Wenn von palliativmedizinischer Versorgung in Vorarlberg gesprochen wird, so taucht unwillkürlich die Palliativstation Hohenems vor dem geistigen Auge auf. Sie hat sich seit ihrer Eröffnung im Jahr 2003 zu einem „Nukleus“ mit Strahlkraft entwickelt, wie es ihr Gründer, Prof. Dr. Gebhard Mathis einmal beschrieben hat. Doch was hat die Palliativstation mit der extramuralen Versorgung zu tun?
Abgestufte Hospiz- und Palliativversorgung: Im Modell der „abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung“ zählt die Palliativstation zu den Einrichtungen der Spezialversorgung. Der Großteil der PalliativpatientInnen wird aber außerhalb einer Palliativstation in der Regelversorgung betreut. Auf medizinischer Seite sind es vor allem die HausärztInnen, niedergelassene FachärztInnen und die Krankenhaus-ÄrztInnen auf den unterschiedlichsten Abteilungen, die sich um die Versorgung von PalliativpatientInnen kümmern. Auf pflegerischer Seite sind dies im extramuralen Bereich v.a. die Hauskrankenpflege und die Pflegeheime. Woher nehmen diese Fachpersonen aber ihre Expertise? Seit 10 Jahren finden im Bildungshaus Batschuns unter Leitung von Prof. Mathis jährlich Palliativ-Basislehrgänge statt, die von ÄrztInnen aus dem niedergelassenen und Krankenhausbereich sowie vom Pflegepersonal gut besucht werden. Hier findet die Vermittlung von palliativem Basiswissen statt, und die interdisziplinäre Zusammensetzung ermöglicht gleichzeitig ein Einüben in interdisziplinäre Teamarbeit. Vorarlberg hat im Österreich-Vergleich die höchste Dichte an AbsolventInnen von Palliativ-Basislehrgängen. Ein Teil der ReferentInnen kommt von der Palliativstation Hohenems. Insbesondere der ärztliche Leiter OA Dr. Otto Gehmacher hat hier und in der Fortbildung im Allgemeinen eine tragende Rolle übernommen. Regelmäßige „Refresher“-Kurse komplettieren das Fortbildungsangebot. Die Arbeitsgemeinschaft Hospiz- und Palliativbildung, zu der auch die Ärztekammer, die Berufsvertretung der Krankenpflege, die Krebshilfe und die Hospizbewegung Vorarlberg gehören, veranstaltet heuer zum 9. Mal in Folge den jährlichen Hospiz- und Palliativtag, der jeweils unter einem Schwerpunktthema steht und immer sehr gut besucht ist.
Mobiles Palliativteam: Eine zentrale Rolle in der extramuralen palliativmedizinischen Versorgung spielt das Mobile Palliativteam mit Sitz in Hohenems. Dieses Team wurde als Kooperationsprojekt von Palliativstation Hohenems und Hospizbewegung Vorarlberg konzipiert. Trägerin ist die Hospizbewegung Vorarlberg (Caritas). Das Mobile Palliativteam startete am 1. 2. 2007 und wird zu 90 % durch den Landesgesundheitsfonds (Land, Sozialversicherung) und zu 10 % durch die Caritas finanziert. In der ersten Projektphase (2007/2008) umfasste das Versorgungsgebiet den Bezirk Dornbirn und einen Teil des Bezirks Feldkirch mit einer Bevölkerung von rund 120.000 EinwohnerInnen. Seit 1. 1. 2009 versorgt das Mobile Palliativteam das ganze Bundesland. Die ursprüngliche Konzeption sieht bis zu drei Mobile Palliativteams für Vorarlberg vor. Wie sich der diesbezügliche Bedarf entwickelt, muss aber noch weiter beobachtet werden.
Durch die starke personelle Beteiligung der Palliativstation Hohenems am Mobilen Palliativteam – die MitarbeiterInnen sind entweder gleichzeitig auf der Palliativstation tätig oder waren dies in der Vergangenheit – gelingt es, die Fachexpertise der Palliativstation für den extramuralen Bereich fruchtbar zu machen. Ärztlicher Leiter des Mobiles Palliativteams ist OA Dr. Otto Gehmacher. Das Team setzt sich aus folgenden Berufsgruppen zusammen: Medizin (0,7 Vollzeitäquivalente [VZÄ]), Pflege (1,5 VZÄ) und Sozialarbeit plus Projektleitung (0,25 VZÄ). Die „medizinische Hotline“, die ins Mobile Palliativteam integriert ist, wird von ÄrztInnen der Palliativstation bedient. Das Mobile Palliativteam in Vorarlberg hat primär Supportfunktion und nimmt nur in speziellen Situationen und nach Absprache mit dem Hausarzt/der Hausärztin medizinische Leistungen an PatientInnen vor. Da das Mobile Palliativteam ein mobiles Ultraschallgerät mitnehmen kann, sind Aszites- und Pleurapunktionen vor Ort möglich. Dies hilft für PatientInnen belastende Transportwege ins Spital zu vermeiden. Auch die Verordnung und Betreuung von Schmerzpumpen spielt eine bedeutende Rolle. Den Schwerpunkt des Engagements bilden aber Beratung und Anleitung für medizinische und pflegerische Maßnahmen. Auf der Ergebnisseite zeigt sich, dass es durch das Mobile Palliativteam gelingt, einen entscheidenden Beitrag zur Symp – tomlinderung vor Ort zu leisten. Im Jahr 2010 war dies bei 41 % der Einsätze der Fall (gesamt: 587 Einsätze). Jeder fünfte Einsatz war Ursache dafür, dass die Einweisung ins Krankenhaus verhindert werden konnte. Jeder siebte Einsatz war hilfreich für den Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung. Und bei vier Prozent der Einsätze war die Unterstützung bei der ethischen Entscheidungsfindung Thema. Neben den medizinisch pflegerischen Aufgaben sorgt die Sozialarbeiterin dafür, dass auch sozialrechtliche und finanzielle Fragen (z. B. beschleunigter palliativer Pflegegeldantrag) behandelt werden, was dem ganzheitlichen Ansatz von Palliative Care Rechnung trägt.
Der „Zwilling“ der Palliativmedizin ist die Hospizbewegung, die sich v. a. im psycho-sozialen Bereich engagiert und mit sechs regionalen Hospizteams und einem Hospizteam für Kinder (HOKI) im ganzen Bundesland präsent ist. Das Engagement der Ehrenamtlichen in der Unterstützung von PalliativpatientInnen und deren Angehöriger ist ein weiterer wichtiger Baustein, der es schwer kranken Menschen u. a. ermöglicht, zu Hause sterben zu können. Die Hospizbewegung Vorarlberg hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder erfolgreich als Motor für den Auf- und Ausbau der palliativen Versorgung in Vorarlberg engagiert. Die enge Zusammenarbeit und Verflechtung mit der Palliativstation auf unterschiedlichen Ebenen hat sich als sehr fruchtbar erwiesen und dient dem Ziel einer qualitativ hochwertigen integrierten Hospiz- und Palliativversorgung im ganzen Bundesland.