Das metabolische Syndrom ist häufig mit verschiedenen neurologischen, respiratorischen, gastrointestinalen, kardiovaskulären und anderen Komorbiditäten vergesellschaftet. Bei alten Männern wurden ebenfalls Komponenten des metabolischen Syndroms identifiziert, die mit Symptomen des unteren Harntraktes (LUTS) assoziiert sind. Ziel der Studie „metabolic syndrome in female patients with overactive bladder“ von Uzun H und Zorba OU (Poster 875) war die Untersuchung der Hypothese, ob das metabolische Syndrom mit dem Auftreten einer überaktiven Harnblase (OAB) bei der Frau in Zusammenhang steht. 313 Frauen mit Symptomen der OAB und 208 Frauen ohne Symptome der OAB, alterskorrigiert, wurden in die Studie eingeschlossen. Die Kriterien für das metabolische Syndrom wurden entsprechend der International Diabetes Federation definiert. Ein metabolisches Syndrom wurde bei 201/313 (64 %) Frauen mit OAB und bei 73/208 (35 %) ohne OAB diagnostiziert (p = 0,002). Die Studiengruppe fand, dass das metabolische Syndrom statistisch signifikant mit dem Vorhandensein einer OAB bei Frauen korreliert und möglicherweise einen ätiologischen Faktor für das Auftreten einer OAB darstellt. Weitere Untersuchungen zur Feststellung, ob eine suffiziente Behandlung des metabolischen Syndroms Symptome der OAB zu verhindern oder zu reduzieren im Stande ist, sind nötig.
SOFIA-Studie/Fesoterodin: Wagg A und Mitarbeiter untersuchten in einer doppelblinden, placebokontrollierten paneuropäischen Studie „Assessment of Fesoterodine treatment in older people with overactive bladder: Results of SOFIA, a double-blind, placebocontrolled Pan European Trial“ (Poster 880) die Effektivität, Verträglichkeit und patientenberichtete Outcome von Fesoterodin versus Placebo bei der Behandlung der OAB bei älteren Personen, einer bis dato schlecht untersuchten Studienpopulation. 794 Personen mit einem medianen Alter von 72 Jahren (32 % über 75 Jahre, 47 % Männer, 45 % mit Dranginkontinenz) wurden randomisiert. Die Behandlung startete mit 4 mg Fesoterodin. Nach 4 bzw. 8 Wochen konnten die Patienten die Dosis auf 8 mg Fesoterodin erhöhen. Der primäre Endpunkt dieser Studie war die Änderung der Drangepisoden (Urgency episodes) nach 12 Wochen gegenüber dem Ausgangswert. Nach 4 Wochen entschlossen sich 53 % in der Fesoterodin-Gruppe die Dosis auf 8 mg zu erhöhen, 67 % in der Placebo-Gruppe. Die mittlere Reduktion der Drangepisoden war in der Fesoterodin-Gruppe größer als in der Placebo-Gruppe (≤75 Jahre: –4,0 vs. –2,7; > 75 Jahre: –3,5 vs. –1,9). Einen Behandlungsbenefit bei den ≤ 75-Jährigen gaben 68 % in der Verum-Gruppe und 48 % in der Placebo-Gruppe an (> 75 Jahre: 67 % vs. 32 %).
In der Fesoterodin-Gruppe fand sich ein trockener Mund in 34 % (71 % mild) und eine Obstipation in 9 % (57 % mild) der Behandelten. Es zeigte sich keine Änderung im Mini Mental State Examination Score. Die Behandlung mit Fesoterodin war mit einer klinisch und statistisch signifikanten Verbesserung des patientenberichteten Therapieerfolges vergesellschaftet und wurde von den älteren Patienten generell gut vertragen.
Propiverin & Alphablocker: Antimuskarinika stellen die Eckpfeiler bei der Therapie der OAB dar. Alphablocker werden dagegen als Erstlinienbehandlung zur Therapie des LUTS auf Boden einer BPH eingesetzt. Es hat sich gezeigt, dass sich bei manchen männlichen Patienten eine Kombination der beiden Medikamentengruppen im Vergleich zu einer Monotherapie als Vorteil erwiesen hat. Oelke M et al. untersuchten in ihrer Studie die Effektivität und Sicherheit von Propiverin-ERMonotherapie oder in Kombination mit einem Alphablocker bei der Behandlung der männlichen OAB (Treatment of male OAB with Propiverin ER: Does combination with A-Blockers change efficacy or safety?) (Poster 881). Männer mit befehlhaftem Harndrang, Pollakisurie, Nykturie (≥ 2/Nacht), Qmax ≥ 10 ml/sek, Prostatavolumen < 40 ml und IPSS (Internationaler Prostata-Symptomen-Score) < 20 wurden mit Propiverin ER 30 mg 1×1 oder in Kombination mit einem Alphablocker behandelt. OAB-Symptome, IPSS und Restharn wurden am Beginn und nach 12 Wochen Behandlung bestimmt. Als Sicherheitsparameter fungierten der Restharn, Inzidenz von Harnverhaltung und patientenberichtete Nebenwirkungen. 1.849 Männer (~ 65,8 Jahre) erfüllten die Einschlusskriterien. Diese Behandlungsgruppe wurde in 2 Gruppen unterteilt, entsprechend dem Ausgangs-Qmax (Gruppe A:Qmax ≥ 15 ml/sek, 770 Männer; Gruppe B: Qmax < 15 ml/sek, 1.079 Männer). Alle OAB-Symptome und der IPSS verbesserten sich signifikant in allen Behandlungsgruppen. In der Gruppe B reduzierte sich der IPSS signifikant gegenüber der Monotherapiegruppe. Der durchschnittliche Restharn zeigte unter Therapie keine Veränderung in den beiden Gruppen. Zweimal trat eine Harnverhaltung auf (je einmal in der Gruppe A und B).
OAB-Symptome können erfolgreich und sicher in der täglichen Routine mit Propiverin ER bei Männern mit einem Ausgangs Qmax ≥ 10 ml/sek behandelt werden. Eine Kombination mit einem Alphablocker bringt keinen zusätzlichen positiven Effekt, mit Ausnahme einer IPSSRe duktion bei Männern mit einem Ausgangs Qmax < 15 ml/ sek.
Tolterodin & Pilocarpin bei Mundtrockenheit: Mundtrockenheit ist die am häufigsten berichtete Nebenwirkung bei der Behandlung mit Antimuskarinika, wodurch auch häufig eine Dosiseskalation nicht möglich ist. Diese Nebenwirkung hat einen negativen Einfluss auf die Toleranz und Compliance der behandelten Patienten. Paborji M und Flugel R untersuchten in ihrer Studie (Phase I Evaluation of THVD-201, a fixed-dose combination of Tolterodine and Pilocarpine, to eliminate the dry mouth side effect of anti-muscarinic therapy for overactive bladder) (Poster 882) bei 18 gesunden Männern, ob eine Kombination (THVD-201) von Tolterodin 2 mg mit dem Muskarin-Agonisten Pilocarpin (ein Speichelstimulans) die Mundtrockenheit ver mindern kann. Eine Subgruppe von 8 Männern erhielt die Kombination THVD-201 mit einer Tolterodin-IR-Dosis von 4 mg. Periodische Messungen des stimulierten Speichelflusses, als Indikator für Symptome des trockenen Mundes, wurden durchgeführt. Die fixe Dosiskombination von THVD-201 wurde von den Probanden besser vertragen als Tolterodin oder Pilocarpin allein. Unter THVD-201 kam es im Vergleich zum Ausgangswert zu einem Anstieg des Speichelflusses und damit zu einer Reduktion der Symptome des trockenen Mundes im Vergleich zur Tolterodin-Monotherapie. THVD-201 stimuliert die Speicheldrüsen und könnte bei der Behandlung von Patienten mit OAB nützlich sein, um die Inzidenz der Mundtrockenheit zu reduzieren und eine Dosiseskalation zu ermöglichen. Eine derzeit laufende Phase-2-Studie untersucht die Kombination (THVD-201) von Tolterodin und Pilocarpin bezüglich ihrer Sicherheit und Effektivität bei OAB-Patienten. Die Ergebnisse werden bereits mit Spannung erwartet.
Mirabegron: Neben antimuskarinergen Medikamenten wurden andere medikamentöse Therapien zur Behandlung der OAB entwickelt, unter anderem der selektive _3-Adrenozeptor-Agonist Mirabegron. Khullar V und Mitarbeiter untersuchten in einer multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten und aktiv kontrollierten (Tolterodin SR 4 mg) Studie die Effektivität und Verträglichkeit von Mirabegron (50 mg und 100 mg) bei Patienten mit Symptomen der OAB in Europa und Australian (The efficacy and tolerability of Mirabegron in patients with overactive bladder. Results from a European- Australien Phase 3 Trial) (Poster 886). Die primären Endpunkte waren die Änderung der Inkontinenzepisoden/24 Stunden und die Miktionsfrequenz/24/Stunden laut dem geführten Miktionsprotokoll. 1.978 Patienten wurden randomisiert und erhielten die Studienmedikamente (Placebo: 494; Mirabegron 50 mg: 493; Mirabegron 100 mg: 496; Tolterodin SR 4 mg: 495). Das durchschnittliche Alter betrug 59,1 Jahre, 72,2 % waren Frauen, 39,5 % Dranginkontinenz, 37,8 % nur Drangsymptomatik und 22,7 % Mischinkontinenz mit Überwiegen der Drangsymptomatik. Bei Studienende zeigte sich in beiden Mirabegron-Dosierungen eine statistisch signifikante Überlegenheit im Vergleich mit Placebo. Dies konnte bereits nach 4 Wochen Therapie festgestellt werden. Die Inzidenz der Nebenwirkungen war in allen Therapiearmen ähnlich (zwischen 40,1 % und 46,7 %). Die häufigsten berichteten Nebenwirkungen (≥ 3%) waren Bluthochdruck (5,4 bis 8,1 %), Mundtrockenheit (2,6–10,1 %) und Kopfschmerzen (2,8–3,7 %). Diese 12-wöchige Studie bei Patienten mit OAB demonstrierte im Vergleich zu Placebo eine statistisch signifikante Verbesserung der OAB-Symptome bei Patienten, die mit Mirabegron behandelt wurden, bei gleichzeitig guter Verträglichkeit. Zum gleichen Ergebnis kam eine nordamerikanische Phase-III-Studie von Nitti V et al. (The efficacy and safety of Mirabegron in patients with overactive bladder syndrom – results from a north-american Phase 3 Trial) (Poster 885).