Dr. Romana Altenhuber: Dieser Schwerpunkt hat sich relativ rasch im Laufe meiner Ausbildung im KH Wilhelminenspital ergeben. Ich hatte das Glück, bereits am Anfang der Ausbildung viele kinderurologische Eingriffe kennenzulernen und bin quasi mit offenen Armen von meinen beiden Kollegen als Unterstützung aufgenommen worden, was das Arbeiten sehr schön und abwechslungsreich gestaltet hat. Zudem war mein zweiter Schwerpunkt die Urogynäkologie und Urodynamik – damit ergab sich eine gute Brücke zur Kinderurologie, denn Inkontinenz und Blasenfunktionsstörungen sind hier ja auch ein großes Feld, wo es von Vorteil ist, eine fundierte urodynamische Ausbildung zu haben. Letztendlich habe ich schon während meiner Assistenzarztzeit mehrheitlich in diesen Gebieten gearbeitet – und es ist nach Ende der Ausbildung dabei geblieben.
Die Ordination von Anfang an auf Frauen und Kinder zu beschränken war natürlich ein gewisses Risiko. Ich wusste nicht, wie dieses Angebot angenommen werden wird, bilden doch männliche Patienten immer den größten Anteil in einer urologischen Ordination. Es ist mir anfangs auch nicht immer leichtgefallen, Männern keinen Termin zu geben, obwohl nur ein Teil der Ordination gebucht war. Aber im Endeffekt wollte ich in dem Bereich weiterarbeiten, der mir schon während meiner Ausbildung am meisten Spaß gemacht hat. Ich hatte natürlich den Vorteil, dass ich anfangs nicht davon leben musste, ich war ja im Spital tätig, und so war die Arbeit in der Ordination anfangs wie ein Hobby für mich. Ich konnte die Ordination langsam aufbauen und habe die Ordinationszeiten an das Patientenaufkommen anpassen können.
Durch meinen Schwerpunkt bedingt hat es sich auch ergeben, dass die Ordination selbst nicht so aufgebaut ist, wie man sich vielleicht klassischerweise eine urologische Ordination vorstellt. Ich wollte eine „weibliche“, nichtklinische Umgebung schaffen, damit die Frauen, die zu mir kommen, sich wohlfühlen. Der Urologe wird ja noch immer als klassischer „Männerarzt“ wahrgenommen, daher ist der Weg zum Urologen für manche Frauen eher stressbesetzt.
Die Herausforderungen im Spital und in der Ordination sind natürlich unterschiedlich. Abgesehen natürlich von organisatorischen und wirtschaftlichen Belangen, mit denen man im Spital als angestellter Arzt nicht in Berührung kommt, sind die Themen oder Beschwerden in einer Wahlarztordination anders. Im Spital erwarten uns oft Patienten in einer Akutsituation, die rasch gelöst werden muss und eine rasche Organisation bzw. ein interdisziplinäres Zusammenarbeiten erfordern; insgesamt also Situationen, die man selbst kaum beeinflussen kann – und immer ein Arbeiten unter Zeitdruck in Strukturen, die man selbst kaum verändern kann.
In der Ordination habe ich mehr Freiheiten, mehr Zeit, ich kann die Rahmenbedingungen selbst definieren. Ich habe allerdings auch keine Kollegen mehr vor Ort, die mich kurzfristig mit ihrer Meinung unterstützen könnten, was ich im Spital als sehr bereichernd empfunden habe. Allerdings sind die Fragestellungen oder die Bedürfnisse der Patienten auch andere – es geht vielmehr um Aufklärung oder Prophylaxe – zum Beispiel beim Harnwegsinfekt, wo im Spital ja meist nur die Akutversorgung ein Thema war. Hier musste ich quasi umlernen.
Die Kinderurologie ist ein wichtiger Bestandteil der Urologie, der leider nicht immer genügend Wertschätzung erfährt. Mein alter Chef, Prof. Zechner, sagte am Beginn der Ausbildung zu mir: „Wenn Sie Kinderurologie machen wollen, üben Sie sich schon einmal in Armut, Demut und Bescheidenheit – frei nach Rudi Hohenfellner.“ Ganz so schlimm ist es dann ja doch nicht gekommen, aber im Prinzip ist das richtig: Die Verdienstmöglichkeiten sind realistisch gesehen in der Erwachsenenurologie einfach besser. Kinderurologie zu betreiben ist zeitlich aufwändiger, verlangt andere Ressourcen, wie zum Beispiel speziell geschultes Pflegepersonal, und ist letztendlich nichts, das nebenbei gemacht werden kann. Das macht die Kinderurologie für den (urologischen) Alltag nicht so interessant.
Persönlich finde ich Schwerpunkte gut, weil jedes Fach mittlerweile Subspezialitäten hat, was es unmöglich macht, sich überall exakt bis in letzte Detail am Laufenden zu halten. Das Fach ist so breit gefächert, dass es einfach unwahrscheinlich ist, in allen Gebieten in Theorie und Praxis immer ganz „up to date“ zu sein. Natürlich bekommt man auf Fortbildungen immer einen Überblick, was sich in der urologischen Welt tut, aber zwischen einem generellen Überblick und dem tatsächlichen Anwenden in der Betreuung der Patienten mit speziellen, seltenen Krankheitsbildern besteht doch ein großer Unterschied. Auch in der Kinderurologie werden bestehende Konzepte regelmäßig angepasst, die Therapiestrategien geändert, weg von genormten „Wenn A, dann B“-Konzepten, hin zu patienten- und symptomorientierten Vorgangsweisen.
Meiner Erfahrung nach gibt es auch viele Menschen, die lieber im niedergelassenen Bereich behandelt werden und den Spitalsbesuch möglichst vermeiden wollen. Gerade hier wäre es für die Patienten wünschenswert, wenn Kollegen, die Spezialausbildungen haben, auch in die Niederlassung gehen und ihr Wissen außerhalb des Spitals anbieten. Das macht das Arbeiten ja prinzipiell auch einfacher – wenn ich mit meinem Wissen nicht weiterkomme, gibt es Kollegen, zu denen ich Patienten zur weiteren Behandlung schicken kann. Niemand kann und muss Spezialist für alles sein, Patienten sind ja im Gegenteil auch dankbar, wenn man ihnen mitteilt, wo die eigenen Grenzen sind, und sie an eine Stelle weiterleitet, an der sie gut betreut sind. Dies sollte natürlich auch im Bereich der Kassenordinationen inkludiert und gefördert und auch entsprechend honoriert werden.
Die Urologie ist sowohl operativ als auch konservativ sehr breit gefächert und besteht nicht nur aus Onkologie. Überschneidungen mit anderen Fächern wie Gynäkologie oder Kinderchirurgie sind unvermeidbar. Die Frage wird sein, wie viel an Kompetenz wir mehr oder weniger freiwillig an andere Fächer abgeben oder verlieren, wie zum Beispiel die Diskussion um die Zystoskopie durch Gynäkologen zeigt, und damit unser eigenes Fach einschränken. Was natürlich sehr schade wäre, denn gerade die Vielfältigkeit macht die Urologie so spannend.
Ich möchte keine generellen Ratschläge geben, für jeden bedeutet Zufriedenheit in der Arbeit oder Ausbildung etwas anderes. Der eine wird sein Glück in der Perfektionierung von Operationstechniken finden, der andere in der Andrologie, in der klinischen Forschung oder in der Niederlassung. Wichtig ist, während der Ausbildung in sich zu horchen, wo man sich wiederfindet, und dann seinen Weg zu gehen – dann wird man immer seinen Platz finden.
Danke für das Gespräch!
SPECTRM Urologie dankt Dr. Eredics für die Interviewführung und Dr. Altenhuber als Interviewpartnerin.