Die moderne Hämodialyse ist neben Peritonealdialyse und Nierentransplantation die übliche Therapieoption für Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz. Zurzeit befinden sich in Österreich mehr als 4.500 Patienten in einem der zwei Programme der Nierenersatztherapie.1 Das vorrangige Ziel der Dialyse ist, mithilfe eines extrakorporaler Zirkulationssystems die für das urämische Syndrom charakteristischen Azotämie-, Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Säure-Base-Anomalien zu lindern. Hauptprinzip der Dialyse ist, unter Verwendung einer semipermeablen Membran Stoffwechselabfälle oder Giftstoffe im Blut zu filtern und durch die Dialyseflüssigkeit abzutransportieren. Dies geschieht mithilfe Diffusion entlang eines Konzentrationsgefälles zwischen Blut und Dialysat, wobei zusätzlich durch Ultrafiltration ein Flüssigkeitsentzug durch hydrostatischen Druckunterschied erfolgt.
Um die Dialyse durchführen zu können, benötigen die Patienten einen für den notwendigen hohen Blutfluss angelegten Zugang. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: entweder eine chirurgisch angelegte AV-Fistel (Shunt) oder ein getunnelter dauerhafter zentralvenöser Zugang (Perm-Cath). Zugang der Wahl ist bei den meisten Patienten der Shunt, aber bei multimorbiden Patienten mit schlechter Gefäßsituation und/oder fortgeschrittener Herzinsuffizienz wird der Katheter angelegt, um eine zusätzliche kardiale Belastung zu vermeiden. Ein großer Nachteil des Perm-Caths ist die Infektanfälligkeit, weshalb der Katheter oft gewechselt werden muss, was die Zugangsgefäße zusätzlich schädigt und bei einigen Patienten zu schwerwiegenden Folgen führen kann.
Darunter fallen in erster Linie Septikämien, die in weiterer Folge zu einer Endokarditis oder Spondylodiszitis führen können. Ein zweites großes Problem beim Perm-Cath sind Katheterobstruktionen durch Thrombosen, die den Blutfluss reduzieren und zusätzlich zu Gefäßthrombosen führen können (das höchste Thromboserisiko besteht in der V. femoralis). Hingegen kommen beim Shunt, dadurch dass das Gefäß mehrmals pro Woche angestochen werden muss, häufig Gefäßstenosen und auch -thrombosen vor. Letztere müssen prinzipiell sehr rasch interveniert werden, um den Shunt retten zu können. Weitere klinische Komplikationen des Shunts sind Infektionen durch Hämatome, ein Steal-Phänomen und bereits erwähnte kardiale Belastung. Diese führt durch Reduktion des peripheren Wiederstandes und gesteigerter Herzauswurfleistung aufgrund erhöhten venösen Rückstroms zur hyperdynamischen Zirkulation und zu einer Verminderung der subendokardialen Perfusion.
Die Mehrheit der intermittierenden Hämodialyse-Behandlungen verläuft für die Patienten ohne spürbare Nebenwirkungen. Bei 20–30 % der Behandlungen treten Nebenwirkungen (z. B. Kopfschmerzen, Übelkeit, Muskelkrämpfe) oder schwerwiegendere Zwischenfälle wie Rhythmusstörungen oder Hypotonien auf. Schwere Nebenwirkungen sind relativ selten und oft mit Standardprozeduren (Kopftieflage, Flüssigkeitsinfusion, Beendigung der Behandlung und Retransfusion des Blutes aus dem extrakorporalen Kreislauf etc.) gut zu beherrschen. Da wiederholt dieselben Patienten betroffen sind, wird die Ursache von Nebenwirkungen an der Dialyse eher beim Patienten („verminderte Anpassungsfähigkeit“) als bei der Durchführung der Dialyse gesehen. Dialysepflichtige Niereninsuffizienz führt zu vielen Komplikationen, unter anderem auch zu einer erhöhten Inzidenz der kardiovaskulären Erkrankungen. Somit haben urämische Patienten gegenüber Vergleichspopulationen ein etwa 15–20-fach erhöhtes Risiko, an einer kardialen Todesursache zu versterben. Weitere wichtige Komorbiditäten, die im Rahmen der chronischen Dialyse entstehen, sind: Anämie, Störungen des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels, Hypertonie, GI-Störungen, dialyseassoziierte Amyloidose, Infekte durch geschwächtes Immunsystem u. v. a.
Chronisches dialysepflichtiges Nierenversagen wird hauptsächlich durch prärenale und renale Ursachen ausgelöst. Die postrenalen Grunderkrankungen machen hingegen ca. 5 % aller akuten Nierenversagen aus. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um obstruktive Harnwegserkrankungen, die bei verzögerter Therapie (> 4–6 Wochen) zu irreversiblem Schaden führen können. Ursachen eines postrenalen akuten Nierenversagens sind Steine (sofern beide Nieren betroffen sind oder eine Einzelniere vorliegt), eine Prostatahyperplasie, Tumoren des Urogenitaltrakts sowie eine Obstruktion durch Kompression der harnableitenden Wege von außen.
Kt/V (Harnstoffclearance) ist einer der am häufigsten verwendeten Parameter zur Bestimmung der Qualität der Dialyse, da er einfach zu berechnen ist und einen gewissen Einblick in die Beurteilung des Überlebens von Dialysepatienten gibt. Das Kt/V beschreibt das Verhältnis von durch die Dialyse vollständig entgiftetem Blut und dem zu entgiftenden Verteilungsvolumen des Patienten. Kt/V entspricht einer nach Körpergröße standardisierten Dialysedosis und ist somit individuell regelbar.2 Die erste prospektive randomisierte Studie dazu gab es bereits 1980. Daraus wurde abgeleitet, dass ein Kt/V von 1 einer ausreichenden Dialysedosis entspricht und dass jede Dosis darunter die Mortalität erhöht.3 Zwischenzeitlich wurde belegt, dass höhere Dosen die Mortalität allerdings nur bis zu einer gewissen Grenze senken. Diese Beobachtung konnte in der HEMO-Studie im Jahr 2002 nicht bestätigt werden. Dabei wurde gezeigt dass ein durchschnittlicher Anstieg des Kt/V von 1,05 auf 1,45 zu keiner wesentlichen Morbidität-und Mortalitätsenkung führt.4 Die aktuellen KDOQI-Guidelines empfehlen ein Single- Pool-Kt/V von 1,4 (Single-Pool-Kt/V: die Berechnung unter der Annahme, dass die Harnstoffkonzentration im Blut direkt nach Beendigung der Dialyse stabil bleibt, ohne Berücksichtigung der verschiedenen Kompartimente, was keinesfalls die optimale Dosis ist, sondern einen akzeptablen Bereich zwischen praktisch durchführbare Dialyse und Mortalitätsrisiko darstellt).5
Das Hauptproblem mit dem Kt/V als Index der Dialysequalität ist die Tatsache, dass Harnstoff relativ ungiftig und eines der Moleküle ist, die am schnellsten zwischen den Kompartimenten der Körperflüssigkeit transportiert werden.6 Harnstoff ist ein kleines (60 D), ungeladenes Molekül und wird zwischen den Flüssigkeitskompartimenten durch Aquaporine transportiert. Im Gegensatz dazu werden geladene Moleküle wie Natrium (positiv geladen), Phosphat (negativ geladen) und Guanidin-Essigsäure (negativ geladen) mit einer viel geringeren Geschwindigkeit transportiert und benötigen einige Hilfe bei ihrem Transport. Größere ungeladene Moleküle wie z. B. β2-Mikroglobulin werden auch langsam zwischen Kompartimenten transportiert. β2MG ist das wichtigste und einzige niedermolekulare Protein (LMWP), das erwiesenermaßen als urämisches Toxin wirkt, d. h. zu dialysebedingten Komplikationen führt.
Üblicherweise werden die Patienten heutzutage dreimal pro Woche mindestens 3 Stunden dialysiert. Die meisten Patienten dialysieren durchaus länger, zwischen vier und fünf Stunden. In einer rezenten Arbeit aus 2018 konnte gezeigt werden, dass längere HD bei Patienten unter 80 Jahren mit geringerer Mortalität assoziiert war, während das bei Patienten über 80 Jahren nicht der Fall war.7 Kürzere Behandlungssitzungen (< 210 Minuten) waren jedoch in allen Altersgruppen mit einer höheren Mortalität verbunden. In einer chinesischen Studie aus 2018 konnte man bestätigen, dass die Patienten, die sich zweimal wöchentlich einer Hämodialyse unterziehen mussten, eine 4,26-mal geringere Überlebenschance hatten als Patienten mit dreimal wöchentlicher Hämodialyse. Da die Dialysedauer direkt in die Dialysequalitätsberechnung miteinbezogen wird, wurde hier zudem gezeigt, dass eine höhere Dialysedosis von > 1,2 Kt/V eine bessere Überlebenschance im Vergleich zu einer niedrigeren Dosis von < 1,2 Kt/V bedeutet.8 Daher wird heutzutage ein großer Wert auf die richtige Durchführung der Dialyse sowie die Dialysedauer gelegt, um eine effiziente und möglichst patientenschonende Behandlung anbieten zu können.
Bei den sogenannten Metabolomics werden verschiedene Metaboliten (d. h. Zucker, Aminosäuren, organische Säuren, Nukleotide, Gallensäuren, Acylcarnitine, Lipide usw.) in einer biologischen Probe systematisch analysiert. Metabolomische Ansätze sind in der nephrologischen Forschung besonders vielversprechend, weil die Nierenfunktion einen großen Einfluss auf die zirkulierenden Metaboliten hat und weil Metabolite selbst funktionelle Rollen bei der CKD-Pathogenese und ihren Komplikationen spielen können.9 Studien können bei Dialysepatienten helfen, die Genese und Entfernung der urämischen Toxine besser zu verstehen und adäquate Dialysemuster zu erstellen. So konnte in einer rezenten Metabolomanalyse festgestellt werden, dass eine erhöhte Behandlungshäufigkeit und -zeit (10,9 h vs. 14,6 h) zu einer Reduktion der Werte von 107 urämischen gelösten Stoffen um 15 Prozent führte.10 Die kinetische Modellierung deutet darauf hin, dass unsere Fähigkeit, die Konzentrationen gelöster Stoffe durch Erhöhung der Hämodialysehäufigkeit und -dauer zu senken, durch das Vorhandensein der sog. Protein-bound Solutes und/oder Änderungen in der Produktion dieser Stoffe eingeschränkt sein könnte. Daher könnte das Ausbleiben größerer Reduktionen der urämischen Konzentrationen der Protein-bound Solutes teilweise für den begrenzten Nutzen verantwortlich sein, der mit zunehmender Häufigkeit und wöchentlicher Behandlungszeit bei Teilnehmern an der täglichen Hämodialyse beobachtet wird. Zurzeit werden verschiedene Dialysemodalitäten und Membranen eingesetzt, um die Konzentrationen dieser Stoffe erfolgreich zu reduzieren und somit die schweren kardiovaskulären Komplikationen zu verhindern.11
Literatur: