Warum reden wir überhaupt über Compliance (Therapietreue, Einhaltung der empfohlenen Medikationseinnahme) bei den PatientInnen? Es geht hier doch vor allem um erwachsene, selbstverantwortliche Menschen. Wenn sie nicht das tun, was ihnen die Ärztin/der Arzt empfiehlt, ist das allein ihr persönliches Problem – könnte man meinen.
Versuchen wir aber eine gesamtgesellschaftliche Sichtweise. Vergessen wir nicht, dass theoretisch jeder von uns die/der Betroffene sein könnte. Spätes – tens dann hätten wir alle gerne ein funktionierendes Gesundheitssystem samt einer optimalen evidenzbasierten Therapie und diese hängt nun einmal maßgeblich mit der Compliance jeder einzelnen PatientIn zusammen. Wie soll man zu aussagekräftigen wissenschaftlichen Daten kommen, wenn die Hälfte der Medikamente in der Toilette landet? (Auf den nicht zu vernachlässigenden Schaden für die Umwelt, der dabei entsteht, möchte ich hier gar nicht erst eingehen.) Die zweite Frage, die sich möglicherweise stellt, ist: Warum ist das Thema Compliance aus der Sicht einer Study Nurse ein besonderes? Was sind denn deren Aufgaben? Im Vordergrund steht die Aufgabe der Betreuung der PatientInnen, die an klinischen Studien teilnehmen.
Und was ist wiederum so bedeutsam an klinischen Studien? Schon Hippokrates hat gesagt, dass die Erfahrung alleine eine gefährliche Lehrmeisterin ist. Wir alle wissen, wie oft es zu einem Paradigmenwechsel in der Wissenschaft kommt, so auch in der Medizin. Vor noch nicht all zu langer Zeit galt der Aderlass als die Allheilmethode. Heute kommt uns das absurd vor.
Was ist aus meiner Sicht notwendig, um die Compliance zu verbessern? Bei einer Study Nurse laufen all die (Behandlungs)fäden zusammen und es ist eine ihrer Aufgaben, diese für PatientInnen so aufzubereiten, dass es zu keiner Verunsicherung kommt und der/die PatientIn sich gut aufgehoben fühlt.
Es ist notwendig
Es gibt noch viele andere Gründe, warum es an Compliance mangelt und sie sind nicht alle beim Arzt oder bei der Study Nurse zu suchen. Da spielen viele andere Faktoren eine Rolle, wie das soziale Umfeld, die Persönlichkeitsstruktur und noch einige andere, je nach Individuum.
Ein Schnellrezept zur Compliance-Steigerung gibt es nicht. Die Lösung wäre meiner Meinung nach in einem viel größeren Kontext zu suchen:
Ein Vorschlag wäre z. B. die Soziologie zu Hilfe zu holen und anhand der verschiedenen Modelle des Gesundheitsverhaltens Modelle zur Compliance-Steigerung zu erarbeiten.
Am Ende möchte ich dennoch in Erinnerung rufen, dass letztendlich alle sowohl für sich selbst als auch im weiteren Sinne für die Familie und die Gesellschaft Eigenverantwortung tragen. Letztlich verdanken wir es unserer Vielfalt, dass wir schließlich so eine schnelle und beeindruckende Entwicklung gemacht haben, denn irgendjemand weiß es schließlich immer noch besser.
Linus Geisler schreibt in seinem Buch „Arzt und Patient – Begegnung im Gespräch“: „Compliance ist ganz wesentlich das Resultat einer erfolgreichen Kommunikation zwischen Arzt/Ärztin und PatientIn. Das Erzielen einer guten Compliance ist daher eine der Kernaufgaben des ärztlichen Gesprächs.“ Und ich möchte ergänzen: Diese Strategie kann noch verbessert werden, wenn die ÄrztInnen die Unterstützung eines guten Teams haben.
Eine weitere Compliance-Steigerung wäre möglich, würde die ganze Gesellschaft, würden die verschiedenen Player des Gesundheitssystems miteinander arbeiten. Ein Delegieren der Verantwortung nur auf einen Teil des Systems würde letztlich auch nur Teilerfolge verzeichnen können.