Vielversprechende neue Medikamente beim nichtkleinzelligen Bronchialkarzinom

Irreversible EGFR-Inhibitoren

Im Beitrag von Prof. Pirker wurde bereits auf die Bedeutung der EGFR-Tyrosinkinaseinhibitoren (EGFR-TKI) in der Behandlung der Bronchialkarzinome, die eine aktivierende EGF-Rezeptormutation haben, hingewiesen (EGFR-TKI Erlotinib, Gefitinib). Bei dieser Subgruppe von Patienten kann mit den EGFR-TKI eine hohe Ansprechrate und ein deutlich verlängertes progressionsfreies Überleben erzielt werden. Trotzdem erleiden fast alle Patienten, die mit einem EGFR-TKI behandelt werden, früher oder später ein Rezidiv. Ursachen dafür sind erworbene Resistenzmechanismen, die in 50–60 % der Fälle durch sekundäre Mutationen am EGF-Rezeptor, wie zum Beispiel die T790M-Mutation (Kobayashi, NEJM 2005), und in ca. 20–30 % durch eine Amplifikation des MET-Proto-Onkogens entstehen (Engelman, Science 2007). Um diese Resistenzen zu durchbrechen, werden aktuell unterschiedliche therapeutische Strategien entwickelt. Mit irreversiblen EGFR-Inhibitoren kann die Signalkaskade auch bei Vorliegen der oben erwähnten Resistenzmutation erfolgreich blockiert werden (Kwak, PNAS 2005). Beispielsweise befinden sich dazu folgende Präparate in der klinischen Testung: Afatinib (BIBW2992), Dacomitinib (PF299), Neratinib (HKI-272).

Afatinib wird im LUX-Studienprogramm in unterschiedlichen Indikationen evaluiert. Dieses Medikament blockiert gleichzeitig den EGF- und den HER2-Rezeptor. In der LUX-Lung-1-Studie (Miller, Lancet Oncol 2012), die als randomisierte Phase-IIB-/-III-Studie konzeptioniert war, wurden folgende Patienten eingeschlossen: Stadium IIIB/IV, Adenokarzinom, &re; 2 Linien Chemotherapie und &re; 12 Wochen Behandlung mit Gefitinib oder Erlotinib. So erhielten die Patienten dann entweder Placebo oder Afatinib. In diese Studie wurden 585 Patienten rekrutiert, das progressionsfreie Überleben (PFS) wurde deutlich verbessert (3,3 vs. 1,1 Monate), das Gesamtüberleben als der primäre Endpunkt blieb aber unverändert. Diese Studie hatte sehr viel Diskussion ausgelöst, besonders die Frage, warum in der dritten Behandlungslinie trotz nachgewiesener Wirksamkeit kein Überlebensgewinn erzielt werden konnte. Mögliche Erklärungen zielten auf die hohe Rate an Folgetherapien ab (ca. 80 %) oder auf die doch ausgeprägte Selektion von Patienten, die zu einer Anreicherung von EGFR-mutierten Patienten geführt hatte.

Dacomitinib wurde mit einer Phase-II-Studie an 74 Patienten vorgestellt (Mok, ESMO 2011), bei denen in über 80 % eine EGFR-Mutation nachgewiesen werden konnte. Hier zeigte sich bei Patienten mit einer typischen aktivierenden EGFR-Mutation eine sehr hohe Rate an Tumoransprechen, ebenso wurden bei den einzelnen Patienten mit primären Resistenzmutationen therapeutische Effekte be­obachtet.
Somit dürfte diese Gruppe von Medikamenten im Vergleich zu den ­EGFR-TKI der ersten Generation eine verbesserte Wirksamkeit aufweisen.

MET-Inhibitoren

Als zweite Strategie zur Überwindung einer EGFR-Resistenz werden MET-Inhibitoren entwickelt (Abb. 1). MET ist eine Rezeptortyrosinkinase. In Analogie zu den EGFR-Rezeptoren bindet am MET-Rezeptor des hepatalen Wachstumsfaktors (hepatocyte growth factor): Damit wird die Signalkaskade aktiviert und das Zellwachstum und die Migration initiiert. MET ist bei vielen Tumoren amplifiziert, mutiert und überexprimiert. Beim NSCLC ist eine Überexpression von MET mit einer schlechteren Prognose verbunden und eine aberrante MET-Expression führt zu einer Resistenz gegenüber EGFR-­Inhibitoren. Dazu wurde am ASCO 2011 eine interessante randomisierte Phase-II-Studie vorgestellt (Spigel, ASCO 2011). In dieser Studie wurden Patienten in der zweiten oder dritten Behandlungslinie mit einer Kombination aus Erlotinib plus MET-Antikörper behandelt (im Kontrollarm nur mit Erlotinib alleine). Das Ergebnis zeigte für die Gesamtgruppe ­keinen Vorteil durch die kombinierte Behandlung. In der Subgruppe der immunhistochemisch MET-positiven Patienten war jedoch die Kombinationstherapie der Monotherapie signifikant überlegen (HR 0,53). Nachdem in dieser Entwicklung offensichtlich ein Biomarker verfügbar ist, der zumindest in der Phase II zu einem signifikanten Stu­dien­er­gebnis geführt hat, besteht berechtigte Hoffnung, dass sich dieses Medikament auch in der Phase III durchsetzen könnte.

 

 

ALK-Inhibitor

Ein ganz neuer Ansatzpunkt der Therapie wird mit Crizotinib verfolgt. Mit diesem Kinaseinhibitor wird das ALK-Fusionsprotein (anaplastic lymphoma kinase) inhibiert, das ein Schlüsselprotein in vielen intrazellulären Signalwegen ist (Abb. 2). ALK-Mutationen können beim NSCLC in ca. 5 % der Fälle nachgewiesen werden. Crizotinib wurde als ALK-Inhibitor entwickelt, blockiert aber auch den MET-Rezeptor, der zu den Wachstumsfaktorrezeptoren zählt. Das EML4-ALK-Fusionsgen wird üblicherweise mittels einer Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung nachgewiesen, rezente Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass für ein Vor-Screening der Nachweis einer immunhistochemischen Überexpression des ALK-Proteins an Paraffinschnitten geeignet wäre (Mitsudomi, ASCO 2011). Weiters wurde in einer retrospektiven Ana­lyse die prädiktive Valenz der ALK-Mutation präsentiert (Shaw, ASCO 2011). Dabei wurden ALK-positive Patienten, die mit Crizotinib behandelt wurden, mit Crizotinib-naiven ALK-positiven Patienten verglichen. Die beiden Studienkohorten waren vor allem im Anteil derjenigen Patienten, die noch niemals geraucht hatten, unterschiedlich (82 % vs. 67 %), sonst jedoch vergleichbar. In der Überlebenskurve zeigte sich, dass ALK-mutierte Patienten eine 2-Jahres-Überlebensrate von 55 % mit Crizotinib und von 12 % ohne Crizotinib aufwiesen. In derzeit laufenden prospektiven Studien muss dieser in der retrospektiven Analyse erhobene Befund noch bestätigt werden.

 

 

ZUSAMMENFASSEND stellen die hier vorgestellten Strategien vielversprechende Optionen zur Behandlung des NSCLC dar. Die vielen negativen Ergebnisse früherer Phase-III-Studien, die basierend auf optimistischen Phase-II-Studienergebnissen initiiert worden sind, mahnen jedoch einen wissenschaftlich begründeten Zugang zu diesen neuen Substanzen ein.