Die prognostische Bedeutung der nukleären Veränderungen war schon lange bekannt, aber erst das von Susan Fuhrman 19821 präsentierte 4-stufige Graduierungssystem konnte sich bis heute durchsetzen. Es basiert einerseits auf der Kerngröße und -form, andererseits auf der Erkennbarkeit von Nukleolen in schwacher bzw. starker Vergrößerung (Tab. 1). Das Vorkommen von Mitosen ist in Grad-1- und -2-Tumoren selten, häufiger in Grad-3- und -4-Tumoren, beeinflusst aber die Graduierung nicht. Die Mehrzahl der Nierenzellkarzinome sind Grad-2- und -3-Karzinome, während weniger als 10% je Grad-1- und Grad-4-Karzinome ausmachen. Während der prognostische Wert des Fuhrmangradings im klarzelligen Karzinom unbestritten ist, ist die Meinung über die Bedeutung dieses Graduierungssystems im papillären Karzinom kontrovers, da ein rein auf Nukleolengröße basierendes Graduierungssystem genügen könnte.2
Das chromophobe Karzinom, das dritthäufigste Nierenzellkarzinom, ist grundsätzlich prognostisch günstiger. Hier sind es vor allem Tumoren mit spindelzelligen Abschnitten, die Rezidive und Fernmetastasen ausbilden (Grad 4), während große Kerne mit prominenten Nukleolen in zytoplasmareichen Zellen keine prognostische Bedeutung haben. Hier fehlen groß angelegte Studien über ein prognostisch bedeutsames Graduierungssystem, wie auch bei den noch viel seltener vorkommenden Tumortypen. Denn sowohl für die biologisch besonders aggressiven Karzinome, das Duct-Bellini-Karzinom und das medulläre Karzinom, wie auch für die vorwiegend bei Kindern vorkommenden, mit speziellen Translokationen vergesellschafteten Karzinome (Xp11.2) (Abb. 1 und 2) und auch den meist benign verlaufenden muzinös tubulär und spindelzelligen Tumor gibt es derzeit kein prognostisch relevantes Graduierungssystem. Hier ist das Tumorstadium der einzige aussagekräftige Prognoseparameter.
Tab. 1: Nukleäres Graduierungssystem nach Fuhrman | ||||
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Grad | Kerngröße | Kernform | Chromatin | Nucleoli |
1 | < 10 μm | rund uniform | kondensiert | keine |
2 | 15 μm | rund uniform | fein granulär | klein, bei geringer Vergrößerung (10x-Objektiv) nicht sichtbar |
3 | 20 μm | rund bis oval | grob granulär | sichtbar bei geringerVergrößerung |
4 | > 20 μm | pleomorph, lobuliert | Hyperchromatisch und klumpig | große Makronukleolen |
Das derzeit gültige AJCC-TNM-Stadiensystem ist in Tabelle 2 dargestellt.3 Für die Stadienbeurteilung ist vor allem die makroskopische Begutachtung wichtig. Hierfür ist vor allem ein Einbrechen in die Fettkapsel bzw. das hiläre Fettgewebe von Bedeutung. Aber nicht nur die Fettgewebsinfiltration selbst, sondern bereits ein Einbruch in die hilären Sinus von sonst nicht organüberschreitenden Tumoren ist mit einer schlechteren Prognose vergesellschaftet4, weshalb auch diese Tumoren als pT3a-Tumoren in der neuen Klassifikation gelten. Da Tumoren mit einem Durchmesser von 45 cm in mehr als 60%, solche von 7 cm über 90% eine perihiläre Sinusinfiltration zeigen5, wird in Zukunft die Zahl der pT3a-Tumoren auf Kosten von pT1b- und pT2- Tumoren steigen. Auch wird die Zahl der pT3a-Tumoren steigen, weil im Gegensatz zum Stagingsystem von 2002 ein makroskopischer Einbruch in die Vena renalis ebenfalls als pT3a- und nicht wie früher als pT3b-Tumor gilt. Eine Nebennierenbeteiligung durch eine kontinuierliche Ausbreitung stellt neuerdings ein Stadium pT4 dar und ist makroskopisch und evtl. histologisch von einer Metastasierung in die Nebenniere zu unterscheiden. In letzterem Fall liegt ein M1-Stadium vor.
Tab. 2: AJCC-TNM-Stadieneinteilung des Nierenzellkarzinoms (2010) | |
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Primärtumor (T) | |
TX | Primärtumor kann nicht beurteilt werden |
T0 | kein Anhalt für Primärtumor |
T1A | begrenzt auf die Niere, ≤ 4,0 cm |
T1b | begrenzt auf die Niere, > 4,0 cm und ≤ 7,0 cm |
T2A | begrenzt auf die Niere, > 7,0 cm und ≤ 10,0 cm |
T2b | begrenzt auf die Niere, > 10,0 cm |
T3a | makroskopischer Einbruch in Nierenvene oder deren segmentale Äste (mit muskulärer Wand), oder Infiltration des perirenalen Fettgewebes und/oder der perirenalen Sinus, aber nicht über die Gerota-Faszie hinaus |
T3b | makroskopische Ausbreitung innerhalb der Vena cava unterhalb des Zwerchfells |
T3c | makroskopische Ausbreitung innerhalb der Vena cava oberhalb des Zwerchfells oder Wandbefall der Vena cava |
T4 | Tumor infiltriert über die Gerota-Faszie hinaus (inklusive direkte Infiltration der ipsilateralen Nebenniere) |
Regionale Lymphknoten (N) | |
NX | regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden |
N0 | keine regionären Lymphknoten |
N1 | regionäre Lymphknotenmetastasen |
Fernmetastasen (M) | |
MX | Fernmetastasen können nicht beurteilt werden |
M0 | keine Fernmetastasen |
M1 | Fernmetastasen |
Die histologische Unterscheidung der einzelnen Tumortypen ist mitunter schwer. Hier kann oft mittels immunhistochemischer Färbungen eine Zuordnung getroffen werden. In manchen Fällen, wie z.B. beim Translokationskarzinom, kann die Entität nur durch eine molekularpathologische Untersuchung bzw. FISH eindeutig zugeordnet werden. Details diesbezüglich in SPECTRUM ONKOLOGIE 1/08.
Neben den oben genannten prognostisch relevanten Beobachtungen wie Tumortyp, Tumorgrad und Stadium sollten in einem Befund noch weitere zum Teil therapierelevante Informationen dargelegt werden. Diese sind in Tabelle 3 in Anlehnung an die 2009 CAP Checklist dargestellt.
Tab. 3: Befunderhebungen beim Nierenzellkarzinom (nach CAP Checkliste 2009) |
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Materialart: Biopsie* (Nadel- oder Keil-)/Operationspräparat (radikale oder partielle Nephrektomie) |
Seitenangabe* (rechts/links/nicht angegeben) |
Lokalisation (oberer Pol/Mitte/unterer Pol/andere Lokalisation) |
Tumorgröße (größter Durchmesser, evtl. weitere zusätzliche Durchmesser) |
Fokalität (ein oder mehrere Tumoren) |
Makroskopische Tumorausbreitung (Fettgewebe, große Gefäße, Nebenniere, ) |
Histologischer Typ* |
Sarkomatoide Anteile vorhanden* (nein/ja wie viel %) |
Tumornekrose (nein/ja wie viel %) |
Histologischer Grad (14)* |
Mikroskopische Ausbreitung |
Resektionsrandbeurteilung (negativ/positiv; renal parenchymal/renal kapsulär bei Teilresektion bzw. Nierenvene/Gerota-Faszie /Ureter bei Nephrektomie) |
Lymphgefäßeinbrüche (nein/ja) |
TNM-Stadium (s.o.) |
Veränderungen im nichttumorösen Nierenparenchym |
Andere tumoröse oder tumorähnliche Veränderungen |
* auch bei Biopsien anzugeben |
Das Grading beim Nierenzellkarzinom ist nur in Zusammenschau mit dem Tumortyp und auch da nur beim klarzelligen und papillären Typ prognostisch aussagekräftig. Neuerungen bei der TNM-Klassifikation sind vor allem die Erweiterung des Stadiums T3a auf Tumorausbreitung in die per continuitatem Sinus und Einbruch in Äste der Vena renalis sowie die Differenzierung zwischen Per-continuitatem-Ausbreitung in die Nebenniere (T4) und Metastase in der Nebenniere (M1).
1 Fuhrman SA et al., Prognostic significance of morphologic parameters in renal cell carcinoma, Am J Surg Pathol 1982; 6:655663
2 Klatte T et al., Fuhrman grade provides higher prognostic accuracy than nucleolar grade for papillary renal cell carcinoma, J Urol 2010; 183:21432147
3 American Joint Committee on Cancer. AJCC Cancer Staging manual. Seventh Edition. Springer, New York, 2010
4 Bonsib SM, Renal lymphatics, and lymphatic involvement in sinus vein invasive (pT3b) clear cell renal cell carcinoma: a study of 40 cases. Mod Pathol 2006; 19:746753
5 Bonsib SM, T2 clear cell renal cell carcinoma is a rare entity: a study of 120 clear cell renal cell carcinomas, J Urol. 2005; 174:1199202