Die Hauptursache für die Entstehung von Bronchial- und Lungenkarzinomen ist Tabakrauch. Weltweit rauchen mehr als 1,3 Milliarden Menschen und hunderte Millionen konsumieren „rauchfreie“ Tabakprodukte.1
Bei den Malignomen stellt das Lungenkarzinom weltweit mit mehr als 1,3 Millionen Toten die Haupttodesursache dar. Eine weitere, tabakassoziierte Krankheitsgruppe mit mehr als 500.000 neuen Fällen pro Jahr stellen die Kopf- und Halsmalignome dar – hier insbesondere das Larynxkarzinom.
Die zwei wichtigsten Karzinogene für die Entstehung von Kopf- und Halskarzinomen sind Tabak und Alkohol, die oftmals jahrzehntelang missbräuchlich eingenommen werden. Weiterhin zeigen Alkohol und Tabak einen synergistischen karzinogenen Effekt, der eventuell darauf zurückzuführen ist, dass Alkohol als Lösungsmittel für die Karzinogene des Tabaks fungiert.2
Zusätzlich scheinen Frauen eine höhere genetische tabakassoziierte Empfänglichkeit zu besitzen.3 In einer rezenten schwedischen Arbeit konnte gezeigt werden, dass Frauen, die eine geringere Mengen an Tabak rauchen als Männer, trotzdem ein höheres Risiko für Mundhöhlenkrebs haben.4 Diese geschlechtsspezifische Suszeptibilität konnte auch für Lungenkrebs gezeigt werden.5
Insgesamt ist die tabakinduzierte Genexpression der oberen und unteren Atemwege sehr ähnlich6, die involvierten molekularen Prozesse sind jedoch bei Lungenkarzinomen bereits wesentlich besser erforscht.
Das derzeit verwendete mechanistische Modell der Karzinomentstehung durch Tabakrauch, welches auch im amerikanischen Surgeon Generals Report 2010 publiziert wurde, ist von Hecht S eingeführt worden (Abb.).7
Bei jeder Inhalation von Zigarettenrauch werden geschätzt mehr als 5.000 Substanzen aufgenommen – darunter mehr als 70 bekannte Karzinogene –, welche zu verschiedenen chemischen Klassen zählen: polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH), die „tabakspezifischen“ NNK (N-Nitrosamin-4-[Methylnitrosamino]-1-[3-pyridyl]-1-butanon) und NNN (N’-Nitrosonornicotin), aromatische Amine, Aldehyde (Formaldehyd), lösliche Kohlenwasserstoffe und Metalle (Cadmium und das radioaktive Polonium). Von allen bekannten tabakassoziierten Karzinogenen stellen NNK und NNN bei weitem die potentesten dar. Obwohl in der Vergangenheit widersprüchlich diskutiert, wird in der rezenten Literatur Nikotin selbst nicht mehr als karzinogen gesehen.8
Bildung von DNA-Addukten: Der erste Schritt stellt die metabolische Konvertierung und Aktivierung der Karzinogene dar, ein Prozess, der wesentlich durch Isoenzyme vom Cytochrom P-450, insbesondere P-450 1A1 und 1B1, katalysiert wird. Hierbei entstehen Metaboliten, welche sich kovalent an DNA binden und damit DNA-Addukte bilden können. Dieser zweite Schritt, die Bildung von DNA-Addukten, wird als der zentrale Prozess in der molekularen Karzinogenese durch Tabakrauch gesehen. Werden diese DNA-Addukte nun nicht durch Reparaturmechanismen entfernt, kommt es zur Fehlkodierung während der DNA-Replikation und somit zu permanenten Mutationen. In Lungengewebe von Rauchern konnten Tausende von Mutationen gefunden werden, oft in kritischen, die Proliferation von Zellen kontrollierenden Genen wie dem Onkogen KRAS oder dem Tumorsuppressorgen TP53.9 Weitere häufig mutierte Gene wie CDKN2A oder STK11 und mutierte Gene des EGFR-RAS-RAF-MEK-ERK-Signalweges wurden beschrieben.10 Diese Mutationen führen also schlussendlich zur Entstehung des Karzinoms.
Manche Nitrosamine sind in der Lage, ohne vorangegangene Metabolisierung direkt an zelluläre nikotinerge Rezeptoren zu binden und dabei verschiedene molekulare Signalwege zu aktivieren, darunter den AKT- oder den PKA-Signalweg.11
Weiters führt die Inhalation von Tabakrauch zur Aktivierung von Signalwegen, welche eine entscheidende Rolle in Entzündungsprozessen haben (NF-KB-Signalweg) und an der Karzinogenese von Lungentumoren beteiligt sind.12
Inaktivierung von Tumorsuppressorgenen: Neben der Akkumulation von Mutationen durch DNA-Adduktbildung stellt die Hypermethylierung von Genpromotoren, das z. B. die Transkription von Tumorsuppressorgenen verhindert, einen weiteren wesentlichen Vorgang bei der Entstehung von Karzinomen dar. Ein oft beschriebenes Beispiel ist das Tumorsuppressorgen CDKN2A (p16). Mutationen von p16 in Lungenkarzinomen sind sehr selten, hingegen wird dieses Gen mit einer Prävalenz von bis zu 70 % durch Hypermethylierung inaktiviert.13 Neben p16 wurden in den letzten Jahren mehr als 50 Gene in Lungenkarzinomen beschrieben, welche durch Hypermethylierung inaktiviert werden, darunter Gene der Zellzyklusregulation (PAX5), der DNA-Reparatur (AGT), der Apoptose (FAS) oder der Invasion (E-Cadherin).14 Ähnliches konnte für Kopf- und Halstumoren gezeigt werden.15
Neben der tabakassoziierten Induktion von Mutationen, Aktivierung von Signaltransduktionswegen der Entzündung und Karzinogenese sowie von epigenetischen Prozessen wie der Hypermethylierung spielen Entgiftungsprozesse und DNA-Reparaturmechanismen sicherlich eine wichtige Rolle, die im Detail noch nicht alle genau erforscht sind.
Tabakkonsum ist die bedeutendste freiwillige humane Karzinogenexposition mit globalen Auswirkungen. Die wichtigste präventive Maßnahme gegen Karzinome der Atemwege stellt Nichtrauchen dar.