Mangelnde Therapietreue gefährdet Heilungschancen

Unter dem seit Langem verwendeten Begriff „Compliance“ (Therapietreue) wird allgemein die Einhaltung der vom Arzt verschriebenen Medikamentenverordnungen durch die Patienten verstanden. Es ist seit Langem bekannt, dass die Compliance für Medikamente, v. a. für solche, die über längere Zeiträume eingenommen werden sollten, wie es z. B. bei Bluthochdruck oder Cholesterinerhöhung notwendig ist, bereits nach wenigen Monaten stark abnimmt.
Statistiken zeigen, dass diese Medikamente bereits nach einem Jahr nur mehr von 50–60 % der Patienten entsprechend der ärztlichen Verordnung oder überhaupt eingenommen werden. Die genauen Ursachen und Gründe für diese schlechte Therapietreue v. a. bei Langzeitmedikation sind vielfältig und noch nicht sehr gut bekannt und erforscht. Es scheinen jedoch meist mangelndes Bewusstsein der Patienten um die Sinnhaftigkeit der Medikamente, Wirksamkeit und allfällige Nebenwirkungen sowie fehlende Information über das Therapieziel eine zentrale Rolle zu spielen. Gänzlich andere Faktoren wie z. B. Begleiterkrankungen, und hier v. a. die sehr häufig durch die jeweilige Erkrankung entstehende oder bereits davor bestehende Depression, können die Compliance noch weiter verschlechtern. Ein weiterer, modernerer Begriff ist die „Adherence“ oder „Adhärenz“, mit der die Einhaltung der gemeinsam von Patienten und Arzt gesetzten Therapieziele bezeichnet wird. Unter Adhärenz wird also auch das Arzt-Patienten-Verhältnis und die damit zusammenhängende wiederholte Kommunikation über die Erkrankung und die Medikation mit all ihren Begleitumständen verstanden; und sie beschreibt die Rolle der Patienten nicht nur als die passiver Empfehlungsempfänger, sondern bezieht die Patienten aktiv in den Behandlungsverlauf ein.

Auch Krebstherapien sind keine Ausnahme

Während also bei den sog. gutartigen Erkrankungen wie Bluthochdruck das Problem der oft mangelnden Adhärenz bereits lange bekannt ist, ist die Erkenntnis, dass es bei der Behandlung von Krebserkrankungen um nichts besser bestellt ist, erst einige Jahre alt. In der adjuvanten Krebstherapie – also der Behandlung der Erkrankung nach der operativen Entfernung des Tumors zur Senkung des Metastasenrisikos – werden Medikamente z. B. bei Brustkrebs oft über mehrere Jahre verordnet. Ziel ist es, das Risiko des Wiederauftretens des Tumors (Rezidiv) oder der Absiedelung von Tumorzellen (Metastasierung) zu senken und dadurch die langfristigen Heilungsaussichten zu verbessern. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es daher erforderlich, dass die Patientinnen ihre Medikamente auch tatsächlich regelmäßig und zuverlässig einnehmen. Eine schlechte Adhärenz oder Compliance in einer solchen Situation kann also direkt und innerhalb weniger Jahre die Überlebenschancen z. T. drastisch senken. Damit gehen aber auch die Fortschritte, die die moderne Krebsforschung in den letzten Jahren gemacht hat, wieder verloren.

Literatur:
– Partridge AH et al., Nonadherence to Adjuvant Tamoxifen Therapy in Women With Primary Breast Cancer, J Clin Oncol 2003; 21:602–606
– McCowan C et al., Cohort study examining tamoxifen adherence and its relationship to mortality in women with breast cancer. Br J Cancer 2008; 99:1763–1768
– Partridge AH et al., Adherence to Initial Adjuvant Anastrozole Therapy Among Women With Early-Stage Breast Cancer, J Clin Oncol 2008; 26:556–562