Als ursächlich werden u. a. höhere Level an humanen Wachstumsfaktoren im Fettgewebe, höhere Östrogenspiegel und die Wirkung von Insulin vermutet, als weitere potenzielle Risikofaktoren werden arterielle Hypertonie und eine immunologische Dysregulation diskutiert7. Andererseits wurde basierend auf den Ergebnissen einzelner Studien beschrieben, dass übergewichtige und adipöse Nierenzellkarzinom-Patienten eine bessere Prognose und ein günstigeres Krankheitsprofil aufweisen als normgewichtige Patienten8–17, 21. Haferkamp et al. veröffentlichten zudem Ergebnisse einer Studie, die Untergewicht als ungünstigen prognostischen Faktor hinsichtlich des krebsspezifischen Überlebens (CSS) bei operativ therapierten Patienten wertet16. Unklar ist jedoch, welchen Einfluss ein präoperativ vorhandener Gewichtsverlust auf das Überleben hat.
Eigene Studienergebnisse: Wir haben daher in einer kürzlich veröffentlichten Studie versucht, den prognostischen Einfluss von Body-Mass-Index (BMI) und Gewichtsverlust in den einzelnen BMI-Kategorien auf das krebsspezifische Überleben (CSS) und Gesamtüberleben (OS) von Patienten nach Tumornephrektomie zu erfassen18, 19. In der vorliegenden Studie wurden 834 konsekutive Patienten, die aufgrund eines Nierenzellkarzinoms mittels Nephrektomie oder Nierenteilresektion therapiert worden waren, retrospektiv analysiert. OS und CSS wurden anhand Kaplan-Meier-Analysen ermittelt. Das mittlere postoperative Follow- up betrug 85 Monate (median 79 Monate; Range 12–191 Monate).
In der Analyse des CSS zeigten sich 5- und 10-Jahres-Überlebensraten von 82,2 % bzw. 72,2 % für die gesamte Studiengruppe. Die CSS-Raten nach 5 und 10 Jahren betrugen 79,2 % und 71,9 % für unter- und normgewichtige Patienten, die sich nicht signifikant von den CSS-Raten der übergewichtigen (82,8 % bzw. 70,7 %) und adipösen Patienten (86,5 % bzw. 74,6 %) unterschieden (p = 0,250). Wurden jedoch die Überlebensraten der Patienten nach Erfassung eines eventuell vorhandenen präoperativen Gewichtsverlustes ermittelt, so ergaben sich CSS-Raten nach 5 und 10 Jahren von 85,1 % und 74,3 % für Patienten, die keinen präoperativen Gewichtsverlust aufwiesen, jedoch signifikant reduzierte CSS-Raten von 49,6 % und 44,4 % nach 5 und 10 Jahren für jene Patienten, bei denen ein präoperativer Gewichtsverlust von mindestens 10 % zu verzeichnen war (p < 0,001). Für das OS wurden Überlebensraten nach 5 und 10 Jahren von 76,9 % bzw. 62,5 % für Patienten ohne Gewichtsverlust und ebenso signifikant reduzierte Überlebensraten von 46,2 % bzw. 25,9 % für Patienten mit Gewichtsverlust erfasst.
In der univariaten Analyse hatte BMI basierend auf drei Kategorien BMI (< 25 kg/m2, ≥ 25 bis < 30 kg/m2 und ≥ 30 kg/m2) keinen signifikanten Einfluss auf das CSS (p = 0,097), als kontinuierliche Variable angewandt, bestand jedoch ein Einfluss (p = 0,034, HR 0,962). Multivariat analysiert, zeigte der BMI jedoch keinen signifikanten Einfluss mehr auf das Überleben der Patienten. Ein präoperativ vorhandener Gewichtsverlust beeinflusste sowohl CSS als auch OS signifikant negativ, daneben hatten außerdem folgende klinische Parameter einen signifikanten Einfluss in der multivariaten Analyse: Alter, Geschlecht, cM-Stadium, klinische Tumorgröße, Leukozyten- und Hämoglobinwert.
In einer weiteren Analyse wurde der Einfluss von Gewichtsverlust auf das Überleben in den einzelnen BMI-Kategorien untersucht. Während ein präoperativer Gewichtsverlust bei untergewichtigen, norm- und übergewichtigen Patienten einen ungünstigen Einfluss auf das Überleben hatte (p jeweils < 0,001) (Abb. 1 und 2), war dies bei adipösen Patienten nicht der Fall (für OS p = 0,626, für CSS p = 0,839) (Abb. 3).
Diese Ergebnisse wurden mittels der Johnson-Neyman-Technik verifiziert, die der Analyse der BMI-Regionen dient, in denen Gewichtsverlust einen signifikanten Einfluss auf das Überleben hat. Hinsichtlich des OS wurde so ein Cut-off von 31,48 kg/m2 (p = 0,05) definiert: Oberhalb dieses Wertes verliert der Faktor Gewichtsverlust seinen signifikanten Einfluss auf das OS. Für das CSS errechnete sich ein Cut-off von 32,58 kg/m2.
Vergleich mit anderen Publikationen: Die vorliegenden Ergebnisse stehen zumindest teilweise in Widerspruch zu bisher publizierten Daten zu diesem Thema. Übereinstimmend mit den Ergebnissen weiterer Publikationen fanden wir in der vorliegenden Studiengruppe ebenso ein signifikant besseres histopathologisches Grading bei adipösen Patienten (p = 0,003). Im Gegensatz zu den meisten bisher publizierten Arbeiten, die vorwiegend den Einfluss tumorspezifischer Parameter erfassten, verfolgten wir in der vorliegenden Arbeit das primäre Ziel, den Einfluss klinischer Parameter unter Einschluss von BMI auf das postoperative Überleben zu erfassen. Nach Unterteilung der Patienten in drei BMI-Kategorien (BMI < 25 kg/m2, ≥ 25 bis < 30 kg/m2 und ≥ 30 kg/m2) und Analyse der einzelnen Kategorien konnten wir keinen signifikanten Einfluss des BMI auf OS und CSS finden. Im Gegensatz dazu beeinflusste jedoch ein präoperativ vorhandener Gewichtsverlust sowohl OS als auch CSS signifikant. Hinsichtlich des prognostischen Einflusses von Gewichtsverlust entsprechen unsere Ergebnisse den von Kim et al. publizierten Resultaten, die eine signifikante Korrelation zwischen reduziertem Überleben und dem Vorhandensein von sog. „cachexia-related symptoms“, die bei 22,9 % der Patienten der Studiengruppe vorlagen und auch Gewichtsverlust inkludierten14, 15. In unserer Studiengruppe lag der Anteil der Patienten mit einem Gewichtsverlust von mindestens 10 % innerhalb der letzten 6 Monate bei 6,2 %. In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit fanden auch Morgan et al. einen signifikant ungünstigen Einfluss auf das CSS bei einem präoperativ vorhandenen Gewichtsverlust20, der bei Kim et al. und auch Morgan et al. mit 5 % Gewichtsverlust in drei Monaten bzw. 6 Monaten definiert wurde14, 15, 20.
Zusammenfassung: Die von uns publizierte Arbeit repräsentiert den erstmaligen Versuch, den Einfluss von BMI und Gewichtsverlust kategorisiert anhand der einzelnen BMI-Kategorien zu erfassen. Die vorliegenden Daten zeigen, dass BMI alleine keinen signifikanten Einfluss auf das Überleben von Patienten nach Tumornephrektomie oder Nierenteilresektion hat. Eine zusätzliche prognostische Information wurde durch die zusätzliche Analyse eines präoperativen Gewichtsverlustes in den einzelnen BMI-Kategorien erreicht. Gewichtsverlust hatte einen ungünstigen prognostischen Einfluss auf OS und CSS bei unterbis übergewichtigen Patienten, nicht mehr jedoch bei adipösen Patienten. Unter Anwendung der Johnson-Neyman-Technik wurden Cut-off-Werte für das OS von 31,48 kg/m2 und von 32,58 kg/m2 für das CSS errechnet, oberhalb derer ein Gewichtsverlust keinen signifikanten Einfluss mehr auf das Überleben zeigte.
Des Weiteren konnten wir, mit Ausnahme von häufiger auftretenden Wundheilungsstörungen bei adipösen Patienten, keinen negativen Einfluss von Übergewicht und Adipositas auf postoperative Mortalität und Inzidenz von postoperativen Komplikationen feststellen.
Die hier vorgestellten Daten basieren auf der derzeit umfassendsten Analyse zu diesem Thema mit der größten Patientenzahl und dem längsten Follow-up. Neben unserer Arbeit und den Arbeiten von Kim et al. und Morgan et al. existieren einige weitere Arbeiten zur Erfassung des Einflusses von BMI auf das Überleben, jedoch vernachlässigen diese Publikationen den Einfluss des Ernährungszustandes unter Berücksichtigung eines präoperativ vorhandenen Gewichtsverlustes8–17, 21. Kürzlich publizierte Arbeiten beziehen die so genannte Body-Surface-Area in ihre Untersuchungen mit ein, die sich jedoch aus den gleichen Komponenten wie der BMI zusammensetzt und mit diesem direkt korreliert21. Somit wird hierdurch keine zusätzliche prognostische Aussage ermöglicht, sondern lediglich versucht, alte Informationen in neue Worte zu kleiden. Hinsichtlich des prognostischen Wertes des Ernährungszustandes auf das Überleben nach Nephrektomie liefern uns derartige Publikationen keine weitere Information. Unabhängig davon benötigen auch die hier vorgestellten Ergebnisse eine Validierung. Weitere Arbeiten, die auch die postoperative Persistenz oder Nichtpersistenz des Gewichtsverlustes erfassen sowie als alternative Parameter zum BMI das viszerale adipöse Fett oder den Körperfettanteil der Patienten analysieren, sollten sich anschließen.
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14 Kim HL et al., J Urol 2004; 171:1810–3
15 Kim HL et al., J Urol 2003; 170:1742–6
16 Haferkamp A et al., BJU Int 2008; 101:1243–46
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18 Brookman-May S et al., Scand J Urol Nephrol 2011; 45(1):5–14
19 Brookman-May S et al., Sta Eur Urol 2011; 59:923–8 Re: Umberto Capitanio, Francesco Montorsi. Eur Urol 2011; 59:929–30. Eur Urol 2011 Jul 26.
20 Morgan TM et al., Eur Urol 2011; 59(6):923–8. Epub 2011 Jan 28
21 Waalkes S J et al., Urologe A, July 2011 (Article in German)