Patient*innen mit einer Krebserkrankung sind häufig mit einer Vielzahl an verschiedenen Symptomen durch ihre Erkrankung und auch durch unerwünschte Wirkungen, verursacht durch die antitumorale Therapie, konfrontiert. Diese können einzeln auftreten, häufig treten sie aber gleichzeitig in unterschiedlichen Ausprägungen auf und gehen mit einer Beeinträchtigung der Lebensqualität einher.5, 6 Durch die zunehmende Verlagerung der Therapien in den ambulanten Bereich und erhöhte ökonomische Anforderungen an die Gesundheitsversorgung sind Kontaktzeiten mit dem Behandlungsteam reduziert. Der Zeitraum für ein adäquates Symptommanagement ist dadurch sehr kurz und bedarf deshalb einer strukturierten Herangehensweise im multiprofessionellen Team. Die Bewältigung der daraus resultierenden Konsequenzen, insbesondere in Bezug auf das Selbstmanagement der Erkrankung und der unerwünschten Wirkungen der antitumoralen Therapie, stellt eine besondere Herausforderung für die Betroffenen und das umgebende soziale System dar.7 Die unerwünschten Symptome treten zumeist erst nach dem tagesklinischen/ambulanten Aufenthalt, im häuslichen Setting, auf. Einflussfaktoren auf das Symptomempfinden können der individuelle Umgang, die Bewertung der unerwünschten Wirkungen und psychosoziale Aspekte sein.5,8
Bereits im IOM-Report von 2003 wird die Relevanz der Unterstützung im Selbstmanagement explizit als Bestandteil einer qualitativ hochwertigen Versorgung im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung hervorgehoben.9 Unterstützung im Selbstmanagement definiert sich als eine systematische Bereitstellung von Edukation und unterstützenden Interventionen durch das multiprofessionelle Team. Ziel ist die Steigerung der Fähigkeiten und des Vertrauens darin, die Gesundheitsprobleme selbst oder durch Hilfe bewältigen zu können.10 Hilfreich bei der praktischen Umsetzung ist die Abbildung der Notwendigkeit in einem Ziel des österreichischen Krebsrahmenprogramms.
Hochwertige gesundheitsbezogene Informationen und Edukation für Betroffene werden darin gefordert.11 Besonderes Augenmerk muss bei der Unterstützung im Selbst- und Symptommanagement auf Patient*innen mit einer eingeschränkten Gesundheitskompetenz gelegt werden. In einem Survey der EU wurde lediglich bei 43,6 % der Österreicher*innen eine exzellente oder suffiziente Gesundheitskompetenz (Health Literacy) erhoben.12 Zwei bedeutende Einflussfaktoren für eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz treffen bei Patient*innen mit einer Krebserkrankung häufig zu, ein höheres Lebensalter und Krebs als eine chronische Erkrankung. Zudem liegen bei 80 % der Patient*innen mit einer onkologischen Erkrankung Komorbiditäten vor, die bspw. durch zusätzliche Medikamenteneinnahme die Komplexität im Symptommanagement erheblich erhöhen.13
Um den beschriebenen Herausforderungen entgegenzutreten, wurde am AKH Wien – Medizinischer Universitätscampus das abgestufte Projekt Symptommanagement onkologische Pflege initiiert.In mehreren Phasen gelangt das fortlaufende Projekt in den pflegerischen Alltag der Abteilungen, die im AKH Wien – Medizinischer Universitätscampus Menschen mit einer Krebserkrankung betreuen. In der ersten Phase des Projekts wurde u. a. an der Universitätsklinik für Innere Medizin I im Jahr 2014 von Köck-Hodi et al. eine Prävalenzstudie zum Symptom-Distress durchgeführt.14 Zu den Ergebnissen zählt die Relevanz eines professionellen Unterstützungsangebotes, um psychosoziale Auswirkungen von Krankheit und Therapie und damit einhergehende unerwünschte Symptome besser bewältigen zu können. Diese Erkenntnis führte einige Jahre später zur Schaffung einer zu diesem Zeitpunkt nicht existierenden Versorgungsstruktur. Fortbildungen im Bereich der Pflege und Betreuung von Menschen mit einer Krebserkrankung waren die ersten Maßnahmen zur Verbesserung des Symptommanagements.
Im Rahmen der Strukturveränderung an der Universitätsklinik für Innere Medizin I wurde nach mehreren Stakeholder-Gesprächen mit der Klinikleitung, Bereichsleitung und Stationsleitung im Jahr 2018 das Pilotprojekt der Hämatologischen und Onkologischen Beratung und Information (HOBI) als zweite Phase gestartet. In einem eigenen Beratungsraum zwischen onkologischer Bettenstation und Tagesklinik dient es dreimal in der Woche als niederschwellige Anlaufstelle für Patient*innen und deren Angehörige. Ergänzend zum vorangegangenen medizinischen Aufklärungs- und Informationsgespräch erhalten Betroffene Information und Beratung zur Erkrankung und zum Symptommanagement. Ziel ist es, im multiprofessionellen Team das Symptommanagement zu verbessern und die Symptommorbidität zu verringern. Gleichzeitig kann damit positiver Einfluss auf die Lebensqualität der an Krebs erkrankten Menschen genommen werden.10 Strategien, die den Umgang und die Bewältigung von Symptomen durch die Erkrankung und/oder Therapie begünstigen, müssen auf Basis der individuellen Fähigkeiten und Lebenswelten der Betroffenen erarbeitet werden und an den aktuellen Gesundheitszustand angepasst werden. Das Angebot der Pflegeambulanz bietet ressourcenorientierte Information und Beratung, psychosoziale Begleitung und eine kontinuierliche Anlaufstelle, um das Selbstmanagement und die Gesundheitskompetenz der Betroffenen zu stärken. Dabei wird das Fachwissen der Pflegepersonen optimal eingesetzt. Das Beratungsteam besteht aus Pflegepersonen aus den Bereichen Onkologie, Hämatologie und Stammzelltransplantation, um der Bandbreite der Therapien bestmöglich mit evidenzbasiertem Praxis- und Erfahrungswissen begegnen zu können. Alle beratenden Pflegepersonen verfügen über eine weiterführende Qualifikation in Patient*innenedukation und/oder onkologischer Pflege. Nach einer inhaltlichen Evaluierungsphase sowie der Zustimmung der Direktion des Pflegedienstes wurde das Pilotprojekt nach einem Jahr in den Regelbetrieb übernommen und in die erste Pflegeambulanz des Hauses etabliert.
Im Juni 2018 folgte in einer dritten Phase eine Erweiterung des Unterstützungsangebots. Basierend auf den Erkenntnissen der Evaluierung aus Phase zwei und einem Statement-Papier zur Relevanz einer Cancer Nurse wurde ein Dienstposten zur Etablierung dieser Rolle geschaffen. In der internationalen Fachliteratur werden bereits erste Daten zum Einsatz von Cancer Nurses publiziert. Auswirkungen, wie die Erhöhung der Selbständigkeit und Patient*innenautonomie, ein effizienteres Selbstmanagement und ein positiver Einfluss auf Bewältigungsstrategien in Bezug auf das Symptom- und Nebenwirkungserleben, werden darin beschrieben. Ebenfalls konnte eine Erhöhung der Behandlungsqualität durch die Etablierung einer direkten Anlaufstelle für onkologische Patient*innen festgestellt werden.15, 16, 17 Als erster Schritt zur Etablierung der Cancer Nurse wurde eine Rollenbeschreibung auf Basis des EONS Cancer Nursing Education Framework entwickelt. Das definierte Ziel ist es, eine kontinuierliche Begleitung von onkologischen Patient*innen und ihren Angehörigen bieten zu können und schließt damit an internationale Erkenntnisse an. Fokus der Rolle liegt auf der Information und Beratung in Bezug auf Symptommanagement bei speziellen Krankheitsbildern wie beispielsweise Menschen mit Darmkrebs. Die Cancer Nurse ist an die Pflegeambulanz angegliedert und die weitere Implementierung der Rolle wird begleitend anhand des PEPPA Framework evaluiert.18 Die definierten Projektziele decken sich mit den strategischen Zielen des AKH Wien, evidenzbasierte, gesundheitsförderliche Gesundheits- und Krankenpflege anbieten zu können und gleichzeitig eine Spezialisierung und Professionalisierung der Pflegepersonen voranzutreiben.
Die Begleitung und Unterstützung von onkologischen Patient*innen im Selbst- und Symptommanagement ist eine Aufgabe des multiprofessionellen Teams. Pflegepersonen stellen in der Umsetzung mit ihrem Fachwissen eine bedeutende Ressource dar, mit Hilfe einer ressourcenorientierten, strukturierten Herangehensweise insbesondere Patient*innen mit einer eingeschränkten Gesundheitskompetenz in ihrem Krankheitsverlauf zu unterstützen. Der gezielte und gebündelte Einsatz von Pflegepersonen zur Unterstützung der betroffenen Menschen zählt mittlerweile zum unabdingbaren Angebot dort, wo Therapien durchgeführt werden oder Nachbehandlung oder -betreuung stattfinden.