Multiples Myelom

Translationale Onkologie

Das letzte ASH-Meeting hat ein wahres Feuerwerk von interessanten Daten gebracht. Von der translationalen Forschung sind die Präsentationen über Cereblon besonders bemerkenswert. Cereblon wurde vor Kurzem als das Schlüsselmolekül für die bekannten Thalidomid- induzierten Störungen des Gliedmaßenwachstums identifiziert. Studien an Myelomzelllinien sowie an primären Myelomzellen zeigen nun, dass die Lenalidomid- Wirkung von der Expression von Cereblon abhängig ist. Befunde bei mit Lenalidomid-Dexamethason behandelten Patienten bestätigen die In-vitro- Daten und zeigen eine Korrelation zwischen Cereblon-Expression und Ansprechen auf Lenalidomid-Therapie. Inwieweit sich diese Daten klinisch im Sinne eines prädiktiven Markers nutzen lassen, muss in weiteren Untersuchungen geklärt werden.

Klinische Highlights

VISTA-Studie: Von den klinisch relevanten Berichten sind Aktualisierungen bereits laufender oder publizierter Studien, sowie Studien mit Medikamenten der zweiten Generation neuer Substanzen erwähnenswert. So konnten die hervorragenden Resultate der VISTA-Studie nach einer medianen Nachbeobachtungsdauer von 5 Jahren bestätigt werden. Patienten, die mit VMP (Velcade-Melphalan- Prednison) behandelt wurden, zeigten weiterhin einen signifikanten Überlebensvorteil im Vergleich zur mit MP behandelten Kontrollgruppe (5-JahresÜberlebensrate 46,0 % vs. 34,4 %, medianer Überlebensgewinn 13 Monate).

MM-015-Studie: Bestätigt wurden auch die schon früher präsentierten Ergebnisse der MM-015-Studie, bei der drei Therapiearme verglichen werden: 1. MPR (Melphalan-Prednison-Revlimid) gefolgt von Erhaltungstherapie mit Revlimid, 2. MPR und 3. MP. In der Induktionsphase wurden 9 Zyklen verabreicht. Die früher schon berichtete signifikante Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) mit Revlimid-Erhaltungstherapie konnte bestätigt werden (medianes PFS für MPR-R: 31 Monate, MPR: 15 Monate und MP: 12 Monate). Ein Vorteil bezüglich des Gesamtüberlebens wurde in der Gesamtgruppe nicht beobachtet, allerdings fand sich in der Altersgruppe 65–75 Jahre ein deutlicher Trend zu – gunsten eines verlängerten Überlebens (Abb. 1). Bei den älteren Patienten (> 75 Jahre) konnte zwar ebenfalls eine deutliche Verbesserung des PFS festgestellt werden, die Verträglichkeit der Therapie war aber in dieser Altersgruppe deutlich schlechter.

Bortezomib-basierte Therapien im Vergleich: Eine weitere interessante Untersuchung vergleicht drei Velcade-basierte Therapien, nämlich 1. VD (Velcade-Dexamethason), 2. VTD (Velcade-Thalidomid- Dexamethason) und 3. VMP (Velcade- Melphalan-Dexamethason). Diese Induktionstherapie wurde über 8 Zyklen verabreicht und durch eine Erhaltungstherapie mit Velcade (Tag 1, 8, 15, 21, alle 5 Wochen) über insgesamt 25 Wochen ergänzt. Mit VTD konnten die höchsten Raten an ≥ VGPR (51 %) im Vergleich zu VMP (40 %) und VD (31 %) erreicht werden. Das progressionsfreie Überleben nach einem Jahr war mit 63,8 %, 67,3 % und 57,4 % ebenso wie die 2-Jahres-Überlebensrate vergleichbar (77,6 %, 73,6 % und 73,7 %). Patienten unter VTD wiesen allerdings eine deutlich höhere Neuropathierate und schlechtere Lebensqualität auf.

Smouldering-Myelom

Die bisherige Auffassung, dass Patienten mit Smouldering-Myelom nicht vorzeitig therapiert werden sollen, wird durch die Ergebnisse einer Studie, die Patienten mit Smouldering-Myelom in eine Therapie- und eine Kontrollgruppe randomisiert, in Frage gestellt. Allerdings wurden nur Patienten mit hohem Risiko für eine Transformation in ein aktives Myelom in die Studie einbezogen. Durch den frühzeitigen Einsatz von Lenalidomid und Dexamethason konnte die Progressionsrate von 46 % bei der unbehandelten Kontrollgruppe auf 11 % in der Therapiegruppe reduziert werden. Die 3-JahresÜberlebensrate lag in der Behandlungsgruppe mit 89 % im Vergleich zu 82 % bei den Kontrollen grenzwertig signifikant (p = 0,05) höher. Sollten diese Ergebnisse bestätigt werden, so würde dies zu einem Paradigmenwechsel führen und eine frühe Therapieeinleitung bei Patienten mit Smouldering-Myelom, die ein hohes Risiko für eine Transformation in ein aktives Myelom aufweisen, nahelegen.

Neue Substanzen

Von den zahlreichen neuen Substanzen können hier aus Platzgründen nur drei näher besprochen werden. Carfilzomib ist ein nichtneurotoxischer Proteasom-Inhibitor, dessen Zulassung für heuer in den USA erwartet wird. Bei nicht vorbehandelten Patienten konnte mit Carfilzomib- Lenalidomid-Dexamethason eine Remissionsrate von 95 % und bei jenen Patienten, die 12 Zyklen erhielten, von 100 % erreicht werden. Patienten, die mit einer höheren Dosierung von Carfilzomib (27 mg/m2) behandelt wurden, erzielten eine hohe Rate (80 %) an nCR/CR/sCR (Tab.). Für Pomalidomid, einem neuen IMiD, liegen bisher nur Ergebnisse bei relapsierten/refraktären Patienten vor. In Kombination mit Dexamethason konnte bei vielfach vorbehandelten Patienten, sowie bei Lenalidomidund Bortezomib-resistenten Patienten, eine Remissionsrate von 45 % erzielt werden (Abb. 2). Elotuzumab, ein humanisierter monoklonaler Antikörper gegen CS1 in Kombination mit Lenalidomid- Dexamethason, führte bei Patienten mit 1 bis 3 Vortherapien zu einer Ansprechrate von 82 % (≥ VGPR: 36 %, sCR/ CR: 12 %). Durch entsprechende Prämedikation konnten die Inzidenz und der Schweregrad signifikanter Infusionsreaktionen limitiert werden. Grad-4-Toxizitäten wurden nicht beobachtet. Zu den weiteren Substanzen mit beträchtlichem Potenzial beim multiplen Myelom zählen Histondeacetylase-Inhibitoren wie Vorinostat, Panobinostat und Romidepsin, der AKT-Inhibitor Plitidepsin sowie die monoklonalen Antikörper Siltuximab (Anti-IL-6) und nBT06 (Anti-CD138). Diese Daten belegen die beachtliche Dynamik in der Entwicklung neuer Therapeutika beim multiplen Myelom, sodass zukünftig mit weiteren substanziellen Verbesserungen der Therapieerfolge gerechnet werden kann. Bis zur Erreichung des ultimativen Ziels der Myelombehandlung, nämlich der Heilung möglichst aller Patienten, dürfte allerdings noch ein langer Weg bevorstehen.

 

KEY MESSAGES

Translationelle Onkologie

  • Hinweise einer Korrelation zwischen Cereblon-Expression und Ansprechen auf Lenalidomid

5 Jahre Follow-up der VISTA-Studie

  • Weiterhin signifikanter Überlebensvorteil durch Velcade-Melphalan-Prednison

MM-015-Studie

  • Bestätigung des längeren progressionsfreien Überlebens durch Lenalidomid- Erhaltungstherapie und Hinweise auf ein längeres Gesamtüberleben bei Patienten im Alter zwischen 65 und 75 Jahren.
  • Bortezomib-basierte Therapien: 3 verschiedene Therapieprotokolle zeigen unterschiedliche Ansprechraten bei vergleichbarem progressionsfreien (1 Jahr) und Gesamtüberleben (2 Jahre)
  • Smouldering-Myelom: Möglicher Paradigmenwechsel in Richtung Therapieindikation bei Patienten mit Smouldering-Myelom und hohem Transforma tionsrisiko
  • Neue Substanzen: Eine Vielzahl neuer Substanzen und Therapieprinzipien (Carfilzomib, Pomalidomid, Elotuzumab, Histondeacetylase-Inhibitoren, Akt-Inhibitoren) zeugen von der dynamischen Entwicklung beim multiplen Myelom