EUTOS-Score, neue TKI, Häufigkeit von BCR-ABL-Mutationen – Chronische myeloische Leukämie

EUTOS-Score

Neuer Prognosescore für Imatinib behandelte CML-Patienten: Bei Erstdiagnose chronisch maligner Erkrankungen erleichtert ein Prognosescore die Therapiewahl, allfällige Kontrollfrequenzen und gibt Auskunft über das zu erwartende mediane Überleben. Für die chronische myeloische Leukämie (CML) gab es bisher 2 etablierte Scores, den Sokal- Score als auch den Euro-Score. Der am längsten etablierte Sokal-Score wurde bei Patienten evaluiert, die seinerzeit einer konventionellen Chemotherapie zur Behandlung der CML unterzogen worden waren. Zur Berechnung dieses Scores bedurfte es der Analyse von 4 Parametern: des Alters, der Milzgröße, der Anzahl der Blasten im peripheren Blut und der Zahl der Blutplättchen. Der später entwickelte Euro-Score bedient sich neben diesen 4 Parametern zusätzlich der Zahl der Eosinophilen und der Basophilen im Blut. Der Euro-Score wurde für Patienten unter Interferontherapie entwickelt. Für die seit mehr als 10 Jahre für die CML etablierte Therapie mit dem Tyrosinkinasehemmer (TKI) Imatinib (Glivec®) gab es bislang keinen eigens dafür entwickelten Score, wenngleich sich der Sokal-Score weiterhin als nützlich erwies, zumal er in der Lage war, Hochrisikopatienten von jenen mit niedrigem oder intermediärem Risiko zu trennen. Zur Evaluierung des nunmehr entwickelten EUTOS-Scores unter Imatinib- Therapie benötigt man nur mehr 2 Parameter (Abb.). Die Milzgröße (gemessen in Zentimetern unter dem Rippenbogen) sowie die Zahl der Basophilen im Blut erwiesen sich in einer Multivarianzanalyse als relevant. Mit diesen beiden Parametern werden Hochrisikopatienten von Niedrigrisikopatienten getrennt. Das progressionsfreie Überleben unter Imatinib (Glivec®) ist dabei für Hochrisikopatienten nach dem EUTOS-Score signifikant schlechter als für Niedrigrisiko-Patienten.

Erstlinientherapie der CML

ENESTnd-Studie

Nilotinib, 24-Monate-Update: In der ENESTnd-Studie wurden 846 neu diagnostizierte CML-Patienten in chronischer Phase (CP) aus 217 Zentren in 35 verschiedenen Ländern in einen Arm mit Nilotinib 300 mg 2-mal täglich (n = 282), in einen Arm mit Nilotinib 400 mg 2-mal täglich (n = 281) und in einen Arm mit Imatinib 400 mg 1-mal täglich (n = 283) randomisiert. Primärer Endpunkt war eine major molekulare Remission (MMR) nach 12 Monaten.

Major molekulare Remission (MMR): Mit Nilotinib 300 mg 2-mal täglich bzw. Nilotinib 400 mg 2-mal täglich erreichten die Patienten eine signifikant höhere kumu – lative MMR-Rate nach 12 (55 % bzw. 51 %) und 24 Monaten (71 % bzw. 67 %) im Vergleich zu Imatinib 400 mg 1-mal täglich (12 Monate: 27 %, 24 Monate: 44 %). Dabei scheint sich die Differenz an molekularen Remissionen zwischen Nilotinib und Imatinib nach einem und nach zwei Jahren nicht zu ändern (Unterschied 12 Monate: 24 bis 28 %; Unterschied 24 Monate: 23 bis 27 %). Das Erzielen einer verbesserten MMR zeigt sich in allen 3 Sokal-Risikogruppen (niedriges, intermediäres und hohes Risiko).

Komplette zytogenetische Remission (CCyR): Neben der MMR-Rate ist auch die kumulative Rate an kompletten zytogenetischen Remissionen (CCyR) nach 12 und 24 Monaten für Nilotinib 300 mg und 400 mg 2-mal täglich signifikant besser. Grundsätzlich scheint Nilotinib auch in beiden Dosierungen (300 mg und 400 mg 2-mal täglich) gut verträglich zu sein, unter der 300-mg-Dosierung 2-mal täglich zeigen sich jedoch weniger unerwünschte Ereignisse. Im Vergleich zu Imatinib gibt es niedrigere Raten an Durchfällen, Muskelkrämpfen, Übelkeit, Erbrechen und WHO-Grad- III/IV-Neutropenien, jedoch etwas höhere Raten an Kopfschmerzen, Hautausschlägen und Juckreiz. Die Rate an WHOGrad- III/IV-Anämien und Thrombozytopenien scheint für beide Substanzen ident zu sein. Die WHO-Grad-III/IV-Neutropenie ist für Imatinib mit 21 % der Patienten nahezu doppelt so hoch wie für Nilotinib (11 % bzw. 12 %). Neben den verbesserten MMR-Raten zeigen sich zudem signifikant weniger Progressionen in die akzelerierte Phase oder Blastenkrise unter der Erstlinientherapie mit Nilotinib.

DASISION-Studie

Dasatinib, 24-Monate-Update: In der DASISION-Studie wurden ebenfalls neu

diagnostizierte CML-Patienten in CP 1:1 in Dasatinib 100 mg 1-mal täglich versus Imatinib 400 mg 1-mal täglich randomisiert. Der primäre Endpunkt dieser Studie war das Erreichen einer CCyR nach 12 Monaten.

Komplette zytogenetische Remission (CCyR): Nach 12 Monaten erzielten 85 % der Patienten mit Dasatinib und 73 % der Patienten mit Imatinib eine CCyR. Nach 24 Monaten beträgt dieser Unterschied 86 % vs. 82 %.

Major molekulare Remission (MMR): Bezüglich des Erreichens einer MMR zeigte sich ein signifikanter Unterschied zugunsten von Dasatinib 100 mg 1-mal täglich: nach 12 Monaten erzielten 46 % der Patienten unter Dasatinib und 28 % der Patienten unter Imatinib eine MMR, nach 24 Monaten 64 % unter Dasatinib vs. 46 % unter Imatinib. Auch transformierten unter Dasatinib-Therapie weniger Patienten in eine fortgeschrittenere Phase (6 Patienten unter Dasatinib-Therapie, 13 Patienten unter Imatinib-Therapie). Die Verträglichkeit von Dasatinib war ebenfalls gut. Laut Angabe der Autoren ist die Rate an Flüssigkeitsretention bzw. oberflächlichen Ödemen, Myalgie, Übelkeit, Erbrechen und Hautausschläge unter Dasatinib geringer als unter Imatinib. Im Gegensatz dazu kommt es unter Dasatinib gehäuft zu pleuralen Ergüssen und Thrombozytopenie WHO-Grad III/IV.

Fazit: Beide Studien, ENESTnd und DASISION, bestätigen letztlich höhere und rascher auftretende Raten an CCyR und MMR nach 12 und 24 Monaten im Vergleich zur bisherigen Standardtherapie mit Imatinib 400 mg. Inwieweit diese verbesserten Surrogatmarker letztlich zu einem verbesserten Gesamtüberleben führen, bleibt abzuwarten.

BELA-Studie

Bosutinib im Vergleich zu Imatinib: Eine weitere Studie testete Bosutinib, einen SRC/ABL-Kinase-Inhibitor bei neu diagnostizierten CML-Patienten in CP. Primärer Endpunkt dieser Studie war das Erreichen einer CCyR nach 12 Monaten.

Komplette zytogenetische Remission (CCyR): Die CCyR-Raten nach 12 Monaten waren mit 71 % für Bosutinib und 68 % für Imatinib ident. Die kumulative CCyR-Rate nach 18 Monaten betrug für beide Studienarme 79 %.

Major molekulare Remission (MMR): Trotz der identen CCyR-Raten war die Rate an MMR nach 12 Monaten mit 41 % für Bosutinib signifikant besser im Vergleich zu Imatinib (27 %; p < 0,05). Nach 18 Monaten betrug die MMR-Rate 46 % für Bosutinib und 38 % für Ima – tinib. Typische Nebenwirkungen bei Bosutinib-Applikation sind Durchfall, Erbrechen, Fieber, abdominale Schmerzen sowie eine Erhöhung der Transaminasewerte. Typische Nebenwirkungen für Imatinib in dieser Studie waren Arthralgien, Myalgien, Muskelkrämpfe, Knochenschmerzen und Ödeme. Auch in dieser Studie zeigten sich unter Bosutinib weniger Ereignisse hinsichtlich Transformation in Akzeleration oder Blastenkrise.

Fazit: Insgesamt kann man sagen, dass Bosutinib sicher eine potenziell interessante Option zu Imatinib darstellt, wenngleich der primäre Endpunkt dieser Studie nicht signifikant verbessert wurde. Das Nebenwirkungsprofil ist deutlich unterschiedlich zu Imatinib. Ein Problem dieser Studie stellten die initial aufgetretenen gastrointestinalen Nebenwirkungen dar, weshalb zahlreiche Patienten aus der Studie ausgeschieden sind. Ein besseres Handling dieser nunmehr bekannten Nebenwirkung sollte dies in zukünftigen Studien verhindern.

Wie häufig ist eine BCR-ABL-Mutation?

Eine interessante Analyse wurde von S. Soverini aus Italien präsentiert. Sie analysierte alle in ihrem Labor durchgeführten Untersuchungen hinsichtlich einer BCRABL- Mutation aus den Jahren 2004 bis 2011. Dabei wurden insgesamt 3.285 Analysen an 1.439 CML-Patienten durchgeführt. Von 71 % der Patienten waren auch klinische Daten verfügbar. Es zeigte sich, dass 29 % aller Patienten, die nach ELN-Kriterien (European Leukemia Network) ein Therapieversagen auf die Erstlinientherapie mit Imatinib aufwiesen, eine Mutation hatten (Tab.). Im Gegensatz dazu war nur bei 4,1 % der Patienten (9/222), die nach ELN-Kriterien ein suboptimales Ansprechen unter der Erstlinientherapie mit Imatinib hatten, eine Mutation detektierbar. Ebenso konnte lediglich bei 3 aus 144 Patienten (2 %) eine BCR-ABL-Mutation gefunden werden, wenn aufgrund eines Anstieges der BCRABL- Transkripte eine Mutationsanalyse veranlasst wurde. Häufiger sind Mutationen hingegen, wenn ein Therapieversagen oder ein suboptimaler Response auf eine Zweitlinien-TKI-Therapie auftritt. Hier findet sich in 58 % der Fälle eine Mutation im Falle eines Therapieversagens bzw. in 21 % der Fälle bei suboptimalem Response. Die Daten zeigen also, dass bei suboptimalem Ansprechen nach ELN-Kriterien sowie bei suboptimalem molekularem Response auf Erstlinientherapie mit Imatinib eine BCR-ABL-Mutation nur selten nachweisbar ist. Bei einem Anstieg der BCR-ABL-Transkripte ohne Verlust einer MMR konnte in keinem der Fälle eine Mutation nachgewiesen werden. Häufig sind Mutationen hingegen bei Therapieversagen nach ELN-Kriterien auf die Erstlinientherapie mit Imatinib bzw. bei Therapieversagen und suboptimalem Response auf die Zweitlinientherapie.