Univ.-Prof. Dr. Matthias Preusser ist neuer Leiter der klinischen Abteilung für Onkologie an der Medizinischen Universität Wien. Am 8. 3. 2019 hielt Professor Preusser seine Antrittsvorlesung –„Balance als Herausforderung – ein paradigmenwechsel“ –, in der er seine Strategien für die Patientenversorgung, Lehre und Forschung an der Universitätsklinik darlegte.
Ein kleines Bonmot: „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“, lautet der legendäre Spruch des früheren deutschen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, überliefert aus dem Jahr 1980 als Replik auf eine Wahlkampfrede Willy Brandts. Andere Zeiten, anderes Setting, Paradigmenwechsel: „Wer Arzt ist, sollte eine Vision haben“, sagte Professor Preusser zu Beginn seiner Antrittsrede und fasste im Weiteren seine Ziele in fünf „Vision Statements“ zusammen. Betont wurde, dass die Umsetzung ein Balanceakt ist, der nur im Team gut gelingen kann. „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“, ist eines der Motive, die Professor Preusser dabei anleiten.
Vision Statement 1: „Die Abteilung ist gekennzeichnet durch ein konstruktives und harmonisches Arbeitsklima mit wertschätzendem Umgang aller Berufsgruppen.“
Hierarchische Struktur und Eigenverantwortung der Experten: Jeder ist in seinem Berufsfeld Experte und sollte im jeweiligen Bereich autonom arbeiten können; für eine konstruktive Umsetzung dieses Konzeptes sollten Aufgaben klar verteilt werden. Gemeinsam mit dem Leitungsteam der Clinical Research Unit unter Univ.-Prof. Dr. Markus Raderer, der Clinical Oncology Unit unter Prof. Dr. Rupert Bartsch und der Translational Research Unit unter Dr. Anna Berghoff wurden die Zuständigkeiten der Programmdirektionen festgelegt. Ziel ist es, trotz der Segmentierung in Berufsgruppen die Kooperationsnotwendigkeit im Arbeitsprozess nicht zu vergessen. Dies soll durch ein geregeltes Besprechungswesen der einzelnen Abteilungen sowie durch Kooperationen und Vernetzung gelingen.
Vision Statement 2: „Die Abteilung ist erste Adresse für Studierende mit Interesse an Onkologie und ist DIE ‚Kaderschmiede‘ für exzellente Onkologie im deutschsprachigen Raum.“
Onkologie ist ein spannendes Fach, das Herz und Hirn erfordert: Durch Angebote wie Diplomarbeitsbetreuung, PhD- und Mentoring-Programme sollen Studierende für das Fach Onkologie begeistert werden. Darauf aufbauend kann die Weiterentwicklung des individuellen beruflichen Weges erfolgen. Die Herausforderung dabei ist, die Diversität von Menschen und den eindimensionalen Karrierepfad „one fits all“ zu balancieren. In Mitarbeitergesprächen sowie Career Development Meetings soll für Ärzte in Ausbildung klar definiert werden, wohin die Reise gehen soll.
Vision Statement 3: „Die Abteilung ist (inter)nationales Referenzzentrum für die Behandlung von Krebserkrankungen nach höchstem internationalem Standard und mit höchstem ethischem und moralischem Anspruch.“
Versorgungsauftrag und akademischer Anspruch: Die klinische Abteilung für Onkologie an der MedUni Wien hat 50.000 Patientenkontakte pro Jahr. An der onkologischen Tagesklinik hat sich die Zahl der Patientenkontakte von 7.147 im Jahr 2007 auf 14.467 im Jahr 2018 verdoppelt. In Zukunft ist mit einem weiteren Anstieg an Patientenkontakten zu rechnen, was u. a. mit den immer besser werdenden Therapieangeboten zusammenhängt. Um die Ressourcen zu schaffen, die es ermöglichen, die Qualität der Versorgung aufrechtzuerhalten, soll national und international in Kooperationen und Know-how-Transfer investiert werden. Ziel dabei ist, die Fortschritte, die in der Onkologie stattfinden, möglichst schnell und gegebenenfalls wohnort-nahe an den Patienten zu bringen.
Vision Statement 4: „Die Abteilung hat internationale Schrittmacher-Funk-tion als Innovationstreiber der biolo-gisch getriebenen translationalen Forschung.“
Vision Statement 5: „Die Abteilung ist europäisches Top-6-Zentrum mit den innovativsten Studienangeboten der Phasen I und II.“
Bench to bedside to bench: Die Onkologie erlebt durch zielgerichtete und Immuntherapien derzeit eine Neuausrichtung. Die Translational Research Unit, in Zusammenarbeit mit lokalen Forschungsinstituten, wird mit der Clinical Research Unit und der Clinical Oncology Unit einen Kreislauf bilden, um eine führende Rolle bei den (early) clinical trials einzunehmen. Unter der Leitung von Prof. Bartsch laufen bereits mehrere Phase-I- und -II-Studien mit unterschiedlichen Biologika, die bei Patienten mit verschiedenen Tumorentitäten eingesetzt werden. Das Zentrum für Präzisionsmedizin am AKH Wien soll in den nächsten Jahren eine führende Rolle für Studien mit innovativen therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten einnehmen.
Durch Präzisionsmedizin hat sich die Behandlungslandschaft in der Onkologie stark verändert und gleichzeitig müssen die finanziellen Ressourcen so eingeteilt werden, dass die neuen Konzepte umgesetzt werden können. Dies kann durch effizientes und strukturiertes Arbeiten gelingen, indem strategische und operative Ziele in den nächsten Jahren gemeinsam umgesetzt werden. Eine laufende Evaluierung der Ergebnisse soll sicherstellen, dass die Visionen letztlich Realität werden.