Proteasomeninhibitor Bortezomib beim multiplen Myelom – Ein Update von adaptierten und aktualisierten Therapiekonzepten

Bortezomib-Erhaltungstherapie nach autologer Transplantation

Studie HOVON65/GMMG-HD4: Therapieziel jeder Induktionstherapie sollte das Erreichen einer hohen Rate an kompletten Remissionen nach erfolgter Transplantation sein. Die Induktionstherapie selbst sollte aus einer limitierten Anzahl an Therapiezyklen bestehen. In der Sonntag-Nachmittag- Myelomsitzung wurden von Prof. Pieter Sonneveld, Rotterdam, die Ergebnisse der randomisierten Phase-III-Studie, des so genannten „HOVON65/GMMGHD4“- Trial, vorgestellt1. Verglichen wurden hier zwei Induktionstherapien (je 3 Therapiezyklen) gefolgt von einer Hochdosistherapie mit anschließender Transplantation sowie einer anschließenden Erhaltungstherapie. Patienten wurden entweder in den Studienarm A: Standard VAD-Arm, oder in Studienarm B: Bortezomib+ Doxorubicin+Dexamethason randomisiert. Die Erhaltungstherapie im Studienarm A bestand aus 50 mg Thalidomid täglich für die Dauer von 2 Jahren, im Studienarm B wurde Bortezomib 1,3 mg/m2 KO alle 2 Wochen für 2 Jahre verabreicht. Primärer Studienendpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS); sekundäre Studienendpunkte waren das Ansprechen nach Induktionstherapie, das Gesamtansprechen ab Randomisierung und die Toxizität.

Ergebnisse: Im Zuge des ASH-Meetings wurden die Ergebnisse der ersten 615 randomisierten Patienten berichtet: Bezogen auf den primären Studienendpunkt, das progressionsfreie Überleben, besteht eine signifikante Überlegenheit im Bortezomib-Studienarm, dies bezieht sich sowohl auf die Induktions- als auch auf die Erhaltungstherapie. Im Studienarm B war auch das Gesamtüberleben signifikant besser. Die Rate an kompletten/ nahezu kompletten Remissionen war in jeder Studienphase höher als jene im Studienarm A (Tab. 1).

Vorteil hinsichtlich Gesamtüberlebens: Die Bortezomib-basierte Therapie verbesserte das progressionsfreie Überleben (median 36 Monate vs. 27 Monate) sowie das Gesamtüberleben (median bis dato noch nicht erreicht) bei neu diagnos – tizierten Myelompatienten, die sich einer Hochdosistherapie + Transplantation unterzogen. Die Erhaltungstherapie mit Bortezomib wurde gut vertragen und führte zu weiteren Ansprechraten (inklusive CR/nCR). 47 % der Patienten im Studienarm B mit Erhaltungstherapie schieden aufgrund von Nebenwirkungen, Krankheitsprogression oder anderen Gründen aus der Studie aus; im Er – haltungsarm A mit Thalidomid waren dies 64 %. Die Bortezomib-Behandlung konnte Risikofaktoren wie erhöhtes Kreatinin (> 2 g/DL) sowie die Deletion 13q überwinden.

Adaptiere Therapiekonzepte für den älteren Myelompatienten

Für Myelompatienten, die nicht für eine Hochdosistherapie mit anschließender Transplantation geeignet sind, steht oft – bedingt durch das erhöhte Alter sowie aufgrund von Komorbiditäten – nur eine limitierte Anzahl an Therapieoptionen zur Verfügung. Diese Patientenpopulation hat oft eine schlechtere Prognose mit einer kürzeren Zeit bis zur Krankheitsprogression (TTP), einem kürzeren progressionsfreiem Überleben (PFS) sowie Gesamtüberleben. Bezogen auf das Therapieziel dieser Patientenpopula tion gilt es zwischen maximalem Ansprechen oder Krankheitsstabilisierung unter Berücksichtigung der bestehenden Komorbiditäten sowie therapiebedingten Nebenwirkungen abzuwägen, so Prof. Antonio Palumbo, Turin. Vor diesem Hintergrund konzipierte die italienische GIMEMA-Gruppe eine Studie, die speziell auf den älteren Frontline- Myelompatienten zugeschnitten war2.

  • Studienarm A: 9 Zyklen VMPT (Bortezomib/Melphalan/Prednisolon/ Thalidomid) → VT (Bortezomib/ Thalidomid). Im Anschluss an die 9 Therapiezyklen wurde zusätzlich Borte zomib (appliziert an den Tagen 1,15) + Thalidomid (50 mg täglich) als Erhaltungstherapie verabreicht.
  • Studienarm B: 9 Zyklen VMP (Bortezomib/Melphalan/Prednisolon)

Bedingt durch ein Studien-Amendement wurde die Bortezomib-Applikation auf eine wöchentliche Gabe reduziert. Diese Dosismodifikation führte zu einer deutlichen Abnahme an peripheren Neuropathien (1/3 weniger als im zweimal wöchentlichen Therapiemodus), die Effizienz der Substanz wurde allerdings aufgrund der gleich bleibenden Anzahl an Bortezomib-Dosierungen nicht beeinträchtigt. Die Tabelle 2 vergleicht wichtige Parameter der VISTA-Studie3 (2-mal wöchentliche Bortezomib-Gabe) mit der zweiwöchent – lichen Therapie bzw. mit den dosis – adaptierten GIMEMA-Trials (wöchent – liche Bortezomib-Applikation).

Ergebnisse zur Erhaltungstherapie

Nach einem medianen Follow-up von 32 Monaten liegt das 3-Jahres-progressionsfreie Überleben bei 51 % (VMPT+ VT-Erhaltungstherapie) vs. 32 % (VMP). Zum aktuellen Zeitpunkt beträgt das progressionsfreie Überleben 37,2 vs. 27,4 Monate. Die mediane Zeit bis zur nächsten Therapie wurde im Erhaltungstherapie- Arm noch nicht erreicht und liegt im VMP-Arm aktuell bei 37,6 Monaten. Als prognostische Faktoren wurden Ansprechen, Alter, ISS sowie das Vorhandensein von zytogenetischen Aberrationen ermittelt.

Eine Landmark-Analyse ab dem Zeitpunkt, zu dem mit der Erhaltungstherapie begonnen wurde (Dauer der Erhaltungstherapie: 18 Monate), zeigt eine Reduktion des Progressionsrisikos um 52 %. Dieser Erfolg war unabhängig vom vorangegangenen Therapieansprechen (CR oder PR) und gilt für Patienten im Alter < 75 Jahre.
Der Studienarm A mit Erhaltungstherapie war dem Studienarm B (Bortezomib/ Melphalan/Prednisolon) hinsichtlich folgender Parameter eindeutig überlegen:

  •  verbesserte Ansprechraten
  • Reduktion des Progressionsrisikos
  • verlängerte Zeit bis zur nächsten Therapie

Die Ansprechraten sind, so Prof. Palumbo, nun bereits mit jenen nach erfolgter Induktionstherapie beim jüngeren Myelompatienten vergleichbar (Tab. 3). Eine verlängerte Therapiedauer sowie die additive Gabe einer Erhaltungstherapie führen somit auch beim älteren Myelompatienten (< 75 Jahre) zu einem verlängerten progressionsfreien Überleben. Bei Patienten > 75 Jahren empfiehlt Prof. Palumbo dosisadaptierte Therapiekonzepte, um die Anzahl der therapiebedingten Nebenwirkungen und der daraus resultierenden Therapieabbrüche möglichst gering zu halten.

FACT-BOX

  • Eine Bortezomib-haltige Induktions-/Erhaltungstherapie ist dem alten Therapiestandard eindeutig überlegen.
  • Das Gesamtüberleben wird mit einer Bortezomib-haltigen Induktions- bzw. Erhaltungstherapie signifikant verlängert.
  • Eine Dosismodifikation von Bortezomib (wöchentliche Gabe) führt beim älteren Myelompatienten zu einer Verringerung von peripheren Neuropathien um ca. 30 %.
  • Die kumulativ applizierte Bortezomib-Dosis war bei Patienten mit wöchentlicher Bortezomib-Gabe gleich hoch wie im 2-mal wöchentlichen Therapieschema.
  • Auch beim älteren Myelompatienten ist eine Bortezomib-Erhaltungstherapie (appliziert 2-mal monatlich) mit einem verlängerten progressionsfreien Überleben assoziiert.
  • Ansprechraten des VMPT-VT-Erhaltungs therapie-Schemas waren bei älteren Myelompatienten mit jenen nach einer Hochdosistherapie vergleichbar.

 

 

Quelle:

52. Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH),
4.–7. Dezember 2010, Orlando, USA

1 Sonneveld P et al., HOVON-65/GMMG-HD4, randomized phase III trial comparing bortezomib, doxorubicin, dexamethasone (PAD) vs VAD followed by high-dose melphalan (HDM) and maintenance with bortezomib or thalidomide in patients with newly diagnosed multiple myeloma (MM). ASH 2010; Abstract #40
2 Palumbo A et al., Bortezomib, melphalan, prednisone and thalidomide followed by maintenance with bortezomib and thalidomide (VMPT-VT) for initial treatment of elderly multiple myeloma patients: updated follow-up and impact of prognostic factors. ASH 2010; Abstract #620
3 San Miguel JF et al., Updated follow-up and results of subsequent therapy in the phase III VISTA trial: bortezomib plus melphalan-prednisone versus melphalan-prednisone in newly diagnosed multiple myeloma. ASH 2008; Abstract #650