Zum Symptomenkomplex einer „Overactive Bladder“ zählen die Pollakisurie und Drangsymptomatik mit oder ohne Harninkontinenzereignisse. Primär erfolgt eine orale medikamentöse anticholinerge Therapie. Sollte diese Therapie nicht zum gewünschten Erfolg führen bzw. ausgeprägte Nebenwirkungen auftreten, stellt die transurethrale Injektion von BTX-A in den Detrusormuskel eine relativ neue und minimal invasive Off-Label-Therapieoption dar (Abb. 1). BTX-A unterdrückt die Freisetzung von Acetylcholin an den präsynaptischen Nervenendigungen und unterbindet somit die Reizüberleitung. Die Effekte sind reversibel, da es zu einem Abbau des Toxins kommt, cholinerge Synapsen neu gebildet werden (nerve sprouting) und Proteinkomplexe (präsynaptisch) neu synthetisiert werden. Im Jahr 1999 wurde durch Stöhrer und Schurch et al. die neurogene Detrusorüberaktivität erstmals durch eine BTX-A-Injektion in den Detrusormuskel therapiert, seitdem ist die Wirkung und der positive therapeutische Effekt von BTX-A bei der überaktiven Blase (sowohl neurogener als auch idiopathischer Genese) ausreichend belegt, so dass BTX-A in der Therapie der überaktiven Blase mittlerweile eine bedeutende Rolle einnimmt.
Eigene prospektive Untersuchungen zeigen nach Injektion von BTX-A (500 MU Dysport®, Ipsen Pharma) eine signifikante Reduktion sowohl der Miktionsfrequenz, der Drangsymptomatik als auch der Inkontinenzereignisse bei einer medianen Wirkdauer von ca. 6 Monaten verbunden mit einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität. Erste Daten bezüglich der Wirkung bei wiederholter Applikation sind ebenfalls sehr viel versprechend und deuten auf keinen relevanten Wirkverlust hin. Allerdings kann sowohl initial als auch nach wiederholter Therapie bei einigen Patienten ein Therapieversagen unklarer Ursache beobachtet werden.
Ziel dieser prospektiven Untersuchung war es, die Antikörperinduktion (BTXA/ AK) bevor und nach ein-/mehrmaliger BTX-A-Injektion (500 MU Dysport®, Ipsen Pharma) in den M. detrusor vesicae und deren klinische Relevanz zu evaluieren. Bei 31 Patienten (27 w, 4 m, _ 63,5 J) mit den Symptomen einer nicht neurogenen überaktiven Blase wurden prospektiv neutralisierende BTXA/ AK (Toxogen, Hannover) prä- und postoperativ (3 Monate) erfasst.
BTX-A-Antikörper-Induktion: Gruppe A (n = 11) erhielt erstmals BTX-A, Gruppe B (n = 16) hatte bereits eine BTX-A-Injektion und Patienten der Gruppe C (n = 4) zwei vorangegangene BTX-A-Injektionen. Der klinische Erfolg wurde mittels Fragebögen (ICI-Questionnaire SF/KHQ) evaluiert.
Alle Patienten der Gruppe A zeigten vor Therapie negative Antikörpertiter. 3 Monate nach der ersten BTX-A-Injektion zeigte ein Patient eine grenzwertige Antikörpererhöhung (Borderline).
In Gruppe B zeigten alle Patienten vor der ersten BTX-A Gabe einen negativen Titer. In der Kontrolluntersuchung nach drei Monaten zeigte sich bei drei Patienten ein grenzwertig erhöhter BTX-A/AKTiter. Alle diese Patienten erhielten im Intervall eine zweite BTX-A-Injektion bei Wirkungsverlust.
In Gruppe C hatten zwei Patienten einen grenzwertig erhöhten und zwei Patienten einen negativen Titer vor der zweiten BTX-A-Applikation. Drei Monate danach erhöhte sich bei einem Patienten der Titer in den eindeutig positiven Bereich, bei den anderen dreien blieb der Titer-Spiegel unverändert. Alle diese Patienten erhielten eine dritte BTX-A-Injektion.
Es zeigten sich also bei der Gesamtgruppe eine Veränderung der BTX-A/AK-Titer bei fünf Patienten (16 %) und ein eindeutig positiver Titer bei einem Patienten (3,2 %) (Abb. 2).
BTX-A-Antikörper – klinische Relevanz: Veränderungen der BTX-A/AK-Titer bedeuteten allerdings nicht gleichzeitig eine Veränderung des Therapieerfolges. Um dies zu eruieren, wurden die Patienten der Gruppe B (nach 2-mal BTX-A) und Gruppe C (nach 3-mal BTX-A) ausgewertet. In Gruppe B zeigte sich lediglich bei einer der drei Patienten mit einem Borderline-Befund nach erstmaliger Gabe ein klinisches Versagen der Therapie. In der Gruppe C zeigte der Patient mit dem eindeutig positiven BTX-A/AK-Titer nach zweiter BTX-A-Applikation klinisch kein ausreichendes Ansprechen nach der dritten Applikation. Eine klinische Relevanz bei Änderungen der Titerspiegel fand sich also lediglich bei 10 % (n = 2) (Abb. 3).
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass dies die ersten Daten bei Patienten mit dem Krankheitsbild einer nicht neurogenen überaktiven Blase sind, bei welchen die Antikörperinduktion und deren klinische Relevanz bei erneuter BTX-AApplikation (500 MU Dysport®, Ipsen Pharma) evaluiert wurde. Es zeigte sich eine Veränderung der Titer-Spiegel im Sinne einer Induktion bei 16 % der Patienten und eine klinische Relevanz bei 10 %, so dass bei einem Therapieversagen nach BTX-A-Injektion (ein- oder mehrmalige Injektion) die BTX-A/AK-Induktion als mögliche Ursache überprüft werden sollte. Wie man Patienten mit einem positiven BTX-A/AK-Titer und Therapieversagen therapeutisch (weiter-)betreut, ist unklar, genauso inwieweit die applizierte Menge und die Injektionsorte die BTX-A/AK-Induktion beeinflussen. Erste eigene Daten deuten darauf hin, dass sich der BTX-A/AK-Titer wieder normalisieren kann („Drug Holiday“), so dass ein erneuter Versuch der BTX-A-Applikation eventuell erfolgreich sein könnte. Aus diesem Grund sind weitere prospektive Untersuchungen unerlässlich, um die Induktion von BTX-A/AK und deren klinische Relevanz im Langzeitverlauf mit dem Ziel einer optimierten Patientenund Therapieauswahl zu evaluieren.
Take Home Message
Die transurethrale Injektion von BTX-A in den Detrusormuskel stellt eine relativ neue und minimalinvasive Off-Label-Therapieoption dar. Der positive therapeutische Effekt von BTX-A bei der überaktiven Blase (sowohl neurogener als auch idiopathischer Genese) ist ausreichend belegt, so dass BTX-A in der Therapie der überaktiven Blase eine bedeutende Rolle einnimmt.
In einer prospektiven Untersuchung wurde bei Patienten mit nicht neurogener überaktiver Blase die Antikörperinduktion (BTX-A/AK) vor und nach ein-/mehrmaliger BTX-A-Injektion in den M. detrusor vesicae und deren klinische Relevanz evaluiert. Offene Fragen müssen in weiteren prospektiven Untersuchungen abgeklärt werden.
Literatur beim Verfasser