Der Schwerpunkt der aktuellen Ausgabe von SPECTRUM Onkologie liegt in zwei eng verwandten Themen, von denen das erste eher selten im Zentrum wissenschaftlicher Untersuchungen steht: Compliance/Therapieadhärenz und Management bzw. Prävention von Nebenwirkungen onkologischer Therapien. Gerade im adjuvanten Setting sowie durch die zunehmende Entwicklung oraler Therapeutika ist das Thema der Compliance stark in den Mittelpunkt gerückt, da das Einhalten der geplanten Dosisintensität nicht mehr unmittelbar beim verordnenden und verabreichenden Arzt liegt wie bei intravenöser Medikation. Diese zunehmende Eigenverantwortung des Patienten wird von vielen als extrem positiv gesehen, allerdings offenbar von einem großen Teil der Betroffenen auch zur Erwartung des Arztes divergent erlebt: So zeigen Untersuchungen beim Mammakarzinom, dass etwa 25 % der betroffenen Frauen im ersten Jahr die verordnete antihormonelle Therapie nicht einnimmt, während es ab dem 3. Jahre bereits bis zu 50 % sind. Dies kann zum einen daran liegen, dass Nebenwirkungen in diesem Setting deutlicher wahrgenommen und von den Betroffenen insofern weniger toleriert werden, als ein unmittelbar positiver Nutzen der Behandlung nicht erlebt wird und sich der Patient ohne messbaren Tumor als gesund wahrnimmt. Auf der anderen Seite aber können rational nicht nachvollziehbare Gründe zu einer Ablehnung der Behandlung führen, die auch durch die Stimme der Vernunft nicht so einfach „overruled“ werden können und der onkologischen Therapie in den Augen des Arztes und des Betroffenen eine unterschiedliche Wertigkeit geben. Darin besteht auch der große Unterschied zwischen Studien und dem realen Leben, der die in Studien durch engmaschigste Kontrolle eines hochgradig selektionierten Patientenkollektivs erzielten Resultate im klinischen Alltag unter Umständen nicht reproduzierbar macht. Wo liegen die Lösungen für das „Problem Compliance“? Sicher zum einen in den angeführten und diskutierten Maßnahmen wie verstärkte und wiederholte Aufklärung betreffend das gemeinsam festgelegte Therapieziel und engmaschige Kontrolle und Prävention der Nebenwirkungen. Zum anderen aber sicher auch im verantwortungsvollen Abwägen und etwaigen Verzicht auf Therapien mit fraglicher Wirksamkeit (aber belegtem Nebenwirkungsprofil), die eher einem therapeutischen Aktionismus Genüge tun.
In diesem Sinn werden die Themen auch von Vertretern verschiedener Disziplinen betrachtet und diskutiert: „Schauen Sie sich das an …“