Durch frühe Diagnosestellung und moderne Therapiestrategien sind die Heilungschancen bei einer Reihe von Krebserkrankungen, die typischerweise im jungen Alter auftreten, inzwischen ausgezeichnet. Damit steht für die betroffenen jungen Frauen nun nicht mehr ausschließlich das Überleben im Vordergrund, sondern auch die Frage nach Nebenwirkungen und Folgeschäden der Krebsbehandlung. Dies gilt insbesondere für das Auftreten von Wechselbeschwerden und Osteoporose, beinhaltet aber auch die Frage einer späteren Schwangerschaft. Im nachfolgenden Artikel werden spezielle Fragestellungen in der Krebstherapie bei jungen Frauen behandelt und Therapiemöglichkeiten aufgezeigt.
Krebs gilt auch heute noch typischerweise als eine Erkrankung des höheren Lebensalters. Allerdings können Leukämien und Lymphome bereits in der Kindheit auftreten, und Melanome, bösartige Hirntumoren sowie Ovarialkarzinome werden häufig bereits im mittleren Alter diagnostiziert. Man schätzt, dass beinahe die Hälfte der invasiven Zervixkarzinome noch vor dem 45. Lebensjahr auftreten, und schließlich ist ein stetig zunehmender Anteil jener insgesamt 5.000 Frauen, die in Österreich jährlich neu an Brustkrebs erkranken, noch nicht einmal 35 Jahre alt. Somit wird die Erkrankung bei einer Reihe von jungen Frauen während der fruchtbaren Jahre, häufig sogar noch vor der abgeschlossenen Familienplanung diagnostiziert.
Inzwischen sind die Heilungschancen bei vielen Krebserkrankungen, die typischerweise im jungen Alter auftreten, allerdings so gut, dass Patientinnen heute oft ebenso lange leben wie nicht betroffene Gleichaltrige. Das mag unter anderem damit zu tun haben, dass bei jüngeren Frauen die Krebserkrankung zumeist die einzige schwere Erkrankung darstellt und kardiovaskuläre, hepatische oder renale Komorbiditäten zumeist noch keine Rolle spielen. Die Einführung von risikoadaptierten Früherkennungsschemata bei erblichem Brust- und Eierstockkrebs sowie die Etablierung von Krebsvorsorgemaßnahmen wie der Pap-Abstrich zur Erkennung von präinvasiven Läsionen haben außerdem dazu geführt, dass Tumoren bei jungen Frauen heute meistens so früh entdeckt und behandelt werden können, dass häufig auch ein normales und rückfallfreies Leben nach der Behandlung möglich ist. Dadurch steht für betroffene junge Frauen inzwischen nicht mehr ausschließlich das Überleben im Vordergrund, sondern auch die Frage nach Nebenwirkungen und Folgeschäden der Krebsbehandlung, insbesondere in Hinblick auf das spätere Auftreten einer Osteoporose oder die Möglichkeit einer späteren Schwangerschaft.
Der Einsatz moderner endokriner Therapiestrategien und die chemotherapieassoziierte Schädigung funktioneller Follikel im Ovar führen zu einer prolongierten, in vielen Fällen auch permanenten Suppression systemischer Östrogene. Damit verbundenen sind Hitzewallungen und Schweißausbrüche, aber auch urogenitale Symptome wie Scheidentrockenheit und sexuelle Dysfunktion, welche die Lebensqualität betroffener Frauen nachhaltig beeinträchtigen können. Wechselbeschwerden treten gerade bei jüngeren Frauen typischerweise besonders rasch und massiv ein und werden von Betroffenen zumeist als äußerst unangenehm wahrgenommen. Sie sind insbesondere bei adjuvanten endokrinen Therapien ein häufiger Abbruchgrund. Zwar könnten Wechselbeschwerden durch eine Hormonersatztherapie (HT) wirksam behandelt werden, allerdings gibt es gerade bei Brustkrebspatientinnen eine Reihe von theoretischen Überlegungen und klinischen Daten, die dieser Behandlung entgegenstehen. So konnte die schwedische HABITS-Studie (Hormonal replacement therapy after breast cancer – is it safe?) bereits vor mehreren Jahren in einem prospektiv randomisierten Design aufzeigen, dass Brustkrebspatientinnen unter HT im Vergleich zu Patientinnen ohne HT-Einnahme ein mehr als doppelt so hohes Rezidivrisiko aufwiesen. Das Risiko war erwartungsgemäß insbesondere bei rezeptorpositiven Tumoren erhöht.1 Auch Tibolon (Livial®), das aufgrund von Rezeptorspezifität und Bioverfügbarkeit ein besonders günstiges Wirkprofil zu haben schien und lange Zeit gerade bei jungen Frauen als Mittel der Wahl zur Behandlung von therapieresistenten Wechselbeschwerden galt, führte in der prospektiv an 1.556 Frauen mit frühem Brustkrebs durchgeführten LIBERATE-Studie (Livial intervention following breast cancer; efficacy, recurrence, and tolerability endpoints) im Vergleich zur Kontrollpopulation zu einer signifikanten Erhöhung des Rezidivrisikos (HR 1,40; 95%-KI 1,14 bis 1,70; p = 0,001)2. Hormonersatztherapie, obwohl äußerst wirksam, kann daher nur nach einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Analyse und nach Ausschöpfen aller nichthormonellen Therapieoptionen bei selektierten Patientinnen angewendet werden.
Alternativen zur Hormonersatztherapie: Die wahrscheinlich am besten untersuchte Gruppe von nichthormonellen Substanzen sind selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), also Antidepressiva wie Venlafaxin, Citalopram oder Fluoxetin. Sie wiesen in einer kürzlich durchgeführten Metaanalyse placebokontrollierter Studien eine klare Überlegenheit auf – insbesondere Venlafaxin scheint besonders wirksam zu sein. Allerdings sind SSRI potente Inhibitoren des CYP2D6-Enzyms und können damit die Metabolisierung von Tamoxifen zum aktiven Endoxifen hemmen. Eine wirksame Alternative stellt Gabapentin, ein Gamma-Aminobuttersäure-Analog (GABA) dar, das in einer Reihe von neurologischen und psychiatrischen Indikationen eingesetzt wird. Obwohl der Wirkmechanismus bis heute nicht geklärt ist, führt Gabapentin in einer Dosis von 900 mg/Tag zu einer deutlichen Verbesserung von Wechselbeschwerden und zu einer Verbesserung der Schlafqualität.
Komplementärmedizinische Behandlungsoptionen zeigen insbesondere bei der Behandlung von Hitzewallungen erstaunliche Resultate. So konnte in einer 12-wöchigen direkten Vergleichsstudie zwischen Akupunktur und Venlafaxin ein identer Behandlungserfolg gefunden werden. Nach abgeschlossener Therapie gaben allerdings Frauen unter Venlafaxin ein früheres Wiederkehren von Hitzewallungen an als Frauen im Akupunkturarm. Während Nebenwirkungen ausschließlich im Venlafaxin-Arm auftreten, gaben Frauen nach der Akupunktur eine signifikante Verbesserung von Libido und allgemeiner Befindlichkeit an.
Vaginaltrockenheit tritt in etwa 20 % von endokrin behandelten Frauen auf und geht häufig mit Dyspareunie und konsekutivem Libidoverlust einher. Während lokale nichthormonelle Vaginalgels (Replens®, Cikatridina®) im Vergleich zu Placebo keine Beschwerdebesserung bewirken, kann mit einer lokalen Östrogentherapie mittels Östriol (Ovestin®) oder Östradiol (Estring®-Vaginalring) bzw. mittels einer lokal applizierten 1-%-Testosteronsalbe ein nachweisbarer Therapieeffekt erzielt werden. Allerdings führte die lokale Östrogenapplikation in einigen Studien zu einer signifikanten Erhöhung von Östradiol-Plasmakonzentrationen, und es sind noch weitere Studien notwendig, um eine mögliche Erhöhung des Rezidivrisikos auszuschließen.
Der therapieassoziierte Abfall systemischer Östrogenkonzentrationen führt auch zu einer Reihe von weiteren Folgeschäden. Diese betreffen insbesondere den Knochenstoffwechsel und manifestieren sich in einer Abnahme von Knochenmasse und einem konsekutiven Anstieg des Frakturrisikos. Interessanterweise scheinen Chemotherapien neben der therapieassoziierten Hormondepletion aber auch einen direkten resorptiven Effekt zu besitzen: Prämenopausale Frauen, die sich aufgrund einer malignen Erkrankung einer Chemotherapie unterziehen, verlieren alleine innerhalb des ersten Jahres nach Behandlungsbeginn etwa 7 % ihrer Knochenmasse. Die Rate, mit der die Knochendichte nach einer systemischen Therapie abfällt, hängt von der verwendeten Chemotherapie ab, ist allerdings im Vergleich zur natürlichen Menopause in jedem Falle deutlich beschleunigt. Dies konnte bereits vor Jahren in einer britischen Studie gezeigt werden, die im Vergleich zu einer Referenzpopulation von gesunden Frauen vergleichbaren Alters einen mehr als 4-fachen Anstieg in der Inzidenz von vertebralen Frakturen innerhalb des ersten Jahres nach Auftreten einer Krebserkrankung demonstrierte.3
Frauen, die im Rahmen ihrer Krebsbehandlung eine Amenorrhö erleiden, sollten daher in regelmäßigen Abständen eine Knochendichtemessung durchführen lassen und besonderen Wert auf regelmäßige sportliche Aktivitäten sowie auf eine tägliche Kalzium- und Vitamin-D-Supplementation legen. Brustkrebspatientinnen, deren Knochendichtewerte einen Z-Score < –2,0 aufweisen und Frauen, die bei Z-Score-Werten von ≤ –1,0 einen jährlichen Verlust von zumindest 5–10 % ihrer Knochendichtewerte aufweisen, sollten – sofern keine Kontraindikationen vorliegen – zusätzlich mit einer Bisphosphonattherapie beginnen. In den letzten Jahren konnten nämlich gleich mehrere Studien einen klaren Benefit der antiresorptiven Therapie im Hinblick auf den Erhalt von Knochendichte sowohl bei prä- als auch bei postmenopausalen Frauen mit frühem Mammakarzinom nachweisen. Es gibt inzwischen mit den Ergebnissen der österreichischen ABCSG-12-Studie auch überzeugende Daten, die durch den adjuvanten Einsatz des i. v. Bisphosphonats Zoledronat einen direkten Antitumoreffekt bei prämenopausalen, endokrin therapierten Frauen belegen. Eine derzeit laufende Studie (ABCSG 18) untersucht, ob eine adjuvant verabreichte Anti-RANK-Ligand-Antikörper-basierte Therapie mit Denosumab (Prolia®) ein vergleichbar günstiges Wirkprofil aufweist. In jedem Fall sollten Frauen, die sich einer systemischen Krebstherapie unterziehen, noch vor Behandlungsbeginn ausführlich über die Problematik der therapieassoziierten Osteoporose und über mögliche Therapieoptionen aufgeklärt werden.
Unter den therapieassoziierten Nebenwirkungen nimmt die Sorge um die eigene Fertilität bei jungen Frauen mit einer Krebserkrankung einen besonderen Platz ein. So muss ein individueller Behandlungsplan bereits vor Therapiebeginn die Überlegungen einer Patientin hinsichtlich eines möglichen Kinderwunsches berücksichtigen. Naturgemäß determinieren Krankheitsstadium und biologische Eigenschaften für gewöhnlich die Therapie, allerdings sind nach ausführlicher Aufklärung der Patientin auch gemeinsam getragene Abweichungen von standardisierten Behandlungsprotokollen möglich und ethisch gerechtfertigt. So kann im frühen Krankheitsstadium der Beginn einer systemischen Therapie beispielsweise verzögert werden, um eine hormonelle Follikelstimulation zu ermöglichen. Die anschließend mittels Punktion gewonnenen Oozyten können entweder direkt oder nach Durchführung einer IVF als Zygote kryokonserviert werden. In beiden Fällen kommt es zu einer Behandlungsverzögerung von etwa einem Monat. Nach Beendigung der systemischen Therapie und entsprechenden Latenzzeit kann dann ein Embryotransfer durchgeführt werden.4 Die für die Aufrechterhaltung einer Schwangerschaft in der Folge notwendigen endogenen bzw. exogenen systemischen Hormonkonzentrationen stellen im Prinzip zwar ein für Tumorwachstum günstiges Umfeld dar, allerdings konnte das Eintreten einer Schwangerschaft bis heute noch nicht mit einer ungünstigen Prognose assoziiert werden. Bislang vorliegende retrospektive Daten deuten im Gegensatz dazu eher auf einen protektiven Effekt einer Schwangerschaft in Hinblick auf Rezidiv- und Überlebenswahrscheinlichkeit hin, allerdings scheinen sich eher jene Frauen für eine Schwangerschaft zu entscheiden, die a priori aufgrund ihrer tumorbiologischen Eigenschaften eine günstigere Prognose besitzen („healthy mother bias“). Eine nichthormonelle Methode des Fertilitätserhalts stellt die laparoskopische Entfernung des Ovars dar, das anschließend disseziert und in kortikalen Streifen kryopräserviert werden kann. Eine Voraussetzung ist allerdings die Krankheitsfreiheit des später rückzutransplantierenden Ovarialgewebes, was insbesondere bei BRCA-Mutationsträgerinnen und bei Frauen, die an einer Leukämie erkrankt sind, eine technische Herausforderung darstellt. Aufgrund des weiterhin experimentellen Aspekts dieser Technik können bislang noch keine konklusiven Aussagen hinsichtlich der onkologischen Sicherheit des Verfahrens getroffen werden, allerdings konnten auf diesem Weg bereits in einigen Fällen von Brustkrebs erfolgreiche Schwangerschaften initiiert werden.
Alternativ zur Ovariektomie können Oozyten auch ohne vorausgehende hormonelle Stimulation in der 2. Zyklusphase mittels Aspiration gewonnen und in vitro maturiert werden, bevor sie ebenfalls direkt oder über den Umweg einer IVF kryopräserviert werden. Derzeit gibt es auch erste Versuche in Hinblick auf eine Isolation von immaturen Follikeln aus kryopräserviertem Ovarialgewebe, die anschließend in vitro maturiert und einer IVF zugeführt werden können. Diese Technik würde die Notwendigkeit einer hormonellen Stimulation sowie das Vorhandensein eines Partners als Voraussetzung für eine erfolgreiche IVF obsolet machen und wäre insbesondere bei Mädchen und jungen Frauen eine elegante und sichere Methode des Fertilitätserhalts.5
Operative Voraussetzungen für einen Fertilitätserhalt bei gynäkologischen Malignomen: Gynäkologische Malignome stellen eine besondere Herausforderung in Hinblick auf einen möglichen Fertilitätserhalt dar, da die Integrität bzw. Funktionalität des aufgrund einer Krebserkrankung chirurgisch zu entfernenden Organs für eine mögliche Schwangerschaft unverzichtbar ist. So gilt die radikale Hysterektomie und bilaterale pelvine Lymphadenektomie als Standardtherapie des Zervixkarzinoms im Stadium IA2–IB1. Da diese Operationstechnik mit einer späteren Schwangerschaft naturgemäß unvereinbar ist, wurde in den letzten Jahren eine Reihe von Versuchen unternommen, insbesondere bei kleinen, im frühen Invasionsstadium befindlichen Karzinomen fertilitätserhaltend vorzugehen. Die 1994 entwickelte Technik der radikalen Trachelektomie, bei der Zervix und benachbartes Parametrium mit etwa 2 cm der proximalen Vagina entfernt werden, stellt eine derartige Maßnahme dar. Nach bislang vorliegender Datenlage ist sie im Hinblick auf die onkologische Sicherheit mit der konventionellen radikalen Hysterektomie vergleichbar und kann inzwischen laparoskopieassistiert vaginal oder robotisch vorgenommen werden. Bemerkenswerterweise wird die Mehrzahl von Frauen nach einer Trachelektomie spontan bzw. mit Hilfe von IVF schwanger. Allerdings stellen vorzeitige Wehen und die damit verbundene Frühgeburtlichkeit ein nicht zu unterschätzendes geburtshilfliches Problem dar.6
Fertilitätserhaltende Operationstechniken können aber auch beim frühen Ovarialkarzinom eingesetzt werden. Sowohl amerikanische als auch europäische Fachgesellschaften empfehlen den Einsatz dieser Techniken inzwischen bei Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter bei hoch oder moderat differenzierten Tumoren im Stadium IA bei Vorliegen einer günstigen Histologie. Auch hier geht man von Schwangerschaftsraten von 30–60 % aus, und nur in seltenen Fällen mussten IVF-Techniken eingesetzt werden.7