Durch die Einführung der zielgerichteten Substanzen konnte die onkologische Therapie zwar in vielen Bereichen revolutioniert werden, Chemotherapien stellen aber nach wie vor einen unverzichtbaren Bestandteil der Behandlungsalgorithmen dar. Mit der nabTM-Technologie (nanoparticle albumin-bound) ist es erstmals gelungen, unlösliche Zytostatika an körpereigenes Eiweiß zu binden, womit sich die Zugabe von Lösungsmitteln bei der Herstellung erübrigt. Die zugegebenen Lösungsmittel bergen die Gefahr von Hypersensitivitätsreaktionen, die eine Prämedikation mit Steroiden erforderlich machen, die allerdings keinen vollständigen Schutz bieten: 30–40 % der Patienten erleiden trotz Prämedikation gering ausgeprägte allergische Reaktionen, bis zu 5 % müssen die Therapie abbrechen. Zu bedenken sind dabei weiters die klassischen Nebenwirkungen der Steroide etwa im Bereich des Zuckerstoffwechsels oder des Knochens. Allein durch einen Verzicht auf Lösungsmittel ist daher mit einer Reduktion der Toxizitäten zu rechnen. Darüber hinaus führt die verbesserte transendotheliale Aufnahme aus den Blutgefäßen in die Tumorzelle über die endogenen aktiven und passiven Albumin-Transportmechanismen zu einer Zunahme der intratumoralen Konzentration. Dies konnte im Tiermodell bestätigt werden: Die Anreicherung des Wirkstoffs im Tumor über 24 Stunden übertraf nach der Injektion von radioaktiv markiertem nab-Paclitaxel die unter konventionellem Paclitaxel gemessenen Werte um 33 %1. Den gängigen Annahmen zufolge wird zudem die selektive Akkumulation durch albuminbindende Proteine wie SPARC weiter verstärkt und verlängert.
Im klinischen Setting bewirkt nab-Paclitaxel gegenüber konventionellem Paclitaxel Verbesserungen im Bereich der Wirksamkeitsendpunkte bei einem optimierten Sicherheitsprofil2. Zwar findet sich in Bezug auf die Manifestationshäufigkeit von Polyneuropathien kein Vorteil, die rasche Rückbildung der Symptomatik infolge der linearen Pharmakokinetik (in der Phase-III-Studie von Gradishar betrug die mediane Zeit bis zur Erholung 22 Tage) spricht jedoch für die neue Formulierung. Hohe Neuropathie- Inzidenzen können durch die Tatsache erklärt werden, dass nab-Paclitaxel aufgrund seiner prinzipiell besseren Verträglichkeit in höheren Dosen über längere Zeiträume verabreicht werden kann, was wiederum einen gesteigerten klinischen Benefit erwarten lässt. Auch in Bezug auf die Ansprechgeschwindigkeit bestehen Vorteile, wie eine Analyse der zweiten Studie von Gradishar et al. zeigt: Unter der wöchentlichen Applikation wurde mit beiden nab-Paclitaxel- Dosierungen im Median bereits nach zwei Zyklen das beste Ansprechen erreicht, im Docetaxel-Arm dagegen erst nach fünf Zyklen (p < 0,001)3. Insgesamt kann die Verfügbarkeit eines lösungsmittelfreien Taxans als viel versprechende Weiterentwicklung betrachtet werden, die dazu beiträgt, dass Chemotherapeutika den modernen Anforderungen im Sinne einer gesteigerten Antitumoraktivität bei verringerten Toxizitäten genügen.
1 Desai N et al., Clin Cancer Res 2006; 12:1317–1324
2 Gradishar WJ et al., J Clin Oncol 2005; 23:7794–7803
3 Gradishar WJ et al., J Clin Oncol 2009; 27:3611–3619