Prof. Eliane Gluckman, die Vorsitzende von Eurocord in Paris, gab einen ausgezeichneten Überblick zur Entwicklung der Transplantation von Nabelschnurblutstammzellen von 1989 bis heute. Unter Berücksichtigung der vor Jahren etablierten Kriterien zu Zellzahl und HLA-Identität ist es derzeit möglich, für 94 % aller Patienten ein passendes Nabelschnurblutpräparat zu finden, wenn eines (29 %) oder mehrere (65 %) Nabelschnurblutpräparate zur Transplantation verwendet werden. Dabei sollten nur maximal 2 HLA-Disparitäten zwischen dem Patienten und beiden Nabelschnurblutpräparaten sowie den Präparaten zueinander bestehen, wenn HLA-A und -B niedrig aufgelöst und HLA-DRB1 hoch aufgelöst gewebetypisiert werden. Um die hämatopoetische Regeneration nach Transplantation gesichert zu erreichen, sollten vor dem Tieffrieren mindestens 2,5 x 107 nukleäre Zellen/kg Körpergewicht sowie nach dem Auftauen mindes – tens 2 x 107 nukleäre Zellen/kg Körpergewicht des Patienten im Nabelschnurblutpräparat zur Verfügung stehen. In den vergangenen Jahren nahm nicht nur die Zahl an Transplantationen mit Nabelschnurblutstammzellen auf über 25.000 weltweit deutlich zu, sondern es glichen sich die erzielten Ergebnisse auch denen an, die bei Kindern und Erwachsenen unter Verwendung eines unverwandten Stammzellspenders erzielt werden. Damit sind Nabelschnurblutstammzellen eine wichtige Therapieoption für Patienten, die eine Stammzelltransplantation benötigen. Weltweit stehen derzeit mehr als 400.000 Nabelschnurblutpräparate für die Transplantation zur Verfügung.
Durch die intraossäre Applikation von Nabelschnurblutstammzellen kann der Zeitraum der Aplasie verkürzt und eine verbesserte hämatopoetische Regeneration trotz Verwendung niedrigerer Stammzellzahlen erzielt werden. So war nach intraossärer Gabe eines Nabelschnurblutpräparates der Zeitraum bis zum Erreichen von mehr als 500/ul Granulozyten mit 23 Tagen verglichen mit 28 Tagen nach intravenöser Gabe von zwei Präparaten signifikant verkürzt (p = 0,001). Nach intraossärer Gabe der Nabelschnurblutstammzellen war auch die Zeit bis zur Thrombozytenregeneration signifikant kürzer und die Inzidenz an akuter Graft-versus-host-Erkrankung ge ringer (19 % vs. 47 %, p < 0,001). Aufgrund dieser erfolgversprechenden Ergebnisse wird die Methode in den kommenden Jahren bei weiteren Patientenkohorten angewandt werden, um deren Benefit besser beurteilen zu können.
Dr. John Wagner von der Medizinischen Universität Minnesota in Minneapolis, USA zeigte Möglichkeiten zur Verbesserung der hämatopoetischen Regeneration nach Nabelschnurblutstammzelltransplantation auf und berichtete von Methoden der Ex-vivo-Expansion von Stamm- und Vorläuferzellen unter Einfluss von Zytokincocktails. Mittels durchflusszytometrischer Anreicherung von Zellen und deren Kultivierung können ausgewählte Immunzellen gewonnen werden, die zur Verbesserung der Immunregeneration nach Transplantation zum Einsatz gelangen können ohne das Risiko von Graft-versus-Host-Erkrankungen zu erhöhen, da alloreaktive T-Zellen eliminiert werden können. Dosisreduzierte Konditionierung mit Cyclophosphamid, Fludarabin und Ganzkörperbestrahlung von 2 Gy erlaubt die Transplantation von älteren Patienten und solchen mit signifikanten Komorbiditäten, wobei auch Nabelschnurblut in diesem Setting ein gesichertes Engraftment ermöglicht.
Dr. Joanne Kurtzberg von der Medizinischen Universität Duke in Durham, USA, präsentierte Daten von Neugeborenen mit Gehirnschädigungen, die innerhalb von weniger als 6 Stunden bis 72 Stunden nach der Geburt frische Nabelschnurblutzellen erhielten. Partielle neurologische Verbesserungen wurden vor allem bei Kindern beobachtet, die wenige Stunden nach Geburt therapiert wurden. Auch bei Kindern mit angeborenem Hydrocephalus und metabolischen Erkrankungen war eine neurologische Regeneration nur nach frühzeitiger Gabe der Nabelschnurblutzellen möglich. Die prospektive Studie bei Kindern mit erworbenen neurologischen Defiziten ist noch nicht abgeschlossen – daher kann derzeit noch keine schlüssige Beurteilung zum Stellenwert der Nabelschnurbluttransplantation in dieser Indikation abgegeben werden. Dr. Kurtzberg hob hervor, dass nur 14 % aller Nabelschnurblutpräparate privater Banken den Qualitätserfordernissen entsprachen, um klinisch verwendet zu werden, und diskutierte Strategien, um die Anzahl an Nabelschnurblutpräparaten in öffentlichen Banken zu erhöhen.
Dr. Tsvee Lapidot vom Weizmann-Institut in Rehovot, Israel präsentierte in der „Ham-Wasserman Lecture“ einen ausgezeichneten Überblick zu Mechanismen des Stammzell-Homings und der Stammzellmigration, die für die erfolgreiche Mobilisation und Sammlung von Stammzellen für die Transplantation von entscheidender Bedeutung sind. Ein verbessertes Verständnis für deren Beeinflussbarkeit könnte die Ausbeute von Stammzellernten erhöhen und damit die klinischen Transplantationsergebnisse bei Patienten verbessern. Das Homing der Stammzellen im Knochenmark, deren Migration unter physiologischen und stressinduzierten Bedingungen sowie deren Mobilisation ins Blut stellen komplexe Abläufe dar, die durch Interaktionen zwischen Zytokinen, Chemokinen, proteolytischen Enzymen, Adhäsionsmolekülen, Stromazellen und weißen Blutzellen kontrolliert werden. Neben der Funktion des Chemokins SDF-1 (CXCL12) und seines Rezeptors CXCR4, des Zytokins GCSF, von Neurotransmittern und CD44 bei Homing und Migration von Stammzellen beforschte Dr. Lapidot auch das Verhältnis von Knochenumbauprozessen durch Osteoklasten und knochenbildende Stromazellen zur Stammzellmobilisation. Weiters sind auch Interaktionen zwischen Immunsystem und Nervensystem mit Zellen der Knochenmarknischen, die zirkadianen Rhythmen unterliegen, für die Mobilisation von Stammzellen von wesentlicher Bedeutung.
Dr. Leonard I. Zon vom Stem Cell Program des Dana-Farber Cancer Institute und dem Harvard Stem Cell Institute in Boston, USA beschrieb in der „E. Donnall Thomas Lecture“ die Selbsterneuerung und Ausdifferenzierung von blutbildenden Stammzellen während der Embryonalzeit, wobei er als Model den Zebrafisch verwendet. Signalwege wie Wnt-, Notch- und Cdx-Hox-Pathways sind für die Entwicklung blutbildender Zellen in der Embryonalzeit von entscheidender Bedeutung, sind aber auch bei der Selbsterneuerung von Stammzellen sowie deren Reaktion auf Schädigungen oder an der Entstehung von Leukämien beteiligt.
In einer prospektiv randomisierten, placebokontrollierten Phase-III-Studie (CALGB 100104) bei 460 Myelompatienten war Erhaltungstherapie mit Lenalidomid in einer Dosierung von 10–15 mg/Tag begonnen am Tag 100 nach autologer Stammzelltransplantation (SZT) mit signifikant längerem progressionsfreiem Überleben (median 42 vs. 22 Monate, p < 0,001) bei gleichem Gesamtüberleben assoziiert. Lenalidomid wurde gut toleriert, hatte jedoch mehr Hämatotoxizität als der Placeboarm.
Erhaltungstherapie mit Thalidomid (200 mg/Tag) und Kortison (NCIC-CTG-MY. 10-Studie), begonnen zwischen Tag 60 und 100 nach autologer Transplantation, war bei 332 Myelompatienten mit keinem signifikanten Überlebensvorteil gegenüber einer therapiefreien Kontrollgruppe assoziiert (68 % vs. 60 % nach 5 Jahren).
In der randomisierten ECOG-E4A03-Studie war nach Induktion mit Lenalidomid und Dexamethason die frühzeitige autologe Stammzelltransplantation verglichen mit Fortführen der konventionellen Therapie mit einem signifikanten Überlebensvorteil verbunden (94 % vs. 78 % nach 3 Jahren bei Patienten unter 65 Jahren).
In der randomisierten HOVON-65/GMMGHD4- Phase-III-Studie wurden zur Induktion Bortezomib, Doxorubicin, Dexamethason (HDM) mit VAD gefolgt von hochdosiertem Melphalan und Erhaltungstherapie mit Bortezomib oder Thalidomid bei 613 Myelompatienten verglichen. Bortezomib erzielte höhere komplette Remissionsraten (50 % vs. 38 %), ein signifikant besseres progressionsfreies Überleben (48 % vs. 42 %, p = 0,03) und ein besseres Gesamtüberleben.
In einer GIMEMA-Studie bei 474 Myelompatienten wurden mittels Induktion mit Bortezomib, Thalidomid, Dexamethason (VTD) verglichen mit Thalidomid, Dexamethason (TD), nachfolgender autologer Doppeltransplantation und Konsolidierungstherapie signifikant höhere Responseraten inklusive kompletter molekularer Remissionen erzielt.
Dr. Sophie Paczesny von der Universität Michigan in Ann Arbor, USA präsentierte potenzielle Biomarker für die Prädiktion von akuter Graft-versus-Host-Erkrankung (GVHD), wobei die Kombination von IL2- RA, TNF-R1 und Elafin gemessen im Blut von 513 Patienten an den Tagen 7 und 14 nach allogener SZT mit einem unverwandten Spender die Abwesenheit von akuter GVHD (Grad II–IV) am Tag 56 in 77 % richtig anzeigte (Spezifität) und eine Sensitivität von 50 % hatte. Nach Validierung dieser diagnostischen Methoden werden sie derzeit zur weiteren Bestätigung an mehr Patienten in einer multizentrischen Studie untersucht.
Dr. Gérard Socié vom Krankenhaus St. Louis in Paris, Frankreich berichtete über Ergebnisse einer randomisierten multizentrischen Phase-III-Studie zur GVHDProphylaxe mit Cyclosporin A und Methotrexat mit oder ohne Antithymozytenglobulin (ATG) Fresenius nach allogener STZ mit einem HLA-identen unverwandten Spender. ATG reduzierte die Inzidenz an schwerer akuter und chronischer GVHD bei 201 Patienten mit einem medianen Alter von 40 Jahren signifikant. Nach einer mittlerweile medianen Nachbeobachtung von 3 Jahren ist die kumulative Inzidenz an extensiver chronischer GVHD 12,2 % im ATG-Arm verglichen mit 45 % im Kontrollarm und damit signifikant niedriger (p < 0,0001). Die Inzidenz an schwerer chronischer GVHD war in allen Organen einschließlich Haut, Augen, Mundschleimhaut, Lunge und Leber im ATG-Arm geringer. Die Verabreichung von ATG erhöhte die Rezidivrate nach SZT nicht. Die Non-Relapse- Mortalität nach 3 Jahren war 19,4 % im ATG-Arm verglichen mit 33,5 % im Kontrollarm und nicht signifikant unterschiedlich.
Dr. Corey Cutler vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston, USA präsentierte Ergebnisse einer prospektiven Phase-IIStudie zur prophylaktischen Verwendung von Rituximab bei 64 Patienten nach allogener SZT. Rituximab wurde in einer Dosierung von 375 mg/m2 3, 6, 9 und 12 Monate nach SZT infundiert, um eine chronische GVHD zu vermeiden. Innerhalb des ersten Jahres nach Rituximab- Infusion wurden 18 Episoden an Grad-3- Toxizitäten und 8 Episoden an Grad-4- Toxizitäten einschließlich bakterieller Infekte, Neutropenie, Sepsis, Pneumonitis und Rezidive beobachtet. Die kumulative Inzidenz an chronischer GVHD nach 1 Jahr war 44,6 %. Das rezidivfreie und Gesamtüberleben der Patienten nach 1 Jahr betrug 71 % und 88,6 %. Derzeit ist eine randomisierte Phase-III-Studie in Planung, um das Potenzial von Rituximab zur Vermeidung einer chronischen GVHD weiter zu untersuchen.
Dr. Zoya Kuzmina von der Knochenmarktransplantation der Medizinischen Universität Wien stellte Daten einer prospektiven Phase-II-Studie zur Charakterisierung der Bronchiolitis obliterans (BO) nach allogener SZT bei 135 Patienten vor. Die Inzidenz an BO war 26 %, wobei sich diese Patienten von jenen ohne chronische GVHD durch ein charakte – ristisches Verteilungsmuster von B-Lymphozyten- Subpopulationen und signi – fikant höhere BAFF-Plasmaspiegel unterschieden. Weiters konnte die Arbeitsgruppe anhand der BAFF-Werte die BO unterschiedlichen Schweregrades auch von anderen Manifestationen der chronischen GVHD unterscheiden. Somit können B-Zell-Subpopulationen und BAFF-Werte als neue Biomarker für die objektive frühe Diagnose von BO und deren Unterscheidung von anderen Mustern der chronischen GVHD herangezogen werden.