Das Medikament ist ein so genanntes „Alpha-Pharmazeutikum“, das radioaktive Alphastrahlung abgibt. Radiumbasierte Alpha-Pharmazeutika wie Alpharadin verhalten sich im Körper sehr ähnlich wie das natürliche Kalzium im Knochen, um sich gezielt in Regionen mit erhöhtem Knochenstoffwechsel in und um Knochenmetastasen herum anzulagern. Auf dem GU ASCO wurden keine wesentlich neuen Daten vorgestellt, sondern einfach noch einmal der Überlebensvorteil in verschiedenen Varianten analysiert. Es zeigte sich, dass Alpharadin bei kastrationsresistenten PCa-Patienten mit Knochenmetastasen und vorangegangener Docetaxel-basierten Chemotherapie gegenüber Placebo einen Überlebens-Benefit bringt. Ein Vorteil ist sicher auch die nachgewiesene Verzögerung der Wirbelsäulenkompression. Man weiß, dass sich Metastasen vornehmlich im Bereich der Wirbelsäule oder des kleinen Beckens bemerkbar machen, sodass man mit Alpharadin einen palliativen Vorteil gegenüber anderen Substanzen hat, die kaum eine schmerztherapeutische Wirkung aufweisen. Somit wird für Patienten mit ossärer Metastasierung und/oder ausgeprägter Schmerzsymptomatik mit Alpharadin eine analgetisch gut wirksame Therapie zur Verfügung stehen.
Ja, in diese Richtung gehend wurden Untersuchungen in Hinblick auf das Ansprechen auf Docetaxel nach vorangegangener Exposition gegenüber Abirateron präsentiert. Manche Urologen und Onkologen setzten ja auch schon Abirateron vor Docetaxel ein. In den Untersuchungen zeigte sich, dass in dem Fall das Ansprechen auf Docetaxel und die Überlebenszeit deutlich geringer sind als in der klassischen Abfolge Docetaxel–Abirateron. Es besteht die Vermutung, dass es eine gewisse Kreuzresistenz zwischen den Substanzen gibt. Bisher basiert die Vermutung allerdings auf kleinen Patientenkollektiven. Weitere Untersuchungen sollen Klarheit bringen. Es wurden auch Untersuchungen2 gestartet, bei welcher Zweitliniensubstanz nach Docetaxel – also Cabazitaxel, Abirateron oder Docetaxel-Rechallenge – das Ansprechen am besten ist. Demzufolge haben jene Patienten, die auf eine primäre Docetaxel-Therapie (v. a. Patienten mit einer PSA-Senkung um mindestens 30–50 %) gut angesprochen haben, auf eine Docetaxel-Rechallenge die längsten progressionsfreien Zeiten.
Das Flare-up-Phänomen definiert bekanntlich einen PSA-Anstieg, der aber nicht auf eine Progression, sondern nur auf eine verstärkte Apoptose von Tumorzellen zurückzuführen ist. Ein Flare-up-Phänomen sieht man vorzugsweise während der ersten drei Zyklen einer Docetaxel-Therapie, d. h. hier kann es zu einem falsch-positiven Anstieg des PSA-Wertes kommen. Auf Basis unserer Studiendaten mit 457 Patienten können wir sagen, dass eine Docetaxel-basierte Chemotherapie immer bis zum 4. Zyklus, unabhängig vom PSA-Verlauf durchgeführt werden sollte. Ab dem 4. Zyklus kann man bei Patienten mit Flare-up-Phänomen oder PSA-Anstieg zwischen Progression und Flare-up-Phänomen differenzieren. In unserer Studie zeigte sich ein Flare-up-Phänomen bei rund 30 % der Patienten, nur 4 % waren tatsächlich progredient.
In der Studie von Smith M et al.4 wurde die Wirksamkeit von Denosumab bei kastrationsresistenten PCa-Patienten mit dem größten Knochenmetastasierungsrisiko untersucht, und zwar bei jenen mit einer PSA-Verdoppelungszeit von < 6 Monaten (ein Cut-off basierend auf einer früheren Studie von Smith [JCO 2005; 23:2918–2925]. Gegenüber Placebo verlängerte Denosumab das knochenmetastasenfreie Überleben um mehr als 7 Monate, was einer Risikoreduktion von 23 % verglichen mit Placebo entspricht. Diese Studie ist insofern durchaus interessant, als bislang gesagt wurde, man solle knochengerichtete Therapien erst bei bereits vorhandenen Knochenmetastasen einsetzen. Mit diesem Vorteil von über 7 Monaten könnte man durchaus sagen, dass Denosumab möglicherweise auch einen präventiven Effekt auf zirkulierende Tumorzellen hat und dass es überlegenswert ist, die Substanz zumindest bei jenen Patienten, die eine rasche PSA-Verdoppelungszeit aufweisen, sehr früh einzusetzen. Möglicherweise ist man in diesem Fall aber häufiger mit Kiefernekrosen konfrontiert, da deren Auftreten mit der Zeitdauer der Exposition gegenüber der Substanz zusammenhängt.
Ich denke, es wird wohl schon auch die Zukunft im klinischen Alltag sein, zumindest bei den kleinen Tumoren (< 2–3 cm, abhängig von den Komorbiditäten des Patienten) auf das Konzept der Active Surveillance überzugehen. Gerade wenn der Patient ausgeprägte Komorbiditäten aufweist, wird man vielleicht in Zukunft seltener so rasch wie bislang operieren. Ähnlich wie beim Prostatakarzinom ist es etwas unklar, welche Kriterien man anwendet, um eine aktive Therapie einzuleiten. Denn geht man nach den häufig angegebenen Kriterien wie etwas Wachstumsrate pro Jahr im CT, wäre dies eine relativ subjektive Messung. Im Einzelfall könnte so ein progredienter Tumor übersehen oder falsch eingeordnet werden. Es wird demnach sicherlich noch an genaueren Kriterien, die zu einer entsprechend aktiven Therapie führen, gearbeitet werden müssen. Bislang ist der Therapiestandard bei allen Tumoren bis zu einer Größe von 7 cm die organerhaltende Tumorenukleation. Die Studienlandschaft zeigt aber, dass diese Leitlinie nur in 40 % eingehalten wird und dass viele Kollegen bei etwas größeren Tumoren fälschlicherweise zur Nephrektomie übergehen.
Das Vorgehen ist individualisiert, würde ich sagen. Es gibt mehrere publizierte Studien bzw. wurden auch am diesjährigen GU ASCO Arbeiten präsentiert, welche die Aussage zulassen, dass man bei jenen Patienten, die trotz einer metastasierten Grunderkrankung eine günstige Prognose haben (d. h. eine geringe Tumorlast, kein eingeschränkter Allgemeinzustand, keine ausgeprägte B-Symptomatik (Fieber, massiver Nachtschweiß, Gewichtsverlust [im Prinzip nach den Motzer-Kriterien eine günstige Prognose]), eine zytoreduktive Nephrektomie auf jeden Fall in den Vordergrund zu stellen. Den Studien zufolge profitieren demnach Patienten mit einer ungünstigen Prognose nicht von einer zytoreduktiven Nephrektomie. Hier wird man daher eher auf diese verzichten. Bei Patienten mit intermediärer Prognose kommt es sehr individuell auf Tumorgröße, Infiltrationen in Begleitorganen etc. an. Die neoadjuvante zielgerichtete Therapie ist kein Standard, aber im Einzelfall eine Option.
Die Forderung nach personalisierter Medizin besteht schon lange, und dahingehende Untersuchungen laufen seit einigen Jahren. Derzeit kann man noch nicht von personalisierter Medizin sprechen, da auch Biomarker im Zweifelsfall das Ansprechen/Nichtansprechen auf die Therapie nicht vorhersagen können. Nehmen wir das Beispiel Prostatakarzinom und zirkulierende Tumorzellen: zirkulierende Tumorzellen sind derzeit durchaus ein Biomarker, der mit der Prognose vergesellschaftet ist. Allerdings: hat der Patient vor Therapiebeginn eine hohe Anzahl an zirkulierenden Tumorzellen, wäre dieser ein Patient mit ungünstiger Prognose. Wird die hohe Anzahl aber im Zuge der Therapie in eine niedrige Anzahl zirkulierender Tumorzellen konvertiert, hat der Patient wieder eine günstige Prognose. Das heißt, auch hier können wir derzeit vor der Therapie noch nicht vorhersagen, wer welches Outcome hat und wer z. B. für eine kostenintensivere Therapie ein günstiger Kandidat wäre bzw. wer eher nicht, da eine kürzere Überlebenszeit vorliegen wird. Bei anderen Tumoren ist dies nicht anders. Bis wir verlässliche Marker haben, die mit dem Ansprechen korrelieren, wird es noch Jahre dauern.
Urologen haben in dieser Hinsicht eine extrem wichtige Rolle. Gerade bei den testikulären Keimzelltumoren können wir heute 90 % der Patienten unabhängig vom ihrem primären Tumorstadium heilen. Wir wissen heute, dass je intensiver die systemische Therapie der Patienten war, umso größer mit 20–30-jähriger Verzögerung das Risiko für Langzeitkomplikationen ist. In erster Linie machen sich diese Komplikationen im kardiovaskulären Bereich sowie an endokrinologischen und metabolischen Veränderungen bemerkbar. Diese Patienten haben auch ein erhöhtes Risiko für sekundäre Malignome. Hier hat der Urologe bzw. auch der Hausarzt die Verantwortung, diese Patienten entsprechend nachzuuntersuchen. Der Urologe wird diese Patienten erst 5 bis 7 Jahre nachuntersuchen. Dann wird man die Nachsorge bei den Hodentumoren in erster Linie einstellen, da bei diesen Patienten die onkologischen Rezidivraten minimal sind. Der Patient geht dann in die Fürsorge des Hausarztes über, um metabolische bzw. kardiologische Veränderungen zu analysieren und frühzeitig präventive Vorkehrungen zu treffen.