Die Diagnostik und Therapie der nichtkleinzelligen Lungenkarzinome (NSCLC) befindet sich durch die Entwicklung von zielgerichteten Medikamenten für Karzinome mit bestimmten Genmutationen in einem Umbruch. Verschiedene für die Pathogenese der NSCLC wichtige Genmutationen sind bekannt, wobei die betroffenen Gene und die Häufigkeit der Mutationen zwischen Adenokarzinomen und Plattenepithelkarzinomen unterschiedlich sind (Abb. 1).
Am besten etabliert ist die auf genetische Veränderungen abzielende Therapie bei Karzinomen mit einer Mutation im „epidermal growth factor receptor“ (EGFR). Diese Karzinome sind meist sensitiv gegenüber Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) wie Erlotinib und Gefitinib. Die Mutationen sind zu 90 % in einem kleinen Bereich des EGFR-Gens in den Exons 18–21 lokalisiert, jenem Genabschnitt, der für die intrazelluläre Tyrosinkinaseaktivität und ATP-Bindung des Rezeptors kodiert1.
Die häufigsten Mutationen sind Deletionen im Exon 19 und eine Punktmutation im Exon 21, die zu einer Substitution von Leucin durch Arginin im Codon 858 (L858R) führt. Ca. 95 % der Mutationen bewirken eine Sensitivität gegenüber Erlotinib und Gefitinib. Eine kleine Zahl an Mutationen, insbesondere Insertionen im Exon 20, bewirken jedoch eine primäre Resistenz. EGFR-Mutationen treten vorwiegend bei Nichtrauchern und Frauen, insbesondere Asiatinnen, auf.
Die intrazelluläre EGFR-Signalübertragung umfasst zwei Hauptsignalwege. Auf der einen Seite steht KRAS, das B-raf aktiviert, welches wiederum MAP-Kinase anschaltet. Auf der anderen Seite führt die Lipidkinase PIK3CA, welche AKT1 phosphoryliert, zur Aktivierung der zweiten Signalkaskade. Mutationen im KRAS-Onkogen, die zu einer EGFR-unabhängigigen Aktivierung von MAP-Kinase führen, sind bei 15–35 % der Patienten mit NSCLC nachweisbar. Die Mutationen betreffen Codon 12 und 13 des Exons 2 vom KRAS-Gen und treten fast nie zusammen mit EGFR-Mutationen auf.
Die am häufigsten verwendeten Detektionsmethoden für EGFR-Mutationen sind die DNA-Sequenzierung und die Polymerasekettenreaktion (PCR) mit mutationsspezifischen Primern (Tab.). Der Vorteil der DNA-Sequenzierung liegt in der Erfassung aller potenziellen Mutationen in der untersuchten Genregion. Der Nachteil liegt in einer niedrigeren Sensitivität, wobei für die Mutationsdetektion ein Tumorzellgehalt von mindestens 20 % des Gewebes notwendig ist. Die PCR hat eine im Vergleich zur DNA-Sequenzierung prinzipiell höhere Sensitivität, mit der mutationsspezifischen PCR können jedoch nur jene Mutationen erfasst werden, welche im Primerdesign der PCR inkludiert sind. In einem deutschen Ringversuch wurden beide Methoden miteinander verglichen: Die Analyse von 1000 Fällen ergab einen deutlichen Vorteil in der Mutationsdetektionsrate für die DNA-Sequenzierung2.
Bis zu 50 % der Patienten mit NSCLC, die initial auf eine Therapie mit Gefitinib oder Erlotinib angesprochen haben, entwickeln eine sekundäre Therapieresistenz, die meistens durch eine Substitution von Methionin für Threonin am Codon 790 (T790M) im Exon 20 bedingt ist. Sie führt zu einer Veränderung der dreidimensionalen Struktur der ATP-bindenden Region der Tyrosinkinase und verhindert so die Bindung von Gefitinib und Erlotinib an den Rezeptor.
Bei Therapieresistenz aufgrund einer sekundären EGFR-Mutation wurde nach einer Therapiepause mit TKI und Chemotherapie auch ein Wiederkehren des ursprünglichen sensitiven Zellklons ohne die Resistenzmutation beobachtet. Diese Tumoren sprachen dann wieder auf eine erneute Therapie mit TKI an3. Andere bekannte sekundäre Resistenzmechanismen sind eine Amplifikation des MET-Gens und PIK3CA-Mutationen. Ferner wurden Transformationen in ein kleinzelliges neuroendokrines Karzinom beobachtet, wobei diese Tumoren erfolgreich mit einer Standardtherapie für kleinzellige Lungenkarzinome behandelt wurden3.
Eine hohe Expression von EGFR kann als Marker für ein mögliches Ansprechen auf eine Therapie mit dem Anti-EGFR-Antikörper Cetuximab dienen. Dies wurde in der FLEX-Studie (First-Line-Erbitux-Studie) gezeigt4. Die Beurteilung der EGFR-Expression erfolgte hierbei mittels Immunhistochemie unter Verwendung eines Scoring-Systems, in dem die Intensität der Färbung von null bis drei beurteilt und mit dem Prozentsatz der gefärbten Zellen multipliziert wird. Bei einem maximalen Score von 300 bedeutet ein Score von zumindest 200 eine hohe, ein Score unter 200 eine niedrige EGFR-Expression.
2007 wurde erstmals eine Alteration des ALK-Gens („anaplastic lymphoma kinase“) in NSCLC berichtet5. Im Unterschied zu den ALK-mutierten Lymphomen ist der Mechanismus der ALK-Alteration bei NSCLC meist keine Translokation, sondern eine Inversion am kurzen Arm des Chromosoms 2. Dadurch kommt es zur Fusion eines unterschiedlich langen Abschnittes des N-terminalen Teils von „echinoderm microtubule-associated protein-like 4“ (EML4) mit dem C-terminalen Teil von ALK, welcher die intrazelluläre Tyrosinkinasedomäne umfasst. Der EML4-Anteil des Fusionsproteins vermittelt eine Dimerisierungsdomäne, welche zur Aktivierung von ALK beiträgt. Nur circa 5 % der ALK-Alterationen bei Lungenkarzinomen sind Translokationen mit einer Fusion von ALK mit Genen auf anderen Chromosomen, wie z. B. KIF5B.
ALK-Genalterationen werden in circa 4 % der Adenokarzinome der Lunge beobachtet. Die Patienten sind im Durchschnitt jünger als ALK-Wildtyp-Patienten und überwiegend Nichtraucher. ALK-Mutation und EGFR-Mutation schließen sich meist aus.
Typische Histologien für ALK-mutierte Lungenkarzinome sind Muzinproduktion mit solidem, azinärem oder mikropapillärem Wachstumsmuster sowie eine Siegelringzellmorphologie6.
Mit Crizotinib steht ein oral verabreichbarer ALK-Inhibitor zur Verfügung, der in den USA seit 2011 durch die FDA zugelassen ist. In Europa ist eine Zulassung durch die EMA auch bereits erfolgt. Crizotinib zeigt eindrucksvolle klinische Wirkung und führt auch noch im Stadium IV häufig zu ausgeprägten und lange anhaltenden Remissionen7. Allerdings wurden auch primäre und sekundäre Resistenzen gegenüber Crizotinib beobachtet und auf Punktmutationen in der Kinasedomäne, Amplifikation des EML4-ALK-Fusionsgens, KRAS-Mutation sowie die Evolution eines ALK-negativen Zellklons zurückgeführt8.
Die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) ist die am besten etablierte und für die Patientenselektion in klinischen Studien bisher verwendete Methode des Nachweises eines ALK-Rearrangements bei Lungenkarzinomen (Abb. 2, Tab.).
Das ALK-Protein wird in normalem Lungengewebe nicht exprimiert. In Karzinomen mit einem ALK-Rearrangement ist das Protein jedoch exprimiert (Abb. 2), allerdings häufig schwach und daher mit den erfolgreich für die Lymphomdiagnostik verwendeten Antikörpern oft nicht detektierbar. Mittlerweile sind allerdings auch Anti-ALK-Antikörper verfügbar, welche immunhistochemisch auch die niedrige ALK-Expression in den ALK-mutierten Karzinomzellen erkennen9. Es gibt allerdings noch keine breit akzeptierten Richtlinien für die Verwendung bestimmter Antikörperklone oder immuhistochemische Färbeprotokolle. Die Immunhistologietechnik wäre im Unterschied zur FISH in allen histopathologischen Labors verfügbar und würde die Kosten der Untersuchung deutlich reduzieren. Der immunhistochemische Nachweis der ALK-Expression wird sich daher wahrscheinlich als Screening-Technik etablieren und die FISH zur Verifizierung von positiven oder fraglich positiven Proben eingesetzt werden. Eine RT-PCR-Untersuchung zum Nachweis von ALK-Translokationen ist möglich, allerdings durch die hohe Zahl variabler Bruchpunkte im EML4-Gen und alternativer Fusionspartner aufwendig.
Andere molekulare Ziele beim Lungenkarzinom, für die Inhibitoren in klinischen Studien evaluiert werden, sind B-raf, HER2, PIK3CA, MET, FGFR, ROS1 und RET. Mutationen in B-raf, HER2, PIK3CA, ROS1 und RET liegen jeweils in weniger als 5 % der Adenokarzinome der Lunge vor. Eine MET-Amplifikation tritt in circa 2 % der Adenokarzinome auf, eine FGFR-Amplifikation bei 20 % der Plattenepithelkarzinome.
Die bisher vorliegenden Ergebnisse der genetischen Analyse von NSCLC ergeben ein Bild ähnlich anderen bereits gut genetisch charakterisierten Tumoren, wie dem Kolon- oder Mammakarzinom. Karzinome sind genetisch heterogen. Es gibt nur wenige Gene, welche häufig mutiert sind, hingegen viele Gene, welche jeweils in einem geringen Prozentsatz der Karzinome verändert sind, aber die Pathogenese mitbestimmen. Die Herausforderung in der molekularpathologischen Diagnostik besteht darin, diese genetischen Veränderungen zu identifizieren und damit die Grundlage für eine der Genetik angepasste Tumortherapie zu geben.