Eine onkologische Erkrankung betrifft die Menschen zumeist in allen Aspekten ihres beruflichen und privaten Lebens. Die häufig sehr einschränkenden Symptome, Funktionsstörungen und -defizite, die nicht nur durch die Krebskrankheit allein, sondern häufig zusätzlich durch Begleit- und Folgeerkrankungen, v. a. aber auch durch – für das Überleben unbedingt notwendige – onkologische Therapien (wie z. B. Operationen, Chemotherapien, Strahlentherapien, weitere, moderne onkologische wie u. a. Immuntherapien) mitbedingt werden, führen zu oft massiven Einschränkungen der Lebensqualität und Teilhabe.
Die onkologische Rehabilitation setzt bei den individuellen Funktionsstörungen und Defiziten der betroffenen Patienten an. Diese können allgemeiner Natur sein und bei praktisch allen onkologischen Erkrankungen auftreten (wie z. B. Fatigue bzw. Erschöpfungssyndrom, Einschränkungen von Kraft und Ausdauer, Dysthymie, Appetitlosigkeit etc.), sie können aber auch für die jeweilige Krebsart bzw. die betroffenen Organe und Organsysteme spezifisch sein (wie z. B. Inkontinenz, Störungen der Sexualfunktion, Schluckstörungen etc.). Dem in der Rehabilitation tätigen Facharzt stellt sich im Zusammenhang mit der Formulierung restaurativer, supportiver, präventiver (manchmal auch palliativer) Rehabilitationsziele die Aufgabe der Fokussierung auf die beim Patienten vorhandenen Funktionseinschränkungen und Symptome. Entsprechend diesen Funktionsdefiziten – physisch, mental, sozial –werden individuelle Rehabilitationsziele definiert und im Rehabilitationsprozess umgesetzt und zu erreichen versucht. Die onkologische Rehabilitation nützt die Ressourcen der Patienten, baut diese aus und zielt auf eine Verbesserung des funktionellen Status, der Lebensqualität und der Partizipation der Betroffenen ab.
Durch adäquaten Einsatz der Mittel soll die gezielte Nutzung der Maßnahme „Rehabilitation“ gewährleistet werden. Für die stationäre onkologische Rehabilitation gibt es in Österreich rund 640 Betten, die ambulante befindet sich weiterhin im Aufbau.
Die Säulen der onkologischen Rehabilitation umfassen:
Die Information mit Schulungen vermittelt Wissen und Kenntnisse über das Wesen der Erkrankung, diagnostische Maßnahmen, therapeutische Maßnahmen und die Notwendigkeit der langfristigen Umsetzung der Maßnahmen (Stichwort „Nachhaltigkeit“).
Die Psychoonkologie ist integraler Bestandteil der modernen Behandlung und Rehabilitation von Krebspatienten. Als interdisziplinäre Fachrichtung nutzt sie wissenschaftliche Kenntnisse und klinische Erfahrungen in der Prävention, Früherkennung, Diagnostik, Therapie, Rehabilitation bis zum palliativen Setting.
Die Diätologie und Ernährungstherapie fokussiert auf Ernährungsthemen wie unzureichende Nahrungsaufnahme, Einschränkung der körperlichen Aktivität und Mobilität, katabole und metabolische Veränderungen und systemische Inflammation. Sie zielt darauf ab, den Ernährungszustand, die körperliche Leistungsfähigkeit, den Stoffwechsel, die Verträglichkeit erforderlicher Therapien, die Lebensqualität sowie den Erkrankungsverlauf zu verbessern oder zumindest zu stabilisieren.
Die Maßnahmen aus der Physikalischen Medizin und Rehabilitation umfassen u. a. Medizinische Trainingstherapie, Physiotherapie, Ergotherapie, Applikation physikalischer Modalitäten etc. Die physikalischen Therapieserien sind – ausgeführt multiprofessionell und im interdisziplinären, schulmedizinischen Kontext – eine Hilfe bei Symptomen wie u. a. bei Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, Fatigue bzw. Erschöpfung, Kraftlosigkeit, mangelnder Ausdauer, Polyneuropathie, Ungeschicklichkeit, schlechter Balance und Koordination, Sturzneigung, Inkontinenz, sexuellen Funktionsstörungen, Traurigkeit und Depression, Abhängigkeit und Einschränkungen der Partizipation etc. Vor allem Bewegung und Training führen zur Mobilisation und zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit dekonditionierter Patienten, was zur Verbesserung der Lebensqualität, Stärkung des Selbstvertrauens sowie der Selbstkompetenz und zu einer höheren Selbstbestimmtheit durch eine gesteigerte berufliche und soziale Partizipation führt. Die gewonnene Unabhängigkeit (von fremder Hilfe) und der dadurch vermiedene oder reduzierte Pflegebedarf und -aufwand sparen Gesundheitsausgaben.
Rund 35 % aller Patienten mit einer Krebserkrankung erkranken in einem Alter zwischen 15 und 64 Jahren und die Reintegration ins Berufsleben, d. h. der „Return to work“, ist für viele dieser Patienten existentiell und psychosozial von großer Bedeutung, denn arbeitsfähig zu sein bedeutet letztlich finanzielle Sicherheit und die Aufrechterhaltung des Gefühls persönlicher Identität und Normalität sowie sozialer Beziehungen, weswegen auch die Motivation, am Arbeitsprozess (wieder oder weiter) teilzuhaben, entsprechend hoch ist. Rund zwei Drittel dieser Patienten können an den Arbeitsplatz zurückkehren. Krebspatienten haben im Vergleich zu gesunden Personen ein deutlich erhöhtes Risiko für Arbeitslosigkeit und auch eine deutlich geringere Chance, eine neue (oder andere) Arbeit zu finden. Gleichzeitig kann die Wiederaufnahme der Arbeit durch fördernde Faktoren, wie z. B. durch die Unterstützung durch Arbeitgeber, flexible Arbeitsbedingungen, Berufsberatungs- und Umschulungsmaßnahmen und auch durch berufliche Rehabilitationsmaßnahmen und -ansätze, gefördert werden. In Österreich ist z. B. am 1. 7. 2017 das Wiedereingliederungsteilzeitgesetz (WIETZ) in Kraft getreten, welches eine zusätzliche Erleichterung des Return to work ermöglichen soll. Die Eckpunkte des WIETZ umfassen u. a. mindestens 6 Wochen ununterbrochener Krankenstand („lange Krankheit“), mindestens 3 Monate im selben Beruf (Arbeitsverhältnis muss mindestens 3 Monate vor Antritt des langen Krankenstands ununterbrochen aufrecht gewesen sein), Patient und Arbeitgeber stimmen zu und haben sich von Fit2work beraten lassen oder Arbeitsmediziner oder arbeitsmedizinischer Dienst stimmt zu, Wiedereingliederungsgeld, Rückkehr in gleichen Beruf/Tätigkeit, Dauer 6–9 Monate, WIETZ ist kein Teilkrankenstand, d. h., nur voll arbeitsfähige Beschäftigte können die Wiedereingliederungsteilzeit in Anspruch nehmen (dzt. Lösung), Arbeitszeit kann innerhalb einer bestimmten Bandbreite reduziert werden – um mindestens 25 % und maximal bis 50 % (= Teilzeit von mindestens 50 %), Normalarbeitszeit muss mindestens 12 Wochenstunden betragen, Arbeitsentgelt muss über der Geringfügigkeitsgrenze liegen.
Wenngleich es natürlich auch Patienten gibt, die den Leistungsanforderungen im Beruf absehbar nicht mehr gerecht werden können, kehren immerhin fast zwei Drittel der Patienten mit einer Krebserkrankung (im arbeitsfähigen Alter) an ihren Arbeitsplatz zurück. Krebspatienten haben (bei gegebener adäquater körperlicher und mentaler Funktionsfähigkeit) eine hohe Motivation, am Arbeitsprozess teilzuhaben, d. h., die Arbeit während der Behandlung weiterzuführen oder wiederaufzunehmen. Die Wiederaufnahme der Arbeit kann durch krebs- und behandlungsbedingte körperliche und psychische, soziodemografische, arbeitsbezogene Faktoren entsprechend gefördert oder gehemmt werden. Die Identifikation spezifischer Risikofaktoren für die Wiederaufnahme der Arbeit weist neben einer eingeschränkten mentalen bzw. psychischen Funktionsfähigkeit v. a. auch auf körperliche bzw. funktionelle Funktionseinschränkungen sowie auf das Arbeitsklima als relevante (hemmende) Einflussfaktoren bzw. Risikofaktoren hin. In Bezug auf die berufliche Reintegration bzw. Verbesserung der beruflichen Teilhabe spielt die Fazilitierung fördernder Faktoren und die Überwindung hemmender Faktoren für die Wiederaufnahme der Arbeit eine zentrale Rolle. Beim Stichwort „Return to work“ ist also die Rehabilitation mit der Überwindung krebs- und behandlungsbedingter körperlicher und psychischer Funktionsdefizite durch ein gezieltes Nebenwirkungs- und Folgenmanagement ein höchst relevantes Thema.
An der Medizinischen Universität Wien gibt es bereits seit 20 Jahren eine Spezialambulanz für Onkologische Rehabilitation, welche an der Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin verortet ist. Eine gezielte Fokussierung auf die jeweils vorhandenen Symptome und Funktionsdefizite (allgemeine bzw. spezifische) erfolgt durch adäquate Diagnostik und individuelle Rezeptur entsprechender physikalischer und medikamentöser Therapien. Es erfolgt dann die Durchführung ambulanter Therapien sowie von Heimtherapien bzw. die Empfehlung und Verordnung einer stationären onkologischen Rehabilitation.
Ergänzend zu dieser Spezialambulanz gibt es seit 2010 – unter dem Schirm des Comprehensive Cancer Center (CCC) Vienna der Medizinischen Universität Wien am Universitätscampus des Allgemeinen Krankenhauses Wien – das in dieser Form bisher weltweit einzigartige CCC-Tumorboard für Onkologische Rehabilitation, in dem Patienten mit einem besonderen kardiovaskulären, orthopädischen oder neurologischen Risiko unter Einbringung der Expertise der Tumorboard-Teilnehmer diskutiert werden. Ziel der Implementierung dieses Tumorboards war eine Verbesserung der Versorgungsqualität bezüglich supportiver und rehabilitativer Therapien. Die im CCC-Tumorboard Onkologische Rehabilitation vorgestellten Patienten werden zunächst im interdisziplinären und multiprofessionellen Setting diskutiert, danach werden gemeinsam Tumorboard-Beschlüsse für den Ausschluss oder Beginn einer bzw. für das weitere Vorgehen in der Rehabilitation gefasst. In diesem Tumorboard geht es also einzig und allein um die Planung supportiver und rehabilitativer Maßnahmen und nicht um die Planung der onkologischen Behandlungsschritte. Es gibt eine besonders intensive Kooperation und einen regen Austausch mit den stationären onkologischen Rehabilitationszentren.
Seit Mai 2015 gibt es die CCC-Platform for Side effects-Management, Supportive Care & Rehabilitation (CCC-SMSCR). Diese Plattform nützt die vorhandenen Strukturen durch gezielte Vernetzung zum interdisziplinären und multiprofessionellen Management von Nebenwirkungen notwendiger onkologischer Therapien sowie zur supportiven Therapie und Rehabilitation onkologischer Patienten. Das Motto „Wissen vermehren – Wege verkürzen – Qualität verbessern“ weist auf die besonderen Ansprüche der gezielten Erforschung, Weitergabe in der Lehre sowie auf die kontinuierliche Verbesserung im Sinne einer exzellenten Patientenversorgung durch interdisziplinäre und multiprofessionelle Kooperation hin. Hier geht es u. a. um Themen wie Ernährungs- und Stoffwechselstörungen, Lymphödeme, Inkontinenz, sexuelle Funktionsstörungen, Schluckstörungen, Stimm- und Sprachstörungen, neurologische Funktionsstörungen, Schmerz und Polyneuropathie, dermatologische Funktionsstörungen und Symptome, mentale Funktionsstörungen, kognitive Funktionsstörungen, Erschöpfungssyndrom, Einschränkungen in den motorischen Grundeigenschaften, Schlafstörungen, Einschränkungen der Lebensqualität, Störungen der sozialen Teilhabe, Störungen der beruflichen Teilhabe etc. Auch im Rahmen dieser Plattform stellt die Zusammenarbeit mit den stationären onkologischen Rehabilitationszentren eine besonders wichtige, ergänzende Rolle dar.
Die onkologische Rehabilitation spielt im langfristigen Management von Krebspatienten eine wichtige Rolle und setzt hier direkt bei den Patienten und deren individuellen Defiziten und Ressourcen an und ist für Verbesserung und Erhalt des funktionellen Status, der Lebensqualität und der Partizipation der Patienten wesentlich. Im „Cancer survivorship“ spielen – nicht zuletzt aufgrund der wesentlich verbesserten, modernen onkologischen Therapien und Möglichkeiten – also die Themen Wiedereingliederung und „Return to work“ eine zunehmend wichtige Rolle für Patienten im arbeitsfähigen Alter.