Dank 1.) der Verfügbarkeit neuer, wirksamerer Substanzen inklusive Oxaliplatin, Irinotecan, der oralen 5-FUProdrugs Capecitabin und Uracil/Tegafur sowie der monoklonalen Antikörper Bevacizumab, Cetuximab und Panitumumab sowie 2.) der nunmehrigen Kenntnis prognostisch und therapeutisch relevanter Biomarker und 3.) dank des heute etablierten interdisziplinären Therapiemanagements konnte die Prognose des kolorektalen Karzinoms – selbst im palliativen Setting – entscheidend verbessert werden.
Nach Diagnosestellung eines metastasierten Kolorektalkarzinoms beträgt die mediane Überlebensdauer heute rund 30 Monate (im Vergleich zu 12 Monaten in der 5-FU/Leukovorin-Ära), die 5-Jahres- Überlebensrate konnte von < 5 % auf rund 20 % verbessert werden. Bei der Wahl der Erstlinientherapie ist die Therapie-Intention maßgeblich: „Downsizing“ um z.B. bei inoperabler, selektiver Lebermetastasierung Operabilität bzw. bei aggressivem Krankheitsverlauf ± „extensive disease“ kausale symptomatische Palliation zu realisieren bzw. bei indolenter, disseminierter Erkrankung „Lebensverlängerung und Lebensqualität“ zu gewährleisten. Aufgrund der vorliegenden Daten scheint es gleichgültig, ob ein Fluoropyrimidin+Oxaliplatin- (FOLFOX/ XELOX) oder Fluoropyrimidin+Irinotecan- Kombinationsregimen (FOLFIRI/ XELIRI), jeweils idealerweise in Kombination mit einem monoklonalen Antikörper, verwendet wird. Bei indolenten, disseminierten Tumoren oder Patienten, die z.B. aufgrund eines reduzierten Allgemeinzustandes oder aufgrund signifikanter Komorbiditäten für eine primäre Kombinationschemotherapie nicht in Frage kommen, sollten eher „nur“ ein orales Fluoropyrimidin plus Biologikum erwogen werden. Im Sinne der längerfristigen Therapieplanung bedarf es zum Zeitpunkt der Erstdiagnose „metastasiertes Kolorektalkarzinom“ der Bestimmung des KRAS-Mutationsstatus im Primärtumor oder in einer Fernmetastase. Stellen die Tumorverkleinerung bzw. Symptom- Palliation das vordringliche Therapieziel dar, bietet sich bei KRAS-Wildtyp (KRAS wt; etwa 60 % aller Kolorektalkarzinome) aufgrund höherer Remissionsraten der Anti-EGFR-Antikörper Cetuximab als Kombinationspartner zur zytostatischen Chemotherapie an. Bei Vorliegen einer KRAS-Mutation ist dies nicht zielführend, sondern sogar kontraproduktiv. Eine Ausnahme könnte die in rund 14 % vorliegende pG13D-KRAS-Mutation darstellen; bei diesen Tumoren scheint zumindest eine partielle Anti-EGFR-Sensitivität vorzuliegen. Die Wirksamkeit des antiangiogenetisch wirksamen Antikörpers Bevacizumab ist vom KRAS-Mutationsstatus unabhängig, wobei zahlreiche Stu – dien einen signifikanten Benefit im progressionsfreien Überleben in Relation zu einer ausschließlichen Chemotherapie belegen. Welches Biologikum bei KRASwt- Tumoren (Cetuximab vs. Bevacizumab) in der Erstlinientherapie wirksamer ist, wird gegenwärtig in einer europäischen (FIRE-3) und einer amerikanischen Studie (Intergroup 80405) prospektiv randomisiert geprüft. Für das Gesamtüberleben in der palliativen Situation ist jedenfalls die Effektuierung von möglichst vielen Therapielinien, i.e. die Verabreichung aller verfügbaren Therapeutika im Verlauf der Erkrankung maßgeblich. Die Erstlinientherapie sollte über einen Zeitraum von 4 bis 6 Monaten verabreicht werden (sofern nicht vorher eine Progression beobachtet wird). Bei zumindest stabilem Krankheitsverhalten ist eine nachfolgende Therapiepause vor behaltlich regelmäßige klinische, laborchemische und bildgebende Verlaufskontrollen bei vielen Patienten vertretbar. Remissions-Erhaltungstherapien mit Biologika ± Fluoropyrimidin sind weiterhin Gegenstand klinischer Prüfungen, wobei die Ergebnisse einer rezent publik gewordenen spanischen Phase-III-Studie Bevacizumab in Relation zu einer Chemoimmuntherapie bis zum Progress als mögliche, wirksame Alternative ausweisen. Im Falle eines Relaps der Krankheitsmanifestationen bieten sich – abhängig von der Dauer des therapiefreien Intervalls – eine Reinduktion der Erstlinienbehandlung oder aber eine modifizierte Zweitlinientherapie mit Ersatz von Oxaliplatin durch Irinotecan bzw. vice versa ± Biologikum (abhängig vom KRAS-Mutationsstatus) an. Bei konventionell chemotherapierefraktären Patienten mit KRAS wt stellt eine Monotherapie mit dem voll humanisierten Anti- EGFR-Antikörper Panitumumab eine weitere Therapieoption dar.
Bei selektiver hepataler Metastasierung spielt das interdisziplinäre Therapiemanagement eine besonders wichtige Rolle; das Ziel ist die potenziell kurative Resektion der Lebermetastasen bzw. damit die Heilung des Patienten trotz primär fortgeschrittener Malignomerkrankung. Selbst bei unilokulärer bzw. prinzipiell R0-resektabler Lebermetastasierung sollte nach heutigem Ermessen idealerweise eine perioperative Chemotherapie erfolgen: präoperativ über einen Zeitraum von rund 3 Monaten (abhängig von interdisziplinär zu diskutierenden Restaging- Untersuchungen), postoperativ bei histologisch dokumentiertem hohem Tumor- Nekrose-Anteil über weitere 3 Monate. Eine prospektiv randomisierte Studie seitens der EORTC-Intergroup zeigte für eine perioperative FOLFOX-Chemotherapie in Relation zu einer ausschließ – lichen Lebermetastasenresektion eine klare Überlegenheit hinsichtlich rezidivfreien 3-Jahres-Überlebens (9,3 % absoluter Benefit innerhalb der tatsächlich operierten Patientenpopulation), wobei – entsprechend einer Subgruppenanalyse – vor allem Patienten mit gutem Performancestatus und prätherapeutisch erhöhtem Serum-CEA zu profitieren scheinen (absoluter Benefit 16 %). Bei primär inoperabler, selektiv hepataler (bzw. pulmonaler) Metastasierung wird eine „Konversionstherapie“ mit FOLFOX oder XELOX, FOLFIRI oder XELIRI bzw. FOL – FOXIRI ± Bevacizumab oder Cetuximab (sofern KRAS wt) empfohlen, wobei durch diese neoadjuvanten Kombinationstherapien bei mehr als einem Drittel aller Patienten ein „Downsizing“ und eine nachfolgende potenziell kurative Resektion möglich werden. In dieser Situation sollte die Chemotherapie bis zum Erreichen der Operabilität durchgeführt werden, wobei die erhöhte perioperative Morbidität und Mortalität bei über 4-monatiger neoadjuvanter Behandlung zwingend in Evidenz gehalten werden müssen. Bei Kontraindikation für eine Operation oder erhöhtem OP-Risiko stehen alternativ zur Chirurgie andere lokale Verfahren wie Radiofrequenzablation, Kryo – therapie und stereotaktische Radiotherapie zur Verfügung.
Die Indikation zur postoperativen adjuvanten Chemotherapie beim Kolonkarzinom wird in Abhängigkeit vom Tumorstadium, von anderen prognostischen Fak toren (pT4, < 12 untersuchte Lymph – knoten, Grading 3, histologisch dokumentierte Blut- oder Lymphgefäßinfiltration, Rx-Resektion, Ileus oder Perforation zum Zeitpunkt der Operation des Primärtumors), des biologischen Lebensalters und etwaiger Komorbiditäten gestellt. Im Stadium III (Lymphknotenbefall) wird eine 6-monatige postoperative Chemotherapie mit einem auf Fluoropyrimidinen und Oxaliplatin basierenden Regime (FOLFOX oder XELOX) empfohlen, während im Stadium II in Abhängigkeit vom individuellen Risikoprofil entschieden werden sollte: Liegt keiner der o. g. Rezidiv- Risikofaktoren vor, kann auf eine adjuvante Therapie verzichtet werden, bei geringem Risiko sollte eine (perorale) Capecitabin- Monotherapie, bei hohem Risiko eine Therapie mit FOLFOX + XELOX erfolgen. Eine wichtige, neue Erkenntnis ist, dass bei 15–20 % aller Kolonkarzinompatienten ein „Mismatch-Reparatur- Defekt“ bzw. eine hochgradige Mikrosatelliteninstabilität (MSI-h) vorliegt. Dies impliziert 1.) eine signifikant bessere Prognose und 2.) eine Resistenz gegenüber einer adjuvanten Fluoropyrimidin- Monotherapie (nicht jedoch gegenüber FOLFOX oder XELOX). Die prognostische Wertigkeit dieses prädiktiven Biomarkers ist vor allem im Stadium II evident und sollte bei dieser Patientengruppe heute bereits routinemäßig bestimmt werden. Erste Ergebnisse zum therapeutische Stellenwert der monoklonalen Antikörper+ FOLFOX-Chemotherapie im postoperativ adjuvanten Setting sind leider enttäuschend geblieben: Für Bevacizumab fand sich in zwei randomisierten Studien lediglich bei Hochrisikopatienten eine transiente Verzögerung, nicht aber eine definitive Verbesserung des rezidivfreien 3-Jahres-Überlebens. Die additive Gabe von Cetuximab zu FOLFOX erwies sich gleichfalls, sogar innerhalb der KRAS-Wildtyp-Studienpopulation, als nicht effektiv.
Beim Rektumkarzinom stellen die entscheidenden Verbesserungen der letzten Jahre die Optimierung der Operationstechniken und die Verbesserung der perioperativen Therapie mit konsekutiver Verringerung der Lokalrezidivrate auf _ 10 % dar. Im Stadium I ist die alleinige Resektion (totale Mesorektumexzision; TME) durch eine/n erfahrene/n ChirurgIn in einem spezialisierten Schwerpunktspital Standard. Im Stadium II (cT3N0) sollte vor allem bei distal gelegenen Tumoren eine präoperative Kurzzeitbestrahlung (25 Gy, entweder 1-mal täglich 5 Gy oder 2-mal täglich 2,5 Gy) und unmittelbar nachfolgende TME erwogen werden. Bei _ cT3-Tumoren, fraglicher Reali sierbarkeit einer sphinktererhaltenden Operation und bei suspiziertem Lymphknotenbefall (Stadium III) stellt die präoperative kombinierte Radiochemotherapie im Sinne eines „Downsi-
zing“, einer weiteren Senkung der Lokalrezidivrate sowie auch in Hinblick auf die bessere Verträglichkeit die günstigste Therapiestrategie/den Goldstandard dar. Eine postoperative adjuvante Radiochemotherapie (50 Gy über 5 Wochen, parallel mit einer auf Fluoropyrimidinen basierenden Chemo therapie) sollte nur dann effektuiert werden, wenn eine präoperative Radio(chemo)-Therapie nicht erfolgt ist und ein Stadium II mit erhöhtem Risikoprofil bzw. ein Stadium III vorliegt. Parallel zur Radiotherapie sollte eine auf Fluoropyrimidinen basierende Che – motherapie durch geführt werden. Die vormals als Goldstandard etablierte 5-FUDauerinfusion wurde durch eine prak ti – kablere und letztlich auch wirksamere perorale Therapie mit der 5-FU-Prodrug Capecitabin (1800 mg/m2 täglich, nur an den Bestrahlungstagen, aufgeteilt auf 2 Einzeldosen) abgelöst. Die additive Gabe von Oxaliplatin oder Irinotecan mit der Intention einer verbesserten Abwendung des Fernmetas tasenrezidivs hat sich – entgegen viel versprechender Phase-IIStudiendaten – in kontrollierten Studien leider nicht nachvollziehen lassen. Eine neoadjuvante, 3-monatige, konventionell dosierte FOLFOX- oder XELOX-Chemotherapie, gefolgt von Radiochemotherapie und Operation, hat bei lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen ermutigende Ergebnisse gezeigt. Postoperativ ist – analog zum Kolonkarzinom – im Sta dium III generell und im Stadium II bei ungünstiger Prognose eine adjuvante Chemotherapie über 4 (wenn prä- oder postoperativ eine konkomitante Radiochemotherapie durchgeführt wurde) oder über 6 Monate indiziert. Die adjuvanten Chemotherapieschemata sind mit jenen beim Kolonkarzinom ident.
ZUSAMMENFASSEND sind dank der weltweiten, intensiven kooperativen Forschungsaktivitäten weitere Verbesserungen im palliativen, perioperativen und postoperativ-adjuvanten Setting vorprogrammiert. Neben einer Vielzahl molekular- zielgerichteter neuer Therapeutika, die gegenwärtig bereits klinisch geprüft werden, implizieren verschiedene prädiktive und prognostische Biomarker, die uns helfen, jene Patienten zu identifizieren, die am ehesten von einer bestimmten Therapie profitieren, das größte Hoffnungspotenzial. Bei den Anti- EGFR-Therapeutika können offenbar neben dem KRAS-Mutationsstatus auch die Bestimmung von NRAS, PIK3CA Exon 20 und des Insulin-like Growth Factors (IGF-1) sowie ein Nachweis der Expression endogener EGFR-Liganden (Epiregulin und Amphiregulin) die Wahrscheinlichkeit eines Therapieerfolges weiter eingrenzen, wenngleich diese Daten noch prospektiver Validierung bedürfen.