrezidivrate für beide chirurgische Verfahren identisch. Bei Tumoren von über 2 cm Durchmesser (T1b) wurde ein verkürztes rezidivfreies Überleben gefunden, sodass für Stadium-Ib-Tumoren die Lobektomie als chirurgisches Verfahren der Wahl nahezulegen ist.
Das Grundprinzip einer histologisch bestätigten radikalen Entfernung des Primärtumors entlang anatomischer Grenzen wurde in den letzten Jahren angesichts eines zunehmenden Anteils von Patienten mit grenzwertig eingeschränkter respiratorischer Reserve konsequent weiterentwickelt und für T1a-Tumoren das Konzept der anatomischen Segment­resektion auch auf Patienten mit guter Lungenfunktion ausgeweitet. Zu diesem Thema wird ein eigener Artikel dieses Heftes berichten.

Die Rolle der mediastinalen Lymphadenektomie

Allen chirurgisch radikalen Konzepten mit kurativer Intention ist gemeinsam, dass eine möglichst komplette und umfassende Entfernung der mediastinalen Lymphknotenstationen Teil der Behandlung sein soll. Von diesem Grundprinzip darf auch durch die Verwendung minimalinvasiver Techniken (VATS-Lobektomie) nicht abgegangen werden. In einer Reihe rezenter Studien konnte nachgewiesen werden, dass eine systematische Lymphadenektomie auch endoskopisch durchführbar ist, und die mittlere Anzahl der entfernten Lymphknoten der N2- und N1-Station bei thorakoskopischer Lobektomie und offener Lobektomie nicht unterschiedlich ist.

Das präoperative und intraoperative Lymphknotenstaging ist von überragender Bedeutung für Patienten mit nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom. Die Europäische Gesellschaft für Thoraxchirurgie hat in diesem Zusammenhang sämtliche relevanten Publikationen zusammengefasst und spezifische Leitlinien ausgearbeitet. Demzufolge ist eine systematische Lymphknotendissektion in allen Fällen gefordert, um eine komplette Resektion zu gewährleisten. Eine lappenspezifische systematische Lymphknotendissektion ist ausschließlich bei peripheren T1-Plat­tenepithelkarzinomen akzeptabel, wenn die hilären und interlobären Lymphknotengruppen in der Gefrierschnittuntersuchung negativ sind. Selektive Lymphknotenbiopsien oder Lymphknotensampling sind nur gerechtfertigt, wenn eine Resektion nicht möglich ist.
Die theoretische Basis für eine komplette mediastinale Lymphadenektomie ergibt sich bereits allein aus den bekannten Tatsachen okkulter Lymphknotenmetastasen bzw. Skip-Metastasen. Ob das Ausmaß und die Methodik der mediastinalen Lymphknotendissektion die Überlebensprognose beeinflussen kann, wird in einer Reihe von Publikationen angesprochen, bleibt jedoch weiterhin kontroversiell. Die Sicherung einer kompletten Resektion und eines genauen Stagings legen jedoch eine komplette systematische mediastinale Lymphadenektomie als zentrale Komponente einer multidisziplinären Behandlung des nichtkleinzelligen Bronchialkarzinoms nahe. Auch die International Association for the Study of Lung Cancer (IASLC) akzeptiert die systematische Lymphknotendissektion als wesentliche Komponente des intraoperativen Stagings.

Weiterführende Literatur:
Fortschritte in der Chirurgie
– Strand TE et al., National trends in lung cancer surgery, Eur J Cardiothorac Surg 2012 Mar 7.
N1-Lymphknotenbefall
– Demir A et al., Prognostic significance of surgical-pathologic N1 lymph node involvement in non-small cell lung cancer. Ann Thorac Surg 2009 Apr; 87(4):1014–22.
Chirurgie im fortgeschrittenen Alter
– Rueth NM et al., Surgical treatment of lung cancer: Predicting postoperative morbidity in the elderly population. J Thorac Cardiovasc Surg 2012 Feb 14.
– Carr SR et al., Impact of tumor size on outcomes after anatomic lung resection for stage 1A non-small cell lung cancer based on the current staging system. J Thorac Cardiovasc Surg 2012 Feb; 143(2):390–7. Epub 2011 Dec 9.
– Schuchert MJ et al., Influence of age and IB status after resection of node-negative non-small cell lung cancer. Ann Thorac Surg 2012 Mar; 93(3):929–35; discussion 935–6.
Die Rolle der mediastinalen Lymphadenektomie
– Yang H et al., Complete Mediastinal Lymph Node Dissection in Video-Assisted Thoracoscopic Lobectomy Versus Lobectomy by Thoracotomy. Thorac Cardiovasc Surg. 2012 Mar 12t.
– Zhong W et al., Complete mediastinal lymphadenectomy: the core component of the multidisciplinary therapy in resectable non-small cell lung cancer. Eur J Cardiothorac Surg 2008 Jul; 34(1):187–95. Epub 2008 May 23.
– Ma K et al., Radical systematic mediastinal lymphadenectomy versus mediastinal lymph node sampling in patients with clinical stage IA and pathological stage T1 non-small cell lung cancer. J Cancer Res Clin Oncol 2008 Dec; 134(12):1289–95. Epub 2008 May 27.
– Wu N et al., Comparison of systematic mediastinal lymph node dissection versus systematic sampling for lung cancer staging and completeness of surgery. J Surg Res 2011 Dec; 171(2):e169–73. Epub 2011 May 20.
Das präoperative und intraoperative Lymphknotenstaging
– De Leyn P et al., ESTS. European trends in preoperative and intraoperative nodal staging: ESTS guidelines. J Thorac Oncol 2007 Apr; 2(4):357–61.
– Lardinois D et al., ESTS guidelines for intraoperative lymph node staging in non-small cell lung cancer. Eur J Cardiothorac Surg 2006 Nov; 30(5):787–92. Epub 2006 Sep 12.