Das durch Röntgenkontrastmittel induzierte akute Nierenversagen ist bei primär nierengesunden Personen ohne wesentliche Komorbiditäten extrem selten und somit kein großes klinisches Problem, auch weil es fast immer reversibel ist. Anders stellt sich die Situation bei alten Menschen mit bereits eingeschränkter Nierenfunktion und anderen Komorbiditäten wie z. B. Diabetes oder Herzinsuffizienz dar. Hier ist das kontrastmittelinduzierte (KM-induzierte) Nierenversagen ein relevantes Ereignis.
In einer eigenen Untersuchung von 489 Patienten, die im Jahr 2009 eine intraarterielle Kontrastmittelgabe mit einem nichtionischen, isoosmolaren KM im Rahmen einer Angiographie oder eines CT erhielten, trat bei nur 14 Patienten ein KM-induziertes Nierenversagen, definiert als Serumkreatininanstieg um mehr als 0,3 mg/dl, aber mindestens 25 % von der Baseline innerhalb der ersten 24 Stunden nach Kontrastmittelgabe, ein. Dies zeigt, dass bei Patienten nach entsprechend optimierter Vorbereitung für diese Untersuchung durch Hydrierung bzw. bewusst niedrige Dosierung von Kontrastmittel das akute Nierenversagen de facto nur bei etwa 3 % eintritt und bei allen innerhalb weniger Tage reversibel war1 (Abb.).
Ein Risiko für ein akutes Nierenversagen bei Kontrastmittelgabe haben Patienten mit Komorbiditäten. Hier sei auf den „risk prediction score“ von Mehran R et al.2 hingewiesen, wo im Wesentlichen Diabetes, arterielle Hypotension, Herzinsuffizienz sowie Patientenalter und Serumkreatinin als wesentliche Prädiktoren für eine Verschlechterung der Nierenfunktion nach Kontrastmittelgabe angeführt sind. Unabhängig davon ist jedoch hervorzuheben, dass jene Patienten, die eine chronische Niereninsuffizienz haben und einen weiteren Anstieg des Serumkreatinins nach Kontrastmittelgabe aufweisen, auch ein höheres Risiko haben, innerhalb der nächsten 12 Monate zu versterben3.
Folgende Themen werden in dieser Übersicht behandelt:
Die Rolle der Kontrastmittelosmolarität: Entsprechend der Studie von Solomon R et al.5 ist bei der Verwendung von isoosmolaren Kontrastmitteln (Iodixanol-Osmolarität = 290 mosmol/kg) die Inzidenz von KM-induzierten Nephropathien im Vergleich zu hyperosmolarem Iohexol (844 mosmol/kg) und Iopamidol (796 mosmol/kg) geringer.
Dieser Effekt ist unabhängig von den anderen bekannten Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, Diabetes, Basiskreatinin bzw. der Menge des administrierten Kontrastmittels.
In einer Metaanalyse haben McCullough PA et al.6 gezeigt, dass isoosmolares Kontrastmittel im Vergleich zu niedrig osmolaren Kontrastmitteln mit einem niedrigeren Risiko für die Entstehung einer Nephropathie assoziiert ist. In einer daraufhin durchgeführten randomisierten Studie, bei der Iodixanol (isoosmolar) mit Iopamidol (hyperosmolar) verglichen wurde, zeigte sich allerdings bei der Inzidenz der KM-induzierten Nephropathie (Anstieg des Kreatinins um mehr als 0,5 mg/dl) bei 4 % der Patienten (absolut 9 bzw. 14 pro Gruppe) kein signifikanter Unterschied, was die Kontrastmittelosmolarität betraf. Dies ist aber am ehesten durch die geringe „Power“ der Studie, d. h. dem großen Fehler 2. Ordnung bei den wenigen Events zu erklären.
Prävention durch Azetylzystein? Seit der ersten Arbeit von Tepel aus Bochum, die einen Benefit der Azetylzysteinprophylaxe für die Kontrastmittelnephropathie beschrieben hat, folgten eine Reihe von randomisierten Studien mit teilweise unterschiedlichen Definitionen der Nephropathie nach Kontrastmittelgabe, auch rezente Metaanalysen sind diesbezüglich meist nicht konklusiv7, 8.
In einer Studie von Marenzi G et al.9, die eine Azetylzystein-Standarddosisgruppe versus Hochdosisgruppe (3.000 mg versus 6.000 mg) für die Prävention der KM-induzierten Nephropathie untersucht haben, war in der Hochdosisgruppe ein Trend für mehr Nephroprotektion zu beobachten. Allerdings ist ein Anstieg des Serumkreatinins von Baseline 1,0 mg/dl auf Postintervention 1,1 mg/dl klinisch wahrscheinlich irrelevant, zumal am Tag 3 bzw. bei der Entlassung sich die Werte wieder angenähert haben.
Ein interessanter Befund kommt von der Gruppe Regensburg. Hoffmann et al.10 haben im Journal of the American Society of Nephrology 2004 gezeigt, dass Azetylzystein die renale Kreatininausscheidung hemmt und dies eine Erklärung für die niedrigeren Werte bei der Azetylzystein-Prävention der Kontrastmittel-Nephropathien sein könnte.
In einer der größten und rezent publizierten randomisierten Studien zu Azetylzystein fanden die ACT-Investigatoren keinen Benefit hinsichtlich der Inzidenz von kontrastmittelinduzierter Nephropathie11.
Die Integration aller Studienergebnisse zeigt unserer Meinung nach keinen Effekt von Azetylzystein und sollte daher auch nicht mehr als Prophylaxe vor Kontrastmittelgabe verwendet werden.
Hydrierung: Die Frage, ob Hydrierung mit Kochsalz, Natriumbikarbonat, halbnormalem Kochsalz oder halbnormalem Bikarbonat nun de facto eine bessere Prävention ermöglicht, bleibt offen und von akademischem Interesse. Für die tägliche Routine ist die adäquate Hydratation der entscheidende Faktor, ob mit 0,9%iger Natriumchloridlösung oder Natriumbikarbonatlösung oder halbnormaler Kochsalzlösung sei dahingestellt12.
Nachdem drei mögliche Interventionen zur Prophylaxe der KM-assoziierten Nephropathie vorgestellt wurden und diese auch unterschiedlich kombiniert werden können, stellt sich die Frage einer möglichen besten Kombination: Kochsalz und Azetylzystein, Bikarbonat und Azetylzystein oder Kochsalz und Azetylzystein + Askorbinsäure.
In der Studie von Briguori C et al.13, die 2007 im Circulation publiziert wurde, schnitt die Kombination Azetylzystein und Bikarbonat am besten ab. Es ist allerdings zu sagen, dass alle Patienten eine vorbestehende chronische Niereninsuffizienz hatten und von den 393 eingeschlossenen Patienten nur 4 mit einem deutlichen Anstieg des Serumkreatinins reagiert haben. Somit relativiert sich, wie eingangs schon erwähnt, die Wahl der „Add-ins“ zur obligaten Hydrierung.
Eine weitere Studie zu diesem Thema ist die RENO-Studie14. Hier konnte eine 20%ige relative Risikoreduktion bezüglich der Entwicklung einer kontrastmittelinduzierten Nephropathie bei prophylaktischer Behandlung vor Kontrastmittelexposition (Hydrierung mit Kochsalz + Bikarbonat + ACC 2400 mg) erzielt werden. Durch die geringe Patientenzahl (2-mal 50) ist die ungewöhnlich große Risikoreduktion bei nur einem Event in der Interventionsgruppe und nicht vorhandener Verblindung allerdings sehr fragwürdig.
Die Rolle von Fenoldopam: Fenoldopam als Dopamin-Agonist hat sich für die Prävention des akuten Nierenversagens nach Kontrastmittelgabe nicht durchgesetzt15, obwohl einige kleine Studien mit geringer Qualität präventive Effekte beschrieben.
Ist eine prophylaktische Hämodialyse sinnvoll? In der Publikation von Lee et al.16 wurden Patienten mit deutlich eingeschränkter Nierenfunktion zur prophylaktischen Dialyse bzw. Kontrollgruppe (Baseline Kreatinin-Clearance 13,2 ml/min vs. 12,6 ml/min) randomisiert. Vier Tage nach Kontrastmittelgabe sank die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) in der Dialysegruppe zwar nur um 0,4 ml/min im Vergleich zu 2,2 ml/min in der Kontrollgruppe (ohne Dialyse, ausschließlich adäquate Hydrierung), die klinische Relevanz einer präemptiven Dialyse ist aber unserer Meinung nach nicht gegeben.
Zusammenfassend muss gesagt werden, dass im Jahr 2012 die KM-induzierte Nephropathie nur bei Risikopatienten (Diabetes und Komorbiditäten), besonders bei vorbestehender chronischer Niereninsuffizienz ein klinisches Problem darstellt, insbesondere, wenn die Patienten nicht adäquat hydriert sind. Die Inzidenz des Auftretens, wobei sehr uneinheitliche Definitionen in den Studien aufzufinden sind, hängt im Wesentlichen von Komorbiditäten wie Diabetes, Herzinsuffizienz und vorbestehender Nephropathie ab.
Einer der wesentlichen beeinflussbaren Risikofaktoren, die minimiert werden können, ist die Menge und Art des verwendeten Kontrastmittels. Einem besonders sparsamen Umgang bzw. der Verwendung isoosmolarer Kontrastmittel ist der Vorzug zu geben, sofern dies radiologischerseits möglich ist. Die adäquate Hydrierung der Patienten ist allerdings die nach wie vor wichtigste Maßnahme.