Limitierte oder extendierte Lymphadenektomie, oder doch besser gar nicht?

Auch die moderne Bildgebung (CT/MRI/PET) ist derzeit nicht in der Lage, verlässliche Informationen über den Lymphknotenstatus (LK-Status) bei Männern mit Prostatakarzinom (PCa) zu liefern. Somit kann derzeit nur die chirurgische Entfernung der Beckenlymphknoten zu einem verlässlichen Staging beim Prostatakarzinom führen. Ob eine Entfernung von befallenen LK in jedem Fall auch zu einer Verbesserung der Heilungschancen führt, bleibt aber umstritten.

Folgende Probleme führen dazu, dass die Diskussionen über die Lymphadenektomie (LA) beim PCa anhalten:

  1. Der Großteil der entdeckten PCa befindet sich in einem Frühstadium, die eine genaue Lokalisation durch Bildgebung innerhalb der Prostata nicht möglich macht.
  2. Die meisten PCa sind multifokal.
  3. Die Lymphabflusswege sind nicht homogen und interindividuell unterschiedlich.
  4. Ca. 20–30 % aller radikal operierten Patienten entwickeln ein biochemisches Rezidiv.
  5. Die Bildgebung kann den LK-Status nicht verlässlich bestimmen.
  6. Nicht jeder Patient hat dasselbe Risiko für Lymphknotenmetastasen.
  7. Mit der Steigerung der Anzahl der entfernten LK finden sich auch mehr Metastasen.
  8. Die LA sollte diffizil durchgeführt werden und benötigt dementsprechend Zeit.
  9. Die LA und auch die Erweiterung der LA-Fläche führt zu einer erhöhten Morbidität.
  10. Derzeit gibt es nur vereinzelt Hinweise, dass man die Prognose der Patienten mit der LA verbessern kann.
  11. Die Rolle der Sentinel-LA ist unklar.

Limitiert/extendiert

Weiters sollte man die Begriffe extendiert und limitiert kennen: Wichtig hierbei ist, dass die Definitionen nicht immer gleich verwendet werden, hier wird die Definition der EAU-Guidelines1 angegeben.

Extendiert: Entfernung aller LK um die A. und V. iliaca externa, die der obturatorischen Loge oberhalb und kranial des N. obturatorius sowie diejenigen medial und lateral der A. iliaca interna. Ca. 50 % aller potenziell befallenen Lymphknoten befinden sich entlang der A. iliaca interna2, 3. Diese wird in der englischen Literatur auch oft als hypogastrische Arterie bezeichnet.
Unter limitiert versteht man meist die Entfernung der LK der Fossa obturatoria. Manchmal wird auch der Begriff super-extendiert verwendet und meint meist eine extendierte LA plus der Entfernung von LK bis zur Harnleiterkreuzung mit der A. iliaca communis und/oder die präsakralen Lymphknoten.

Die LA als Staging-Operation: Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass die Anzahl der gefundenen positiven LK beinahe linear mit der Anzahl der entfernten LK steigt2–4. Gerade die sonst okkulten LK-Metastasen können wohl nur mit einer extendierten LA gefunden werden. Aber trotz aller Bemühungen bei der extendierten LA werden ca. 25 % aller potenziell befallenen LK nicht mit entfernt.5 Bei einer limitierten Vorgangsweise muss man mit einer falsch negativen Rate von ca. 163–192 % rechnen. Interessanterweise zeigte die einzige prospektiv randomisierte Studie keinen Unterschied zwischen limitierter und extendierter LA (3,2 vs. 4 %, p = 0,1), allerdings wurden nur 123 Patienten inkludiert und die Studie war für die Fragestellung neben anderen methodologischen Problemen (keine klaren Definitionen für LA, keine Angabe zur Anzahl der entfernten LK) „underpowered“.6

Braucht der Low-Risk-Patient (PSA < 10 ng/ml, Gleason-Score ≤ 6, T1c) eine LA? Die Rate an positiven Lymphknoten ist in allen Studien sehr niedrig und schwankt zwischen 0,5 und 0,7 %.7 Die EAU beantwortet die Frage damit, dass diese Patienten keine extendierte LA benötigen1.

Wann soll ich eine extendierte LA machen? Da die Rate an positiven LK mit dem Risikoprofil steigt und bei Patienten mit einem Gleason-Score ≥ 8 bei ca. 25 % liegt, wobei ca. 19–35 % aller positiven LK außerhalb der „klassischen“ obturatorischen Loge liegen2, 8, 9, sollte hier eine extendierte LA durchgeführt werden.1
Bei mittlerem Risiko (Gleason-Score 7, PSA 10–20 ng/ml, cT2) liegt die Rate an positiven LK bei ca. 5 %. Auch hier ist eine extendierte LA empfohlen, wenn Nomogramme ein Risiko von mehr als 5 % zeigen.1
Die limitierte LA, auch wenn noch häufig durchgeführt, hat in der evidenzbasierten Urologie derzeit keinen Stellenwert mehr.1
Die Rolle der Sentinel-LA10, 11 sprengt diese kurze Zusammenfassung und gilt derzeit noch als in Erprobung.

Hat die LA eine therapeutische Rolle? Einige Arbeiten konnten zeigen, dass die LA bei Patienten mit geringer Tumorlast in den Lymphknoten kurativ sein kann.12–14

Hat die extendierte LA eine höhere Morbidität? Komplikationen nach LA sind v. a. Lymphozelen, Lymphödeme, tiefe Beinvenenthrombosen und Pulmonalembolien. Die Morbidität wird in einigen Studien um das 3-Fache erhöht, wenn eine extendierte LA durchgeführt wird.15 In anderen Studien waren die Unterschiede nicht so klar.

 

1 Heidenreich A et al., Guidelines on Prostate Cancer, EAU 2012

2 Bader P et al., J Urol 2002; 168:514–8.

3 Heidenreich A et al., Eur Urol 2007; 52:29–37.

4 Masterson TA et al., J Urol 2006; 175:1320–4.

5 Mattei A et al., Eur Urol 2008; 53:118–25.

6 Clark T et al., J Urol 2003; 169:145–7.

7 Makarov DV et al., J Urol 2006; 176:554–8.

8 Schumacher MC et al., Eur Urol 2006; 50(2):272–9.

9 Heidenreich A et al., J Urol 2002; 167(4):1681–6.

10 Jeschke S et al., J Urol 2005; 173:1943–6.

11 Weckermann D et al., J Urol 2007; 177:916–20.

12 Pound CR et al., JAMA 1999; 281(17):1591–7.

13 Aus G, Eur Urol 2003; 43(6):627–31.

14 Cheng L, Cancer 2001; 91(1):66–73.

15 Briganti A, Eur Urol 2006; 50(5):1006–13