Der Risikofaktor „Tabakrauchen“ für die Entstehung eines Bronchialkarzinoms ist seit vielen Jahrzehnten bekannt. Bereits in den 60er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde in mehreren Studien untersucht, ob durch regelmäßigen Einsatz des Thoraxröntgen „frühe“, asymptomatische Bronchialkarzinome bei Rauchern entdeckt werden können und ob dieses Screening die Mortalität des Bronchialkarzinoms senken kann. Die Ergebnisse zeigten, dass mit einem regelmäßigen Thoraxröntgen zwar einige asymptomatische Bronchialkarzinome gefunden werden, es konnte damit jedoch keine Verbesserung der Mortalität nachgewiesen werden, auch nicht durch die Kombination des Thoraxröntgens mit einer Sputumzytologie.
Mit dem Einsatz der Spiral-CT, der Weiterentwicklung zur Multidetektor-Spiral-CT und der Entwicklung der „Niedrigdosis“-CT („low-dose“, LD-CT) konnte in zahlreichen Studien seit den 1990er-Jahren gezeigt werden, dass durch ein Screening mit den neueren CT-Technologien bei einer Personengruppe mit hoher Vortestwahrscheinlichkeit für ein Bronchialkarzinom (starke Raucher, höheres Alter) in 0,4–2,7 % der untersuchten Personen Bronchialkarzinome gefunden werden, überwiegend in einem niedrigen Tumorstadium. Erste Ergebnisse wurden durch weitere Studien bestätigt, doch der wesentliche positive Effekt eines Bronchialkarzinom-Screenings, nämlich die Senkung der Mortalität, konnte ähnlich wie in den frühen Studien mit Einsatz des Thoraxröntgens nicht erbracht werden.
Es wurden daher weltweit mehrere große Studien begonnen, um an repräsentativen, randomisierten Populationen eine Senkung der Mortalität durch ein regelmäßiges CT-Screening nachweisen zu können. Im Jahr 2011 wurden die vorläufigen Ergebnisse der ersten dieser noch laufenden Studien publiziert, nämlich des „National Lung Screening Trials“ (NLST). In der Studie konnte eine relative Senkung der Mortalität an Bronchialkarzinomen in der CT-Gruppe (LD-CT jährlich über 3 Jahre) um 20 % gegenüber einer Kontrollgruppe (insgesamt 3 Screening-Zyklen mit Thoraxröntgen im einjährigen Abstand) gezeigt werden. Einschlusskriteren dieser Studie waren Personen zwischen 55 und 74 Jahren mit &re; 30 pack years und keine Zigarettenabstinenz für mehr als 15 Jahre. Als positiv in der LD-CT wurde jeder nicht verkalkte, suspekte Rundherd &re; 4 mm gewertet.
Diese Ergebnisse haben ein hohes Interesse in medizinischen Fachkreisen, aber auch in der Laienpresse nach sich gezogen und die Frage aufgeworfen, ob man bereits jetzt eine Empfehlung abgeben soll, dass Raucherinnen und Raucher einer bestimmten Altersgruppe und Raucheranamnese regelmäßig mit LD-CT untersucht werden. Auch die wissenschaftlichen Fachgesellschaften der Österreichischen Radiologie (ÖRG) und der Österreichischen Pneumologie (ÖGP) arbeiten derzeit an einem Konsensuspapier, um eine österreichweite Empfehlungen auszusprechen. Derzeit gibt es aber noch offene Fragen, deren Klärung in den nächsten Jahren zu erwarten ist. Die wesentlichen Fragen sind:
1. Welche Personen sollen gescreent werden? Die Auswahl der Personengruppe (hohe Vortestwahrscheinlichkeit für ein Bronchialkarzinom) ist ein wesentlicher Faktor für die Effektivität des Screenings. Derzeit herrscht Einigkeit darin, dass ein höheres Alter (> 55 Jahre, &re; 30 pack years) ähnlich wie im NLST (National Lung Screening Trial) zu fordern ist. Weitere Risikofaktoren für ein Bronchialkarzinom, wie z. B. berufliche Asbestexposition sind sinnvollerweise zu berücksichtigen.
2. Dauer des Screenings und der LD-CT-Intervalle? In den meisten publizierten Studien war das LD-CT-Screening-Intervall einjährig, der Zeitraum erstreckte sich zwischen 3 und 10 Jahre. Prinzipiell ist unklar, ob das einjährige Untersuchungsintervall sinnvoll ist und wie lange das Screening durchgeführt werden soll. Diese Fragen werden erst durch weitere Studien zu beantworten sein.
3. Weitere Abklärung der mit LD-CT detektierten Rundherde? Die NLST-Studie wurde 2002 begonnen, in der Zwischenzeit gab es eine massive Weiterentwicklung der CT-Technik, wobei vor allem die Möglichkeit der softwareunterstützten Volumetrie (Volumen in mm3 statt Durchmesser in mm) dieser kleinen Rundherde in den Vordergrund gerückt ist. In der NLST-Studie wurden 24,2 % der gescreenten Personen irgendwann im Verlauf des Screenings als „positiv“ (= mit Rundherd) gewertet. Nach heutigem Wissenstand ist eine rasche, CT-volumetrische Abklärung dieser gefundenen Rundherde (LD-CT-Kontrolle in 3 Monaten) ein sehr sinnvolles Tool, um Personen, die durch Detektion eines Rundherdes zu „Patienten“ geworden sind (im eigentlichen Sinn des Wortes) Jahre der Unsicherheit zu ersparen. Durch Berechnung des Tumorvolumens, damit der Tumorverdoppelungszeit und der Berechnung der Rundherdmasse ist es möglich, rasch eine verlässliche Aussage zur Wahrscheinlichkeit der Malignität oder Benignität eines kleinen Rundherdes zu erhalten. Zusätzliche Aspekte ergeben sich aus der neuen pathologischen Klassifikation bronchialer Adenokarzinome. Aus radiologischer Sicht sind diese vor allem durch eine „neue“ Rundherdmorphologie gekennzeichnet, nämlich durch milchglasartige oder teilsolide Rundherde, deren malignes Potenzial im Vergleich zu soliden, weichteildichten Rundherden geringer ist. Eine Empfehlung der renommierten Fleischner Society zum Management dieser kleinen milchglasartigen und teilsoliden Rundherde ist aktuell zur Publikation eingereicht. Die weitere Abklärung suspekter Rundherde sollte interdisziplinär an einem spezialisierten Zentrum erfolgen.
4. Ökonomische Aspekte: Die Fragen der Ökonomie sind nur in Kenntnis des Struktur des jeweiligen Gesundheitssystems zu beantworten und derzeit völlig offen.
5. Psychische Belastung durch Screening? Wesentliche Aspekte hat hier zweifellos die entsprechende Aufklärung von Personen, die sich einem Screening unterziehen, wobei vor allem der Aspekt der Detektion nichtmaligner Rundherde wichtig ist. Ähnlich wie beim Mammakarzinom-Screening ist auch hier eine möglichst geringe Zahl unklarer Befunde und eine baldige definitive Abklärung suspekter Lungenrundherde eine Voraussetzung für eine hohe Akzeptanz.
6. Strahlenschutz? Hier ist anzumerken, dass im Vergleich zu den bislang publizierten Studien heute schon eine weitere Reduktion der Strahlenbelastung durch neue CT-Rekonstruktionsalgorithmen Standard ist, trotzdem ist das Risiko stochastischer Wirkungen wiederholter LD-CT-Untersuchungen dem erwarteten Nutzen gegenüberzustellen.
Zusammenfassung: Es gibt erste, ermutigende Daten (NLST), dass durch ein jährliches, über 3 Jahre dauerndes Screening mit LD-CT die Mortalität am Bronchialkarzinom bei einer Gruppe von rauchenden und ex-rauchenden Personen (> 55 Jahre, &re; 30 pack years) signifikant um 20 % (gegenüber einer Kontrollgruppe mit Thoraxröntgen-Screening) gesenkt werden kann. Aufgrund mehrerer ungeklärter Fragen besteht derzeit Konsens in wissenschaftlichen Fachgesellschaften, dass ein systemisiertes und auch von den Sozialversicherungsträgern finanziertes Screening derzeit nicht empfohlen werden kann.
Auf individueller Basis ist jedoch der Wunsch von Personen mit einem hohen Erkrankungsrisiko am Bronchialkarzinom nach einer LD-CT-Früherkennung zu akzeptieren. Diese Früherkennung mit LD-CT sollte nach dem von ÖRG und ÖGP ausgearbeiteten und bald publizierten Kriterien erfolgen, wobei insbesondere die Möglichkeit der volumetrischen Erfassung der Rundherde eine wesentliche Rolle spielt. Letztendlich ist sicherzustellen, dass das weitere Management von Personen, die sich einer LD-CT-Früherkennung unterziehen und positiv gewertet werden, in einem interdisziplinären, spezialisierten Team erfolgt.