Hintergrund der ESMO-Initiative ist ein Vorstoß der Europäischen Kommission, EU-Länder zu einer zügigeren Vorgehensweise zu verpflichten: Preis- und Erstattungsregelungen sollen bei innovativen Medikamenten innerhalb von 120 Tagen nach der Zulassung abgeschlossen sein, bei Generika innerhalb von 30 Tagen. Die EU-weit unterschiedlichen Zeithorizonte ergeben sich mit dem Aufkommen neuer Preisgestaltungs- und Rückerstattungsmodalitäten und nicht zuletzt als Folge neuer Entwicklungen wie der „personalisierten“ Medizin, weil es hier zu einer engen Anbindung von Medizinprodukten (z. B. diagnostische In-vitro-Tests) an das jeweilige Medikament kommt, was wieder neue Kosten-Nutzen-Bewertungen in Gang setzt. Die Europäische Kommission legt ihrem Arbeitspapier folgende Zahlen als Status quo zugrunde: So soll die forschende Industrie in den unterschiedlich langen Zeiträumen bis zum Verhandlungsabschluss mit den Ländern pro Medikament zwischen 35–100 Millionen Euro verlieren. Wohlfahrtsverluste für Patienten sollen aus volkswirtschaftlicher Sicht bis zu 970 Millionen Euro/Land/Jahr betragen. Nicht klar ist, ob sich einzelne Länder mit einer späteren Verfügbarkeit innovativer Substanzen wirklich Geld sparen, nachdem nichtpharmazeutische Ausgaben höher sein können als die Verschreibung eines neuen Medikaments. Umfragen unter den Mitgliedstaaten haben ergeben, dass die neuen Zeitlimits am besten mit „weichen Gesetzen“ untermauert werden sollen. Begrüßt wird z. B. die automatische Aufnahme eines Medikaments in die Erstattungsliste, wenn ein vorgegebener Zeitrahmen überschritten wurde, weil damit eine bessere Planbarkeit für den Hersteller gewährleistet wäre. „Harte Gesetze“ wie etwa gerichtlich angeordnete Strafzahlungen bei Überschreiten der vorgegebenen Zeitlimits sollten eher ausbleiben, weil hierdurch entstehende zusätzliche Kosten je nach Finanzkraft eines Landes und je nach Organisation des Gesundheitssystems auf den Patienten abgewälzt werden könnten. Vieles davon ist im Fluss, ganz deutlich werden aber zugkräftige Hebel in Bewegung gesetzt. Wie erwähnt, soll der Vorstoß auch dazu führen, dass neue medizinische Entwicklungen wie die personalisierte Medizin im Finanzierungs- und Rückerstattungskontext adäquat abgebildet werden. Pharmakogenomische Technologien werden in Zukunft eine wesentlich stärkere Rolle spielen. Dort, wo die personalisierte Medizin an diagnostische In-vitro-Tests gekoppelt ist, müssen sowohl Testsysteme als auch Therapien verfügbar gemacht werden. Dabei zeigen Berechnungen aus Japan, dass die Implementierung der KRAS-Testung bei selektionierten Patienten dem Gesundheitssystem jährlich über 50 Millionen Dollar an Kosten spart (verglichen mit dem unselektionierten Einsatz einer EGFR-Therapie, der medizinisch auch nicht vertretbar ist). Während heute noch weniger als 10 % des medizinischen Portfolios wirklich der personalisierten Medizin entsprechen, könnte sich der Anteil nach Schätzungen der EU-Kommission bis zum Jahr 2014 auf 50 % erhöhen und kontinuierlich weiter steigen. Für die USA liegen Prognosen vor, wonach der Markt für personalisierte Medizin im Jahr 2015 zwischen 340 und 450 Milliarden Dollar betragen soll, wovon etwa ein Zehntel auf zielgerichtete Therapien und diagnostische Tests entfällt.
Quelle: ESMO: http://www.esmo.org, Vorschlag der Europäischen Kommission: ec.europa.eu/enterprise/sectors/healthcare/competitiveness/pricing-reimbursement/transparency/index_en.htm