Der erste Schritt zu einer erfolgreichen Behandlung ist, den Patienten in seinem Vertrauen zu sich und in die Therapie soweit zu stärken, dass er sich ein erfolgreiches Mitwirken zutrauen kann. Von besonderer Wichtigkeit sind hierbei eine umfassende Aufklärung über die Erkrankung in ihrer ganzen Komplexität und des Weiteren das genaue Informieren über alle zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten.
Zu Beginn einer Behandlung steht eine umfangreiche Diagnostik der Spielsucht sowie eventueller komorbider Störungen.
In herkömmlichen, kategorialen Klassifikationssystemen wie ICD-10 und DSM-IV findet sich die Diagnose pathologisches Glücksspiel in der Kategorie der Impulskontrollstörungen. Aufgrund dieser unzureichenden Klassifizierung erscheint ein Umdenken in Richtung mehrdimensionaler Diagnostik angemessen, welche symptom-, prozess- und pathogeneseorientiert ist. Diese beleuchtet suchtauslösende sowie aufrechterhaltende Faktoren genauso wie den individuellen Krankheitsverlauf und rückt den Menschen stärker in den Mittelpunkt der Diagnostik.
Die Behandlung der Spielsucht kann sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt werden. Im Zuge einer ersten Kontaktaufnahme erfolgen eine Bestandsaufnahme der Problematik sowie eine Abklärung der Erwartungshaltung und der Befürchtungen seitens der Betroffenen. Nach einer genauen psychiatrischen Anamnese mit Diagnostik und psychopathologischem Status wird, gemeinsam mit dem Patienten, ein individueller Therapieplan erstellt. In dieser Phase ist eine genaue Abklärung der derzeitigen sozialen Situation unumgänglich.
Eine stationäre Behandlung ist bei bisherigen frustran verlaufenden ambulanten Therapien oder bei einer massiv ausgeprägten Suchtproblematik, damit zusammenhängend einem konfliktreicheren privaten und beruflichen Milieu oder schwerwiegenden komorbiden Störungen, empfehlenswert. Außerdem bietet eine stationäre Aufnahme einen geschützten Rahmen und einen vorübergehenden Abstand zu eventuell belastenden Lebenssituationen, die dann, aus diesem Abstand heraus, oft besser therapeutisch bearbeitet werden können. Hingegen ist es bei der ambulanten Behandlung von Vorteil, dass der Patient in seiner gewohnten Umgebung weiterlebt und das Umfeld auch aktiv in den therapeutischen Prozess eingebunden werden kann. Die in der Therapie erlernten Strategien können hier unmittelbar im Lebensalltag umgesetzt werden.
In manchen Fällen wird die Durchführung einer ambulanten Behandlung auch aufgrund einer großen geografischen Distanz erschwert, und somit ist eine stationäre Behandlung unumgänglich. Ziel dieser Kontaktphase ist die Entwicklung einer ersten Behandlungsbereitschaft.
Ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung zwischen stationärer und ambulanter Behandlung ist auch die Therapiemotivation des Patienten. Meist scheint ein Suchtkranker erst die Erfahrung machen zu müssen, dass die negativen Suchtmittelkonsequenzen die positiven überwiegen. Oft herrschen beim Betroffenen auch ambivalente Gefühle vor, auf der einen Seite mit dem selbstzerstörerischen Suchtverhalten aufhören zu wollen und auf der anderen Seite sich von den subjektiv als positiv erlebten Emotionen, die mit dem Glücksspiel zusammenhängen, zu verabschieden. Petry1 empfiehlt, die Ambivalenz mit Hilfe von nichtkonfrontativer Motivationsstrategien2 zu verarbeiten. Dabei soll die Diskrepanz zwischen der unmittelbar positiv erlebten Gefühlsveränderung und den langfristig negativen Folgen des Glücksspiels bewusst werden. Im Zentrum steht die Herausarbeitung der Funktionalität des Problemverhaltens, um auch dadurch konkrete Therapieziele ableiten zu können. Die Motivation eines pathologischen Glücksspielers ist nicht als statischer, sondern als veränderbarer Zustand zu sehen.
Krankheitseinsicht und Abwehr: Im Zusammenhang mit der Veränderungsmotivation steht natürlich auch die Krankheitseinsicht. Die Einsicht und Akzeptanz, suchtkrank zu sein, und die daraus abgeleitete Konsequenz der Abstinenz sind zentrale therapeutische Zielsetzungen. Erfahrungsgemäß ist die Akzeptanz der Spielsucht als Krankheit, als stoffungebundene Sucht, schwieriger als bei den stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen. Im Unterschied zu anderen stoffungebundenen Abhängigkeiten, wie Internetsucht oder Kaufsucht, wo die Erlangung eines kompetenten Umgangs mit dem Suchtmedium im Vordergrund steht, ist beim pathologischen Glücksspiel eine Glücksspielabstinenz erforderlich. Ein wichtiges Therapieziel ist die Erkenntnis des Betroffenen, dass ein abstinentes Leben gravierende Vorteile hat, die er nicht zugunsten von kurzfristig positiven Effekten des Suchtmittelgebrauchs aufgeben möchte.
Die häufigsten Probleme in der Behandlung von Spielsuchterkrankten sind suchttypische Abwehr- und Verleugnungsmechanismen, das Auftreten komorbider Störungen sowie eine pathologische bzw. pathogene Familiendynamik. Typisch wäre hier die Phase des „Chasing“. Nachdem der Spieler alle zur Verfügung stehenden Geldquellen ausgeschöpft hat, sich oft massiv verschuldet hat und somit kein „Spielgeld“ mehr zur Verfügung steht, outet er sich vor der engsten Familie mit dem Versprechen, nie wieder zu spielen. Die Familie zahlt dann oft – als gut gemeinte Hilfestellung – die gesamten Schulden, was jedoch beim Spieler den neuerlichen Einstieg in das Glücksspiel auslöst.
Suchtauslösende Faktoren: Einen weiteren Schwerpunkt stellt die Suche nach suchtauslösenden und -aufrechterhaltenden Faktoren und den dadurch entstandenen Veränderungen dar. Dies kann sowohl in Form von Einzel- als auch Gruppentherapien stattfinden. In den Einzeltherapien kann nach den individuellen Bedürfnissen und der individuellen Hintergrundproblematik ein Behandlungsplan erstellt werden, der neben der Thematisierung von eine Sucht auslösenden und aufrechterhaltenden Faktoren v. a. auch ressourcenorientiert ist.
Bezug nehmend auf die Hintergrundproblematik und zur Bewältigung einer Glücksspielproblematik ist es erforderlich, die zugrunde liegende Störung des Selbstwertes, die Gefühlsregulation und die Beziehungsgestaltung zu bearbeiten1. Weiters können gerade zu Beginn der Behandlung Schuldgefühle die therapeutische Arbeit beeinflussen. Aufgrund dessen wäre die Thematisierung eines geeigneten Umgangs mit möglichen Schuldgefühlen sinnvoll.
Innerhalb der Gruppentherapien, die meist verhaltenstherapeutisch orientiert geführt werden, können neben Informationen zu den Diagnosekriterien und der Entwicklung der Abhängigkeit auch die Veränderungsmotivation bzw. die Abstinenzmotivation thematisiert werden. Dabei ist es wesentlich, die Funktionalität des pathologischen Spieles zu erarbeiten und auch die Rolle des Geldes als Suchtmittel des Spielers zu erläutern.
Magisches Denken: In weiterer Folge ist eine Auseinandersetzung mit den strukturellen Merkmalen der diversen Glücksspielvarianten sinnvoll. Damit zusammenhängend kann eine Erarbeitung des Glücks- und Eigenkompetenzanteils hilfreich sein. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Gruppentherapien liegt auch in der Konfrontation mit kognitiven Verzerrungen (magisches Denken). Diese Verzerrungsmuster sind meist für die Aufrechterhaltung des Glücksspiels von Bedeutung und stellen für den behandelnden Therapeuten meist die größte therapeutische Herausforderung dar. Ausgangspunkt bilden hier drei zentrale Denkweisen: die Kontrollillusion, eine verzerrte Bewertung des Glücksspielergebnisses und das Festhalten an einer bereits gewählten, jedoch gescheiterten Handlungsalternative, um die bereits geleisteten „Investitionen“ zu rechtfertigen1.
Rückfälle und Ressourcenaktivierung: Ein weiterer Bereich, der keinesfalls aus der Therapie ausgegrenzt werden sollte, ist der Rückfallprozess. Eine Auseinandersetzung mit Risikosituationen und deren Bewältigungsmöglichkeiten, der Umgang mit Craving und mit eventuellen Rückfällen müssen thematisiert werden.
Einen weiteren Kernpunkt der Therapie stellt die Aktivierung von Ressourcen dar, um eine Lebensneugestaltung und ein Entdecken neuer Lebensperspektiven zu ermöglichen. Der Suchtkranke soll die Abstinenz nicht als Verzicht erleben, sondern als Basis zur Transformation und als Chance zur Lebensneugestaltung. Am Anton-Proksch-Institut werden unsere Patienten mithilfe der „Orpheus-Module“ bei der Aufnahme eines sinn- und freudvollen Lebens unterstützt. Diese Module beinhalten Philosophika, Angebote zum Genusserleben und kreative und schöpferische Handlungsrahmen, innerhalb derer die Patienten Möglichkeiten für eine Lebensneugestaltung entdecken können. Denn nur ein reichhaltiges, freud- und sinnvolles Leben, angepasst an die individuellen Ressourcen, kann Garant dafür sein, nicht den verlockenden Rufen des Suchtmittels zu erliegen.
Nachsorgephase: Gegen Ende der stationären Therapie werden die Betroffenen auf die Zeit nach der Entlassung vorbereitet, bei Bedarf sollte auch eine berufliche Reintegration begonnen werden. Zu diesem Zeitpunkt werden auch die weiteren Schritte in Bezug auf die Nachbetreuung bzw. auch eine weiterführende psychotherapeutische Behandlung festgelegt.
Die ambulante Weiterbehandlung bzw. Nachsorgephase dient der Stabilisierung und Aufrechterhaltung der Abstinenz. Die Betroffenen sind mitunter nach einer intensiven ambulanten bzw. stationären Behandlung mit dem Gefühl einer erneuten Isolation oder Einsamkeit konfrontiert, dies kann ein erhebliches Rückfallrisiko darstellen. Der Betroffene sollte darauf vorbereitet werden, dass weniger Fremd-, sondern mehr Selbstkontrolle zur Steigerung seines Verhaltens notwendig ist.
Es ist empfehlenswert, die Nachbetreuung längerfristig in Form von Einzel- und/oder Gruppentherapien regelmäßig und konsequent in Anspruch zu nehmen. Nach einer Phase der Abstinenz und zunehmendem zeitlichem Abstand zur Behandlung ist die Gefahr erhöht, dass die Krankheitseinsicht schwindet und neue Illusionen entstehen, sich in einem bisher vielleicht für ungefährlich gehaltenen Glücksspiel erneut zu versuchen3.
Überdurchschnittlich häufig finden wir bei pathologischen Spielern komorbide Störungen. Meist handelt es sich um affektive Störungen, Angststörungen, eine substanzbezogene Störung4 oder Aufmerksamkeitsdefizit- bzw. Hyperaktivitätsstörung5. Zahlreiche Untersuchungen hatten die Erfassung von Persönlichkeitsstörungen bei pathologischen Spielern zum Ziel, wobei kausale Zusammenhänge kaum ableitbar sind3. Nach Petry1 konnten aber Persönlichkeitsstörungen wie die antisoziale, narzisstische und die emotional-instabile Persönlichkeitsstörung gehäuft nachgewiesen werden.
Im Zuge der ambulanten bzw. stationären Therapie wird die komorbide Erkrankung sowohl psychotherapeutisch als auch pharmakologisch behandelt. Die psychopharmakologische Behandlung bezieht sich zum einen auf die Behandlung der komorbiden psychischen Störungen – hier insbesondere der häufig vorhandenen Depressionen bzw. Angststörungen – und zum anderen auf die Verringerung des Suchtverlangens mit so genannten „Anti-Craving-Substanzen“, wie z. B. dem Opiatantagonisten Naltrexon, der nach jüngsten Berichten auch bei der Spielsucht gut wirksam zu sein scheint6.
Einen weiteren besonderen Schwerpunkt stellt aufgrund der häufig vorhandenen sozialen Problematik auch die psychosoziale Beratung und Betreuung durch erfahrene Sozialarbeiter dar. Diese Betreuung umfasst vor allem den Bereich der Schuldenregelung, ein hilfreiches Geldmanagement, um ein Gefühl für die Wertigkeit von Geld wieder zu erlangen, und auch das Erstellen von individuellen Finanzplänen.
Das pathologische Spielverhalten führt nicht nur aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten zu innerfamiliären Belastungen und Konflikten, sondern auch aufgrund der Vernachlässigung der Familie zugunsten des Glücksspiels. In den meisten Fällen ist es aus diesen Gründen auch erforderlich, die Angehörigen in das Behandlungskonzept miteinzubeziehen. Je nach Problemlage bzw. Störung werden einfache Angehörigengespräche, Gruppensitzungen bzw. systemische Behandlungsformen anzubieten sein. Ebenso wie die Betroffenen selbst durchleben die Angehörigen mehrerer Phasen im Zuge der Entwicklung der Abhängigkeit. Angehörige sind häufig von Gefühlen der Hilflosigkeit, von einem schwerwiegenden Vertrauensverlust und von Schamgefühlen, die in weiterer Folge auch zu sozialen Isolationstendenzen führen können, negativ beeinflusst. Daher erleben Angehörige die Möglichkeit, sich in einer Gruppe auszutauschen, als sehr entlastend.
Ein spezielles Augenmerk sollte auf Personen mit Migrationshintergrund gelegt werden. Wie auch Kalke et al.7 in ihrer Studie gezeigt haben, sind diese besonders häufig vom pathologischen Glücksspiel betroffen. Insbesondere an Automaten spielen Personen mit Migrationshintergrund fast doppelt so häufig wie Personen ohne Migrationserfahrung. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Behandlung der Betroffenen wieder. Aufgrund dieser Tatsache wäre ein interkultureller Ansatz in der Therapie wünschenswert.
1 Petry J, Glücksspielsucht. Entstehung, Diagnostik und Behandlung. Göttingen: Hogrefe 2003
2 Miller WR, Rollnick S, Motivational Interviewing: Preparing people to change addictive behavior. New York: Guilford 1991
3 Meyer G, Bachmann M, Spielsucht. Ursachen, Therapie und Prävention von glücksspielbezogenem Suchtverhalten. Berlin: Springer Verlag 2011
4 Meyer C, Rumpf H et al., Pathologisches Glücksspielen und Epidemiologie (PAGE): Entstehung, Komorbidität, Remission und Behandlung, Endbericht. Forschungsverbund EARLy INTerventions in health-risk behaviors. Greifenwald: Lübeck 2011
5 Kessler RC et al., DSM-IV pathological gambling in the National Comorbidity Survey Replication. Psychological Medicine 2008; 38:1351–1360
6 Grant JE et al., A double-blind, placebo-controlled study of the opiate antagonist naltrexone in the treatment of pathological gambling urges. J Clin Psychiatry 2008; 69(5):783–9.
7 Kalke J, Buth S et al., Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich. Freiburg: Lambertus 2011
Weiterführende Literatur:
– Mader R, Musalek M, Ressourcenorientierte Diagnostik der Sucht als Grundlage für integrative Behandlungsformen. Wien: Spectrum Psychiatrie 2010
– Musalek M, Neue Wege in der Diagnostik der Alkoholkrankheit: Von einer Defizienz-orientierten zur Ressourcen-orientierten Diagnostik. Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie 2008