DGU 2012: Paradigmenwechsel beim metastasierten CRPC

Seit vielen Jahren wird in der First-Line-Chemotherapie standardmäßig Docetaxel eingesetzt. In der Studie TAX 237 beim kastrationsresistenten Karzinom wurde Docetaxel 3-wöchentlich beziehungsweise wöchentlich gegen den Kontrollarm Mitoxantron getestet. Dabei stellte sich ein signifikanter Überlebensvorteil für das 3-wöchentliche Regime mit einem medianen Überleben von gut 19 Monaten ein, berichtete Prof. Dr. Jürgen Gschwend, urologische Klinik und Poliklinik, Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Die Toxizität – insbesondere bei der 3-wöchentlichen Gabe – war allerdings erheblich, so Gschwend. Bei einem Drittel der Patienten kam es zu einer ausgeprägten Neutropenie vom Grad 3–4. Eine febrile Neutropenie trat bei 3 % auf, therapieassoziierte Todesfälle allerdings waren nicht vermehrt. Wegen Nebenwirkungen wie Fatigue kommt diese Chemotherapie nicht für alle Patienten infrage.

Docetaxel-Reinduktion macht Sinn

Dennoch kommen einige Patienten mit Docetaxel in der First-Line gut zurecht, sodass man bei diesen über eine Docetaxel-Reinduktion nachdenken kann. Dieses Konzept wurde in mehreren Studien untersucht. Gschwend verwies auf eine Studie von Eymard J et al.1 Von 148 Patienten, die auf eine Vortherapie mit Docetaxel ansprachen, erhielten 50 als Zweitlinientherapie erneut Docetaxel. Das mediane therapiefreie Intervall betrug 18 Monate, bei 24 der 50 Patienten verringerte sich das PSA um über 50 %, das Gesamtüberleben ab Beginn der Zweitlinientherapie betrug 18 Monate. Geeignet für dieses Vorgehen sind speziell die etwa 30 % der Patienten mit einem langen Ansprechen auf Docetaxel in der Erstlinie. Weiterhin sollte ein guter ECOG-Status (Eastern Cooperative Oncology Group Status) gegeben sein, und es sollten keine kardialen Probleme vorhanden sein.

Als Alternative für die Zweitlinienchemotherapie nach Docetaxel bietet sich Cabazitaxel an. Die TROPIC-Studie2 ergab für diese Substanz beim Vergleich mit Mitoxantron im Kontrollarm im Median ein verbessertes Gesamtüberleben von 15,1 vs. 12,7 Monate. Wie zu erwarten, stellten sich auch bei diesem Zytostatikum bedeutende Nebenwirkungen ein. Insbesondere fallen die Neutropenie Schweregrad 3–4 bei über 80 % und die Leukopenie mit knapp 70 % ins Auge. Die häufigsten Nebenwirkungen, die einen Abbruch der Behandlung zur Folge hatte, waren Neutropenien bei 18 % der Patienten. Gschwend: „Man sollte durchaus überlegen, von vornherein Wachstumsfaktoren hinzuzugeben, um dieses Problem zu verhindern oder in den Griff zu bekommen.“

Abirateronazetat überzeugt als Zweitlinientherapie

Eine weitere zugelassene Therapieoption nach Docetaxel ist Abirateronazetat (Zytiga®). Diese Substanz hemmt über CYP17 die Androgen-Biosynthese und unterscheidet sich damit in ihrem Wirkmechanismus von den konventionellen antihormonellen Therapien. In der COU-AA-301-Studie3 wurden insgesamt 1.195 Patienten im Verhältnis 2 : 1 randomisiert einer Abirateronazetatgruppe (1 g) oder einer Placebogruppe zugeteilt. Beide Gruppen erhielten zusätzlich zweimal täglich 5 mg Prednison. Die Patienten im Verumarm überlebten median 14,8 Monate, jene im Placeboarm 10,9 Monate (HR 0,65; p < 0,001). (Anm. der Redaktion: In der finalen Studienauswertung4 überlebten die Patienten im Verumarm median 15,8 Monate, jene im Placeboarm 11,2 Monate [HR 0,74; p < 0,0001].) Das Nebenwirkungsprofil erwies sich im Vergleich mit Docetaxel als deutlich günstiger. Als schwere Nebenwirkungen vom Grad 3–4 traten Flüssigkeitsretention, Hypokaliämie und Leberwertveränderungen mit einer Häufigkeit zwischen 2 und 4 % auf. Diese Effekte spielen für das subjektive Empfinden der Patienten eine geringere Rolle und lassen sich, wie zum Beispiel die Hypokaliämie, auch gut korrigieren, erläuterte Gschwend.
Entsprechend besteht in der Behandlung des mCRPC nach Docetaxel die Wahl zwischen Abirateronazetat oder Cabazitaxel. Gschwend: „Es lässt sich individuell nur sehr schwer differenzieren, welche Therapie für den jeweiligen Patienten besser geeignet ist, da es keine festen Parameter gibt, die eindeutig für das eine oder das andere sprechen“. Für Abirateronazetat errechnet sich aus den Daten von COU-AA-301 ein deutlicher Überlebensgewinn von 32,6 gegenüber 27,6 Monaten bei Placebo ab der ersten Docetaxel-Dosis (HR 0,75; p = 0,0002)5.

Abirateronazetat vor Chemo

„Wir wollen Abirateronazetat am liebsten aber nicht nach, sondern vor der Chemotherapie einsetzen“, sagte Kurt Miller, urologische Klinik und Poliklinik, Charité, Berlin. Bereits auf dem diesjährigen ASCO wurde eine geplante Interimsanalyse der Phase-III-Studie COU-AA-3026 präsentiert, in der chemonaive mCRPC-Patienten den Androgen-Biosynthesehemmer erhielten. Die primären Endpunkte dieser Studie entsprachen denen in COU-AA-301: radiographisch bestätigtes progressionsfreies Überleben sowie Gesamtüberleben. Die teilnehmenden 1.088 Patienten aus 12 Ländern waren entweder asymptomatisch oder hatten nur leichte Symptome. Immerhin 40 % der Patienten bekamen eine Schmerztherapie. Die Behandlung erfolgte randomisiert im Verhältnis 1 : 1 mit Abirateronazetat (1 g) plus Prednison (5 mg 2-mal täglich) im Verumarm oder mit Placebo und Prednison. Die mediane Nachbeobachtungszeit war mit 22,2 Monaten etwa doppelt so lang wie in der COU-AA-301-Studie, was deutlich macht, dass es sich hier um ein anderes Patientengut handelte, äußerte Miller. Nebenwirkungen der Therapie spielten als Grund, die Studie abzubrechen, nur eine geringe Rolle. Das mediane progressionsfreie Überleben (PFS) war in der Abirateronazetatgruppe nach diesen knapp zwei Jahren noch nicht erreicht. Vergleicht man dies mit den Ergebnissen der TAX-327-Studie, in der das Gesamtüberleben bei einem theoretisch ähnlichen Patientengut im median etwa 18 Monate betrug, dann, so Miller, „behandeln wir die Patienten mit Abirateronazetat tatsächlich länger und erfolgreicher“. Der primäre Endpunkt Gesamtüberleben zeigte in der Zwischenanalyse einen deutlichen Trend zugunsten des Androgen-Biosynthesehemmers, der Unterschied gegenüber Placebo erreichte aber noch nicht das für die Interimsanalyse vorspezifizierte Signifikanzniveau (Abb.). Eine Second-Line-Therapie bekamen im Placeboarm 60 %, in der Abirateronazetatgruppe 44 % der Patienten. In erster Linie handelte es sich dabei um eine Chemotherapie mit Docetaxel. Vereinzelt wurde aber auch erneut der Androgenbio­synthesehemmer verabreicht. Der PSA-Wert fiel in der Verumgruppe um 62 % ab; dies entsprach laut Miller etwa dem, was aus den Phase-II-Studien zu erwarten war. Auch im Placeboarm wurde eine PSA-Abnahme um 24 % beobachtet, die mit hoher Wahrscheinlichkeit vor allem auf Prednison zurückzuführen ist. Es bestätigte sich eine gute Verträglichkeit der Substanz. Neue unerwartete Nebenwirkungen traten nicht auf. Bei der zweiten Interimsanalyse im Februar 2012 fiel im Independent Data Monitoring Committee einstimmig die Entscheidung, die Studie zu entblinden. Der Überlebensvorteil für die Patienten in der Verumgruppe war so eindeutig, dass es ethisch nicht vertretbar erschien, den Placeboarm fortzuführen. Vielmehr sollten die Patienten aus dem Kontrollarm in den Abirateronarm wechseln.

 

 

Kurz vor Zulassung

In den USA hat die FDA kürzlich Enzalutamid (MDV3100) zugelassen, die europäische Zulassung für diesen oralen Androgen-Rezeptor-Antagonisten nach Docetaxel ist beantragt. Enzalutamid zeichnet sich durch einen dreiphasigen Wirkmechanismus aus. Es hemmt die Bindung von Androgenen an den Androgenrezeptor, die Translokation des Androgenrezeptors in den Zellkern und die Bindung des Androgenrezeptors an die DNA. In der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie AFFIRM erhielten insgesamt 1.199 Patienten mit CRPC nach Chemotherapie inklusive Docetaxel Enzalutamid oder Placebo. Für die Verumgruppe ergab sich ein hoch signifikanter Vorteil im Gesamtüberleben von 18,4 versus 13,6 Monaten im Placeboarm. Nebenwirkungen bewegten sich auf Placeboniveau.

 

Quelle : 64. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e. V., 27. 09. 2012, Leipzig

 

1 Eymard J et al., BJU Int 2010; 106:97 4–978

2 de Bono JS et al., Lancet 2010; 376:1147–1154

3 de Bono JS et al., NEJM 2011; 364(21):1995–2005

4 Fizazi K et al., Lancet 2012, published online ahead of print, Sept 18

5 Goodman OB, JCO 30, 2012, abstr 4558, ASCO 2012

6 Ryan CJ et al., JCO 30, 2012 (suppl, abstr LBA4518, ASCO 2012)