Ein 58-jähriger Mann sucht erstmals die Ordination auf.
Die Anamnese ist bland, keine relevanten Voroperationen/Vorerkrankungen. Der Patient wirkt sportlich, normalgewichtig; kein Nikotinabusus, gelegentlich 1–2 Gläser Wein abends. Der Patient nimmt keine Medikamente regelmäßig. Urologische Anamnese ebenfalls bland, negative Familienanamnese bezüglich urologischer/onkologischer Erkrankungen.
Sozialanamnese: Der Patient ist Angestellter, geschieden, 2 erwachsene Kinder, seit 1 Jahr lebt der Patient mit einer neuen Partnerin zusammen.
Symptome: Der Patient gibt zunehmend Miktionsbeschwerden an, Nykturie 2-mal, der Harnstrahl ist besonders nachts und am Morgen schwach, Miktionsfrequenz untertags 6–7-mal, keine Dysurie, keine Hämaturie, gelegentlich Restharngefühl; IPSS 19, IPSS-QL 3
Vita sexualis: normale Libido, normales Orgasmusgefühl; Patient erlebt mit der neuen Partnerin ein erfülltes Sexualleben
Klinische Untersuchung: unauffällig, rektal findet sich eine leicht vergrößerte, nichtsuspekte und nichtdruckdolente Prostata.
Befunde: Harnbefund: pH 6, o. B., US/RH: 40 ml, kleiner Mittellappen (10 mm), oberer Harntrakt sonografisch unauffällig, PSA (über Hausarzt gemacht): 0,8 ng/ml; Prostatavolumen (transabdominal bestimmt): ca. 35 ml
Befundbesprechung:
Bei der Kontrolle nach 8 Wochen gibt der Patient an, dass sich die Beschwerden beim Wasserlassen gebessert haben, aber nicht vollständig verschwunden sind. Er kann aber mit dem jetzigen Zustand gut leben. Er berichtet weiters über keine Nebenwirkungen hinsichtlich der Vita sexualis. Man kommt überein, die Phytotherapie weiter zu nehmen und nach 5–6 Monaten einen Auslassversuch zu unternehmen.
Die Rolle der Phytotherapie bei BPH/LUTS wird seit Jahrzehnten kontroversiell diskutiert. Keine der relevanten BPH/LUTS-Leitlinien konnte sich zu einer klaren Empfehlung für deren Einsatz durchringen. Gründe hierfür sind die sehr heterogene Studienlage, Heterogenitäten der verschiedenen Präparate und uneinheitliche Metaanalysen. In Vergleichsstudien mit einer aktiven Substanz (Tamsulosin/Finasterid) konnte meist eine Äquipotenz hinsichtlich der Verbesserung der Symptome und des Qmax nachgewiesen werden. Die methodisch besten placebokontrollierten Studien waren allerdings durchwegs negativ.