Beim Nierenzellkarzinom (RCC) handelt es sich um die häufigste Form von Nierenkrebs. Zahlen aus dem Jahr 2012 beziffern die weltweite jährliche Inzidenz mit > 330.000; pro Jahr gehen 140.000 Todesfälle auf diese Erkrankung zurück.1
Bei rund einem Drittel der Patienten, die aufgrund eines lokalisierten RCC eine Therapie erhalten, ist mit Rezidiven zu rechnen.2–4 In der Vergangenheit wurde daher wiederholt die adjuvante Gabe der in der metastasierten Situation etablierten Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) bei lokalisiertem RCC und hohem Rezidivrisiko getestet, allerdings mit wenig überzeugenden Ergebnissen.
Die Phase-III-Studie ASSURE evaluierte Sunitinib oder Sorafenib im Vergleich zu Placebo. Es zeigte sich kein Vorteil beider TKI im Hinblick auf das krankheitsfreie Überleben (DFS), darüber hinaus resultierten in hohen Prozentsätzen Therapieabbrüche aufgrund von Toxizitäten, die trotz Dosisreduktionen auftraten.5 Im Gegensatz dazu wurde ein signifikanter DFS-Benefit unter Sunitinib verglichen mit Placebo in der S-TRAC-Studie publiziert (6,8 vs. 5,6 Jahre; HR: 0,76; p = 0,03).6 Die EMA hat jedoch starke Zweifel an der Positivität der Studie geäußert und zahlreiche statistische Mängel reklamiert, sodass die Therapie nicht zugelassen wurde. Auch andere Strategien, z. B. mit Pazopanib, konnten im adjuvanten Setting nicht überzeugen7, weswegen die Einbringung von Patienten in adjuvante Checkpoint-Inhibitor-Studien dringend empfohlen wird.
Das Management des metastasierten Nierenzellkarzinoms (mRCC) befindet sich im Umbruch. Traditionell legten die ESMO-Guidelines in der Erstlinie bei klarzelliger Histologie und günstigem oder intermediärem Risiko laut MSKCC-Score die Gabe von Sunitinib, Pazopanib oder Bevacizumab plus IFN-alpha nahe.8 Bei ungünstigem Risikoprofil galt Temsirolimus als Standard. Liegt eine nichtklarzellige Histologie vor, wird Sunitinib empfohlen.
Die bereits bei vielen anderen Tumortypen etablierte Immuntherapie zeigt auch beim mRCC hohe Wirksamkeit. In der randomisierten Phase-III-Studie CheckMate 214 konnte die Überlegenheit dieses Ansatzes in der Erstlinie klar demonstriert werden.9 Insgesamt 1.096 Patienten mit klarzelligem mRCC nahmen an CheckMate 214 teil. Der Prüfarm (n = 550) erhielt vier Dosen der Kombination aus dem PD-1-Hemmer Nivolumab (3 mg/kg alle drei Wochen) und dem CTLA-4-Antikörper Ipilimumab (1 mg/kg alle 3 Wochen) gefolgt von Nivolumab 3 mg/kg alle 2 Wochen. Im Kontrollarm (n = 546) kam Sunitinib (50 mg/d über 4 Wochen gefolgt von 2 Wochen Therapiepause) zur Anwendung. Primär wurden Patienten mit intermediärem oder ungünstigem Risiko eingeschlossen, aber auch die Teilnahme von Personen mit günstigem Risiko war möglich.
Als koprimärer Endpunkt galten Gesamtansprechrate (ORR), progressionsfreies Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) in der Gruppe mit intermediärem oder hohem Risiko (n = 847). Tatsächlich konnten durch die Checkpoint-Inhibitor-Kombination Vorteile in Bezug auf alle drei Endpunkte erzielt werden. Die ORR betrug 42 % vs. 27 % (p < 0,001; Tab.). Auffällig war die Manifestation von (in diesem Setting normalerweise raren) Komplettremissionen in 9 % vs. 1 % (p < 0,001). Ein signifikanter Benefit resultierte weiters in Bezug auf das OS (nicht erreicht vs. 26,0 Monate; HR: 0,63; p < 0,001). Für das PFS fand sich ein Vorteil, der aufgrund des statistischen Designs keine Signifikanz erreichte (11,6 vs. 8,4 Monate; HR: 0,82; p = 0,03). Patienten mit PD-L1-exprimierenden Tumoren profitierten hinsichtlich ORR und PFS in besonderem Maße von der Kombination.
Ein exploratorischer Endpunkt der CheckMate-214-Studie bezog sich auf die Outcomes bei Patienten mit günstigem Risikoprofil (n = 249). Diese Population fuhr interessanterweise mit der Kontrolltherapie besser als mit der Checkpoint-Inhibitor-Kombination. Nivolumab plus Ipilimumab zeigte gegenüber Sunitinib signifikante Unterlegenheit im Hinblick auf ORR (29 % vs. 52 %; p = 0,0002) und PFS (15,3 vs. 25,1 Monate; p < 0,0001).
Im Nachgang der Studie stehen einige Faktoren zur Diskussion, unter anderem der PD-L1-Status, da auch Patienten ohne PD-L1-Expression von der Immuntherapie profitierten. Weiters stellt sich die Frage nach dem idealen Cut-off sowie dem optimalen Zeitpunkt (Primärtumor, Metastasierung) und dem Entnahmeort im Gewebe (Tumor vs. Tumorstroma) im Zusammenhang mit der Testung. Auch die Variabilität des biologischen Profils, das bei intermediärem Risiko jenem bei günstigem Risiko ähneln kann, muss Berücksichtigung finden.
Im April 2018 wurde Nivolumab plus Ipilimumab bereits von der US-amerikanischen Behörde FDA für die Erstlinientherapie des fortgeschrittenen RCC mit intermediärem oder hohem Risiko zugelassen. Unverständlicherweise hat die EMA vorerst keine Zulassung erteilt, wofür von Seiten der Experten keinerlei Verständnis besteht; weltweit wird die kombinierte Checkpoint-Inhibition mit Nivolumab und Ipilimumab als neuer Therapiestandard bei intermediärem oder ungünstigem Risiko gesehen. Weitere Verhandlungen laufen.
Eine Alternative für die gleiche Population besteht in der Gabe des hochselektiven, als Zweitlinienoption etablierten MET-/AXL-/VEGFR-Inhibitors Cabozantinib. Der TKI hat bei Patienten mit intermediärem oder hohem Risiko im Rahmen der randomisierten Phase-II-Studie CABOSUN Potenzial im Erstlinien-Setting gezeigt. Cabozantinib 60 mg/d führte gegenüber Sunitinib 50 mg/d (4 Wochen on, 2 Wochen off) zu signifikanten Verbesserungen des PFS (8,2 vs. 5,6 Monate; HR: 0,66; p = 0,012) und der ORR (33 % vs. 12 %).10 Einschränkend muss jedoch angemerkt werden, dass hier der Evidenzlevel deutlich geringer ist und in der Studie kein OS-Benefit zu erkennen war.
Der hochselektive TKI Tivozanib wurde bereits vor Jahren im Rahmen einer randomisierten Phase-III-Studie, die vorwiegend in Osteuropa rekrutierte, in der Erstlinie mit Sorafenib verglichen.11 Zwar wurde der primäre Endpunkt in Form eines PFS-Vorteils erreicht (11,9 vs. 9,1 Monate; HR: 0,797; p = 0,042), jedoch zeigte sich in Bezug auf das als sekundärer Endpunkt definierte OS ein (nichtsignifikanter) Trend für ein längeres Überleben unter Sorafenib (HR: 1,245). Aufgrund dessen wurde Tivozanib zum damaligen Zeitpunkt durch die FDA nicht zugelassen, mittlerweile aber durch die EMA. Der Grund für diese Ergebnisse ist leicht erklärbar: Patienten im Kontrollarm hatten die Möglichkeit, anschließend Tivozanib zu erhalten, während jenen im Prüfarm aufgrund der Lokalisation der Studienzentren in Osteuropa kaum Chancen auf eine Zweitlinientherapie offenstanden.
Tivozanib zeichnet sich durch ein hervorragendes Toxizitätsprofil und große Effektivität aus. Die Therapie sollte heute als neuer Standard in der Erstlinientherapie von Patienten mit günstigem Risiko oder bei allen Patienten im Falle einer Kontraindikation gegen Cabozantinib oder die Checkpoint-Inhibitor-Therapie angesehen werden.
Nivolumab und Cabozantinib gelten nach dem Versagen einer Erstlinien-TKI-Therapie weiterhin als Zweitlinienoptionen.8 Diese Empfehlung fußt auf dem erfolgreichen Vergleich beider Substanzen mit dem mTOR-Inhibitor Everolimus.12, 13
Eine andere interessante Option, wenngleich mit etwas geringerer Evidenz, besteht in der gemeinsamen Gabe von Lenvatinib und Everolimus. Die Kombination dieser beiden Substanzen zeigte hervorragende Ergebnisse in Bezug auf PFS und ORR14, ist zugelassen und sollte dem Patienten auf jeden Fall angeboten werden. Allgemein befinden sich die Guidelines zum Management des mRCC in Bewegung, da Kombinationsschemen aus antiangiogen wirksamen TKI und Checkpoint-Inhibitoren aktuell in zahlreichen klinischen Studien evaluiert werden.
Durch Interdisziplinarität, d. h. die Verquickung von lokalen Maßnahmen und systemischer Behandlung, ist im Einzelfall eine Verbesserung der klinischen Ergebnisse bei Patienten mit mRCC möglich. In diesem Kontext wurde der zytoreduktiven Nephrektomie stets ein großer Stellenwert zugeordnet. Beispielsweise wies eine retrospektive Auswertung der SEER-Datenbank eindeutig auf eine Überlebensverlängerung durch die Resektion hin.15 Nephrektomierte Patienten zeigten auch in der Ära zielgerichteter Substanzen eine deutlich höhere Ein-Jahres-Überlebensrate als nichtnephrektomierte (61 % vs. 22 %).
Dieses Paradigma wird nun durch die am ASCO-Kongress 2018 präsentierte randomisierte, offene Phase-III-Studie CARMENA in Frage gestellt.16 Patienten mit synchron metastasiertem RCC und intermediärem oder ungünstigem Risiko erhielten entweder eine Upfront-Nephrektomie gefolgt von Sunitinib 50 mg/Tag (4 Wochen on, 2 Wochen off) oder Sunitinib alleine. In jeden Arm gingen rund 225 Personen ein. Der primäre Endpunkt der Nichtunterlegenheit der rein medikamentösen Vorgangsweise in Bezug auf das OS wurde erreicht. Nach alleiniger Sunitinib-Gabe betrug das mediane OS 18,4 Monate, in der Nephrektomie-Sunitinib-Gruppe 13,9 Monate (HR 0,89). Darüber hinaus war der klinische Benefit (d. h. Krankheitskontrolle über > 12 Wochen) im Arm B signifikant höher (36,6 % vs. 47,9 %; p = 0,02). Keine Unterschiede zwischen den Behandlungsarmen resultierten im Hinblick auf ORR (27,4 % vs. 29,1 %) und PFS (7,2 vs. 8,3 Monate).
Allerdings wurden im Rahmen der Diskussion der Studie am ASCO-Kongress17 sowie in einem im New England Journal of Medicine publizierten Editorial18 diverse Kritikpunkte an CARMENA geäußert, welche die Ergebnisse relativieren. Demnach weist die Studie in Bezug auf mehrere Aspekte (Tumorstadium, Anteil der mit Sunitinib behandelten und nephrektomierten Patienten) Imbalancen zwischen den Armen auf; auch wurden insgesamt überproportional viele Patienten mit relativ ungünstiger Prognose rekrutiert, und Informationen zu Selektionsfaktoren für die Operation fehlen. Die Experten weisen auf die Wichtigkeit der Patientenselektion hin, die speziell für die breit definierte intermediäre Risikokategorie gilt. Als Fazit für die Praxis liegt eine Einteilung in zwei Gruppen nahe: Patienten mit hohem Risiko und ausgeprägter Metastasenlast sollten nur Sunitinib erhalten, jene mit gutem Performance-Status und geringer Metastasenlast können nephrektomiert und erst bei Progression einer Sunitinib-Therapie zugeführt werden.
Unbestritten erscheint dagegen nach wie vor die lokale Therapie von Metastasen eines Nierenzellkarzinoms. Neben der Metastasektomie sind in Abstimmung mit der individuellen Situation (Patienten- und Tumorcharakteristika) weniger invasive Verfahren wie stereotaktische Bestrahlung oder Radiofrequenzablation möglich. Offensichtlich sprechen nicht alle Tumorabsiedlungen in gleichem Maße auf die systemische Behandlung an, sodass die Lokaltherapie zur Tumorkontrolle beitragen kann.
Prospektive Studien zu diesem Thema fehlen zwar, zahlreiche retrospektive Analysen wie der systemische Review von Dabestani et al. belegen jedoch den Vorteil lokaler Interventionen.19 Metastasektomien sollten der Analyse zufolge im Idealfall komplett sein, da sie dann im Vergleich zu inkompletten oder fehlenden Resektionen Verbesserungen im Bereich von Überleben und Symptomkontrolle bedingen.