p95HER2 und Trastuzumab-Resistenz: Im Jahr 2007 wurde von Scaltriti et al. erstmals festgehalten, dass der trunkierte HER2-Rezeptor (p95HER2) aufgrund der fehlenden Antikörperbindungsdomäne mit einer Trastuzumab-Resistenz assoziiert sein könnte (Scaltriti et al., JNCI 2007). Nunmehr ergab eine am ASCO präsentierte Auswertung des translationellen Arms der GeparQuattro-Studie (S. Loibl et al., Abstr. #530) im neoadjuvanten Setting HER2-positiver Brustkrebspatientinnen, dass, anders als erwartet, die p95HER2-Expression kein Indikator für eine Resistenz, sondern ein Indikator für das Ansprechen auf die Trastuzumab- hältige Immunchemotherapie war: Die Rate pathologischer Komplettremission (pCR) betrug 59 % bei Vorliegen des trunkierten Rezeptors gegenüber 24 % bei p95HER2-negativen Patien – tinnen (Abb. 1).
Kombinierte Immuntherapie und p95HER2: Die Ergebnisse der CherLob- Studie, einer Phase-II-Studie im neo – adjuvanten Setting, belegen erneut die bessere Wirksamkeit der kombinierten Immuntherapie aus Lapatinib + Trastuzumab (+ Chemotherapie) gegenüber den jeweiligen Monotherapien Lapatinib (+ Chemotherapie) oder Trastuzumab (+ Chemotherapie) mit einer pCR-Rate von rund 43 % vs. 26–28 % (vgl. Tab., Abb. 2). Wie in NeoSphere zeigte sich auch in dieser Studie, dass Hormonrezeptor- negative Patientinnen besser auf Lapatinib ansprachen (Abb. 2). Als wesentliches Ergebnis wurde festgehalten, dass zum Zeitpunkt des chirurgischen Eingriffs 84 % der Patientinnen im kombinierten Immuntherapie-Arm Lapatinib + Trastuzumab (+ Chemotherapie) Lymph knoten-negativ waren und dass bei über 60 % der Patientinnen dieses Arms statt einer Mastektomie eine brust – erhaltende Therapie durchgeführt werden konnte. Auch in dieser Studie schien der trunkierte p95HER2-Rezeptor kein signifikanter Prädiktor für eine Therapieresistenz mit Trastuzumab zu sein, die Patientenzahl dieser Analysen ist allerdings insgesamt sehr klein (Abb. 2).
In der placebokontrollierten Phase-IIIStudie NCIC-CTG-MAP.3 wurde Exemes – tan bei postmenopausalen Frauen (> 60 Jahre) mit erhöhtem Brustkrebsrisiko (Gail-Risikoscore) präventiv eingesetzt, eine Indikation, in der bislang die selektiven Östrogenrezeptormodulatoren Tamoxifen und Raloxifen untersucht sind, die beide das Brustkrebsrisiko um etwa 40 % verringern (Goss P., Late-Breaking Abstract #LBA504; NEJM 2011; 364: 2381). Wenn 95 Frauen über 5 Jahre mit Tamoxifen behandelt werden, lässt sich ein Mammakarzinom verhindern, allerdings hat Tamoxifen den Nachteil einer prokanzerogenen Wirkung am Endometrium und erhöht das Thromboseund Schlaganfallrisiko. Die aktuelle Studie mit Exemestan inkludierte 4.560 postmenopausale Frauen, die in Exemes – tan 25 mg/d oder Placebo randomisiert wurden. Primärer Endpunkt war die Inzidenz invasiver Mammakarzinome, darüber hinaus wurde das Auftreten von präinvasiven Tumoren (DCIS) und von Präkursorläsionen analysiert. In beiden Armen erhielten etwa 18 % der Frauen Bisphosphonate. Im Ergebnis konnte die Inzidenz invasiver Mammakarzinome um 65 % (p =0 ,002) verringert werden (32 Fälle unter Placebo, 11 Fälle unter Exemestan), darunter vor allem die Inzidenz Östrogenrezeptor-positiver, Progesteronrezeptor- positiver und HER2-negativer Mammakarzinome (Abb. 3). Die Rate an kardiovaskulären Nebenwirkungen, Frakturen oder anderen malignen Erkrankungen war gegenüber Placebo nicht erhöht; die Lebensqualität schien von der Therapie unbeeinflusst zu sein, Hitzewallungen, Muskel- und Gelenkschmerzen wurden allerdings häufiger verzeichnet. Um ein Mammakarzinom zu verhindern, müssen 94 Frauen über 3 Jahre und 26 Frauen über 5 Jahre mit Exemestan behandelt werden. Die Autoren kommen zum Schluss, dass wenn eine Brustkrebsprävention für Frauen mit hohem Mammakarzinomrisiko angedacht werden sollte, mit dieser Studie eine weitere Grundlage für die praktische Umsetzung geschaffen wäre.
Bevacizumab: In der neoadjuvanten Studie GeparQuinto der deutschen Brustkrebsgruppe wurde die Zugabe von Bevacizumab zu einem Anthrazyklin-Taxanbasierten Regime bei 684 triple-negativen Patientinnen (Hormonrezeptor- und HER2-negativ) als sekundärer Endpunkt untersucht (B. Gerber et al., Abstr. #1006). Im Unterschied zur Gesamtpopulation steigerte Bevacizumab bei dem selektionierten Patientengut die Rate pathologischer Komplettremission gemäß der stringentesten Definition, keine invasiven und nicht-invasiven Tumorresiduen in Brust und Lymphknoten (ypT0, ypN0), von 27,8 auf 36,4 % (p = 0,021). Begründet wurde der Einsatz von Bevacizumab mit der Beobachtung, dass die prognostisch ungünstige Subgruppe triple-negativer Mammakarzinome häufig VEGF-assoziierte Gene exprimiert („hypoxische Signatur“). In einer Metaanalyse von O’Shaugnessy zeigte sich, dass die Zugabe von Bevacizumab zur Chemotherapie Ansprechraten und progressionsfreies Überleben signifikant verbessert. Ähnliche Ergebnisse in späteren Therapielinien erzielte auch die RIBBON- 2-Studie, in der sich mit längerer Nachbeobachtung ein Überlebensvorteil bei triple-negativen Patientinnen abzeichnet: So geht aus der am ASCO präsentierten retrospektiven Auswertung hervor, dass Bevacizumab (+ Chemotherapie) das progressionsfreie Überleben von 2,7 auf 6 Monate verlängerte und das mediane Gesamtüberleben von 12,6 auf 17,9 Monate verbesserte. Die Ansprechraten wurden von 18 % auf 41 % gesteigert (A. Brufksy et al., Abstr. #1010).
Iniparib: Triple-negative Mammakarzinome sind aufgrund der fehlenden Expression prädiktiver Targets der bislang einzige Subtyp, für den keine zielgerichtete Therapie verfügbar ist. Mit Spannung wurde daher die Phase-III-Studie von Joyce O’Shaugnessy mit dem PARP-Inhibitor Iniparib erwartet, der Antitumoreffekte über einen Zellzyklusstopp in der G2/M-Phase und durch die Induktion von DNA-Doppelstrangbrüchen erzielt und in einer ersten Phase-II-Studie mit Gemcitabin/Carboplatin das progressionsfreie Überleben und das Gesamtüberleben verlängern konnte. In der aktuellen Phase-III-Studie (O’Shaugnessy et al., Abstr. #1007) konnte dieser Erfolg nicht reproduziert werden. Das progressionsfreie Überleben wurde zwar signifikant verbessert, allerdings nur um einen Monat, und das Gesamtüberleben wurde ebenfalls um etwa einen Monat verlängert, allerdings nicht signifikant, sodass die beiden co-primären Endpunkte entsprechend der statistischen Vorgabe nicht verbessert wurden. Insgesamt war der Effekt geringer, als man auf Basis der Phase-II-Daten annehmen konnte. Wenn Iniparib als Zweit- und Drittlinientherapie eingesetzt wurde, schienen die Ergebnisse gegenüber der First-Line- Therapie besser zu sein. Ausgangspunkt für die Entwicklung von PARP-Inhibi – toren beim Mammakarzinom waren BRCA-1/-2-assoziierte hereditäre Brustkrebsformen, bei denen eine hohe PARP-Enzymaktivität zur Reparatur von DNA-Schäden nachgewiesen wurde. Die Hypothese daraus war, dass mit der PARP-Inhibition DNA-Schäden induziert und Tumorzellen in Apoptose übergeführt werden. Überraschend wurde am ASCO schließlich mitgeteilt, dass Iniparib in physiologischen Konzentrationen das eigentliche Target (PARP) nicht hemmt. Auf der anderen Seite wurde ein Wirksynergismus mit Gemcitabin/Carboplatin nachgewiesen, weshalb diese bei Brustkrebs unübliche Zytostatikakombination als chemotherapeutisches Rückgrat für die Phase-III-Studie herange – zogen wurde (Schlussfolgerungen und Kommentare vgl. Interview mit Univ.-Prof. Dr. Günther Steger).
In Hinsicht auf das Mammakarzinom war das diesjährige ASCO-Meeting eine Bestätigung klinischer Entwicklungen der letzten wenigen Jahre, vor allem in Bezug auf die Immuntherapie und hier etwa die Kombination von Lapatinib und Trastuzumab. Es zeigt sich im palliativen und neoadjuvanten Setting, dass die Kombinationstherapie beider Substanzen effektiver ist als die Monotherapie, wenngleich damit auch eine Zunahme der Lapatinib-assoziierten Toxizitäten einhergeht. In den translationellen Armen neuer Studien im neoadjuvanten Setting wurden bislang vermutete Resistenzmechanismen von Trastuzumab untersucht: Dabei zeigte sich, dass der trunkierte HER2-Rezeptor, dessen fehlende extrazelluläre Antikörperbindungsdomäne bei vorhandenem intrazellulärem Signalling bislang eine Unwirksamkeit des HER2-Antikörpers vermuten ließ, doch keinen Einfluss auf die Wirkung hat. In einer weiteren Studie wurde die Über expression von pTEN als postulierter Re sistenz me chanismus für Trastuzumab ebenfalls hinterfragt, wenngleich die jeweils kleinen Patientenkollektive hier wie dort keine endgültigen Schlüsse zulassen. In gewisser Weise sind diese Modelle aus klinischer Sicht bereits auch schon überholt, nachdem sich Trastuzumab und Lapatinib im palliativen und neoadjuvanten Setting heute weniger als Konkurrenten, sondern mehr als gute Kombinationspartner darstellen.
Eine Studie zur Prävention des Mammakarzinoms mit dem Aromatasehemmer Exemestan bei Frauen mit hohem Brustkrebsrisiko hat nicht ganz unerwartete Ergebnisse gebracht: Es zeigt sich, dass die Prävention des Mammakarzinoms einen Stellenwert hat und möglicherweise in die Praxis eingehen wird. Aromatasehemmer zeichnen sich gegenüber Tamoxifen durch bessere Verträglichkeit aus, insbesondere was Endometriumkarzinome und Thromboembolien als gefürchtete Nebenwirkungen betrifft, die sicher mit ein Grund waren, warum sich Tamoxifen in dieser Indikation bei Hochrisikofrauen bis heute nicht wirklich durchsetzen konnte. Mit Exemestan ist nunmehr ein besser verträglicher Aromatasehemmer zur Brustkrebsprävention auf evidenzbasierter Basis geprüft.
Die RIBBON-2-Studie wurde in Hinsicht auf das triple-negative Mammakarzinom neu ausgewertet und legt einen Benefit von Bevacizumab bei diesem Tumortyp nahe, was Ansprechraten, progressionsfreies Überleben und möglicherweise auch das Gesamtüberleben betrifft. Allein auf Basis dieser Subgruppenauswertung können aber keine neuen weiterführenden Schlüsse gezogen werden. Die ABCSG untersucht in der prospektiv-randomisierten Phase-III-Studie ABCSG-27/BEATRICE die Wirksamkeit von Bevacizumab beim triple-negativen Mammakarzinom im adjuvanten Setting und wird eine entsprechende Evidenz schaffen können.
Am ASCO wurde die Frage diskutiert, ob Iniparib tatsächlich ein PARP-Inhibitor ist, was aus meiner Sicht sekundär wäre, wenn die Phase-III-Studie ähnlich gut verlaufen wäre wie die Phase-IIStudie, was aber nicht der Fall war. Dass dieser PARP-Inhibitor in therapeutischer Dosierung das Target nicht oder nur schwach inhibiert, wurde erst mit Aufkommen der Phase-III-Studie kommuniziert, erklärt aber auch die geringe Toxizität in den Phase-II-Studien. Darüber hinaus lehrt die Erfahrung, dass Phase-II-Studien in der Onkologie sicher ein Gradmesser, nicht automatisch aber schon ein Garant für positive Phase-III-Daten sind – daher braucht es immer noch eine Bestätigungsstudie. Ähnlich verhält es sich mit dem Einsatz von Platinderivaten bei dieser Tumorentität. Es gab dazu keine evidenzbasierten Daten, bis schließlich die Ergebnisse einer ersten kontrollierten Studie unter den Erwartungen geblieben sind. Wenn man die letzten eineinhalb Jahre Revue passieren lässt, muss man anhand dieser Beispiele vor dem vorschnellen Einsatz neuer Optionen warnen. Leider ist es auch so, dass wir derzeit außer der prospektiv-randomisierten Phase-IIIStudie über keine andere Strategie verfügen, mit der sich neue Optionen in der Onkologie rascher implementieren ließen.