Neulich im Supermarkt: vor den tausenden Weinflaschen mit Labels in allen erdenklichen Designs und Preisschildern von 4,99 Euro bis in den dreistelligen Eurobereich erfasst einen ausgewiesenen Oligo*-Alkoholiker und „Nicht-Weinkenner“ wie mich ein leichtes Schwindelgefühl. Die Worte meiner Frau klingen noch im Ohr: „Kauf was G’scheites, die Gäste sind anspruchsvoll.“ Wenn für die Weinhandlung mit persönlicher Beratung keine Zeit bleibt, woran soll man sich da halten? Der Preis alleine kann es wohl nicht sein, die Formel „teuer = gut“ wirkt zu simpel. Da fällt mein Blick schon auf ein Schild „Qualitätszertifikat“, dort drüben eines mit „Preisträger“, „Sieger beim Preisausschreiben“ etc. Wer steht hinter solchen Qualitätsinitiativen, wie sehen die Kriterien aus, und wie streng werden sie überprüft? Helfen sie bei einer guten Kaufentscheidung?
All diese Fragen kann ich ihnen für österreichischen Wein leider (s. o.) nicht beantworten – allerdings sehe ich gewisse Parallelen zum medizinischen Angebot für Betroffene mit Kontinenz- und Beckenbodenproblemen. Die Bemühungen der MKÖ, seit über 20 Jahren Fachkreise und Betroffene auf Behandlungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen, haben zu einem spezialisierteren und insgesamt steigenden Angebot geführt. Diese an sich erfreuliche Tatsache führt aber dazu, dass manches unübersichtlicher wird und auch Qualitätsunterschiede für Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen nicht einfach zu erkennen sind. Ein besonderes Problem stellt auch die Tatsache dar, dass für viele Betroffene und ihre Zuweisenden nicht klar ist, welche Fachrichtung oder Berufsgruppe jetzt wirklich für ein bestimmtes individuelles Kontinenzproblem zuständig ist. Eine gemeinsame Anlaufstelle in einer bestimmten Institution für alle mit Beckenbodenproblemen könnte da schon hilfreich sein.Die MKÖ hat daher als erste Vereinigung in Österreich damit begonnen, Kriterien für ein interdisziplinäres, berufsgruppenübergreifendes Kontinenz- und Beckenbodenzentrum (KBZ) zu erstellen, zu publizieren und eine Zertifizierung anzubieten. So heißt es in der Definition der KBZ auf der MKÖ-Website: „(KBZ) sind interdisziplinäre Einrichtungen, die sich schwerpunktmäßig Problemen der Harn- und Stuhlinkontinenz sowie den Erkrankungen des Beckenbodens widmen. Sie beschäftigen sich mit Prävention, Diagnostik, Therapie, Rehabilitation und Versorgung. Ebenso obliegt ihnen die Fort- und Weiterbildung sowie Forschung. Ihr Ziel ist die Optimierung einer engen interdisziplinären Zusammenarbeit aller beteiligten ärztlichen und nichtärztlichen Fachbereiche zum Wohle der Betroffenen.“
Seit 2009 wurden drei Krankenhäuser als MKÖ-zertifizierte KBZ ausgezeichnet:
2012 steht das Kontinenz- und Beckenbodenzentrum Innsbruck bereits zur ersten Rezertifizierung an. und das Beckenbodenzentrum Korneuburg (BeBoZet Korneuburg, Landesklinikum Weinviertel Korneuburg, Wiener Ring 3–5, 2100 Korneuburg) hat um Erstzertifizierung angesucht. Die Frage sei gestattet: Was können MKÖ-zertifizierte KBZ, was andere nicht können? Oder in Analogie zum Supermarkt: Ist der Wein, der ein Zertifikat hat, besser als der ohne? Nun ja: in einem Fall wurde überprüft, ob die Kriterien, die für die Qualität eines Produktes oder einer Dienstleitung bedeutsam sind, eingehalten wurden, im anderen nicht. Dies sagt nicht notwendigerweise aus, dass die Qualität schlechter sein muss. Bei einem größer werdenden Angebot kann ein Zertifikat jedoch zumindest aus Sicht der Hilfesuchenden einen Unterschied machen.
Im Supermarkt ist alles gut ausgegangen – ein Mix aus Preisvorstellung, Zertifikaten und – ja doch, einem gewissen rudimentären Know-how über Weinregionen und bekannten Namen haben bei der Kaufentscheidung dazu geführt, dass ich mich bei den Gästen nicht blamiert habe. Ich hoffe und wünsche mir, dass in ähnlicher Weise die Etablierung von Kontinenz- und Beckenbodenzentren zur Verbesserung der Versorgungsqualität für Menschen mit Kontinenz- und Beckenbodenproblemen in Österreich beiträgt!