Die chirurgische Resektion gilt als Standardverfahren in der Behandlung von lokal begrenzten Nierentumoren (cT1 und cT2). Galt die radikale Nephrektomie (RN) lange Zeit als Therapie der Wahl, werden heutzutage unterschiedliche Therapieansätze abhängig vom Tumorstadium empfohlen. Durch die Verbesserung bildgebender Verfahren hat sich der Zeitpunkt der Diagnose von Nierentumoren in frühere Tumorstadien (cT1 oder cT2) verschoben (7 % aller Nierentumoren im Jahr 1971 auf 57 % von 2005 bis 2010), wodurch die Bedeutung organerhaltender und minimalinvasiver Techniken zunahm.1 So empfehlen die aktuellen EAU-Leitlinien die Nierenteilresektion/partielle Nephrektomie (PN) für kleine Nierentumoren (cT1a, ≤ 4 cm), unabhängig von der Operationstechnik: offene PN, laparoskopische PN (LPN) oder roboterassistierte PN (RAPN).2 Neben den operativen Therapieansätzen stellen die perkutanen und bildgebungsunterstützten Therapien, wie die Radiofrequenzablation, Mikrowellenablation, Kryoablation oder die irreversible Elektroporation, sichere und effektive Therapiemodalitäten für Patienten dar, die einer operativen Sanierung nicht zugänglich sind, mit gleichzeitig vergleichbaren onkologischen Ergebnissen zur PN für die perkutanen ablativen Verfahren bei T1a-Tumoren.3–5 Als zusätzlicher multimodaler Therapieansatz kann die transarterielle Embolisation (TAE) von Nierentumoren in Kombination mit perkutanen ablativen Verfahren angewandt werden. Ihr Stellenwert im Kontext mit der chirurgischen Resektion von Nierentumoren ist zurzeit jedoch nicht definiert.
Die TAE wird bereits seit den 1970er- Jahren durchgeführt.6, 7 Primär galt die TAE als palliativer Therapieansatz bei Patienten mit klinisch relevanter Hämaturie, zur Palliation bei metastasierten Nierentumoren oder bei Blutungen nach Nierentraumata. Durch Weiterentwicklungen der interventionellen Radiologie ergaben sich neue Indikationen für das Verfahren. Heutzutage stellt die TAE eine sichere und gut dokumentierte Therapie für Patienten nach renalen Traumata oder bei Angiomyolipomen dar.8 Für ihre Bedeutung in der alleinigen Behandlung von Nierentumoren oder als zusätzliche Prozedur vor einer minimalinvasiven Resektion existiert jedoch bis heute keine weitreichende Evidenz.
Die postoperative Blutung stellt aufgrund der vermehrten Gefäßversorgung von Nierentumoren und der ohnehin starken Blutversorgung der Niere eine der häufigsten Komplikationen nach RN oder PN dar.9 Die Möglichkeit der TAE als Verfahren zur potenziellen Reduktion der Tumorperfusion, des intraoperativen Blutverlusts oder als Behandlung für Patienten, die einer Operation nicht zugänglich sind, ist daher Gegenstand einiger Studien, zumal die Gefäßklemmung während der Nierenteilresektion als Risikofaktor für die Entstehung oder Progression einer Niereninsuffizienz gilt. Die superselektive Embolisation zuführender Gefäße könnte den Verzicht auf eine Ischämie während der Operation ermöglichen und das Risiko der Nierenfunktionsbeeinträchtigung senken.
Vor dem Einsatz der TAE erfolgt eine Bildgebung zur Evaluierung der Lokalisation des Nierentumors und eventueller weiterer Herde, zur Darstellung überzähliger Nierenarterien (ca. 25 % aller Patienten verfügen über akzessorische Nierenarterien)10, zur Abklärung einer Nierenarteriensklerose und des Vorhandenseins von abdominellen Aortaaneurysmata oder peripheren arteriellen Erkrankungen. Präinterventionell sind eine Gerinnungskontrolle und die Erfassung der GFR notwendig (Thrombozytenzahl: > 50 × 103/μL; INR < 1,5). Eine Unterbrechung einer Antikoagulation ist nicht zwingend erforderlich. Bei Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz oder nachgewiesener Allergie auf jodhaltige Kontrastmittel muss eine Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen und gegebenenfalls eine entsprechende Prämedikation. Die Intervention ist relativ schmerzarm und kann optional unter einer moderaten Sedierung durchgeführt werden. Eine perioperative Antibiose ist nicht erforderlich.11 In Rückenlage erfolgt der Zugang üblicherweise über die rechte Femoralarterie. Als Agenzien stehen Mikropartikel oder Mikrosphären zur Verfügung. Alternative Materialien sind Histoacryl®, intraarteriell appliziertes 99%iges Ethanol, Coils oder Gelfoam. Für kein Agens konnte bisher eine Überlegenheit nachgewiesen werden, die Wahl des Embolisationsmaterials erfolgt je nach Anatomie und Voraussetzungen durch den Interventionalisten/die Interventionalistin.12
Bis heute liegen keine randomisierten, kontrollierten Studien für die Evaluierung der Nützlichkeit der TAE vor PN oder RN vor. Die meisten vorliegenden Arbeiten untersuchten den Einsatz der TAE vor der RN. Einige der frühen retrospektiven Studien zeigten Reduktionen beim intraoperativen Blutverlust und kürzere Operationsdauern.13 Eine Arbeit konnte sogar ein verbessertes 5- und 10-Jahres-Gesamtüberleben für die Behandlung mit präoperativer TAE feststellen.14 Im Gegensatz dazu konnte eine Arbeit mit der bisher größten Fallzahl und einer aufwendigen Propensity-Score-Analyse keine Vorteile für die TAE nachweisen und sogar einen geringeren Blutverlust für die RN ohne vorhergehende Embolisation feststellen.15
Studien zu TAE vor PN erfolgten erst in den letzten Jahren mit leider zum Teil sehr kleinen Fallzahlen. 2014 führten D’Urso et al. eine retrospektive Arbeit mit 23 Patienten durch, bei denen eine superselektive TAE von cT1-Nierentumoren einen Tag vor einer LPN erfolgte. Dadurch war eine Gefäßklemmung in 82,6 % der Fälle nicht notwendig. Die durchschnittliche Operationsdauer lag bei 123 Minuten, der durchschnittliche Blutverlust bei 250 ml. Postoperativ entwickelte sich bei keinem Patienten ein akutes Nierenversagen bzw. eine chronische Niereninsuffizienz nach einem Jahr. Die Studie machte keine Angaben zu onkologischen Ergebnissen oder zum kurz- bzw. mittelfristigen Verlauf der Nierenfunktion.16 Als ein Nachteil dieses Verfahrens ist der Umstand anzusehen, dass in dem beschriebenen Setting zwei Prozeduren an zwei aufeinander folgenden Tagen notwendig waren. Dadurch steigt das Risiko für ein „Postembolisationssyndrom“, das mit Schmerzen, einem Anstieg der Entzündungsparameter und grippeähnlichen Symptomen aufgrund der Devaskularisation des Nierengewebes und des darauf folgenden Gewebsuntergangs einhergeht und das zu einem Ödem führen kann, das die Resektion erschwert.17, 18
2016 führten Bigot et al. die TAE mit anschließender LPN am selben Tag an drei Patienten mit cT1-Nierentumoren durch. Die Eingriffe erfolgten in einem Hybrid-Operationssaal. Dieser Saal verfügte über eine High-End-Bildgebungsunterstützung (Röntgendurchleuchtung, digitale Substraktionsangiografie, Computertomografie und Imagefusion). Ein Follow-up wurde allerdings in dieser Studie nicht durchgeführt.19
Panayotopoulos et al. führten 2017 die TAE mit anschließender LPN am selben Tag an 50 Patienten mit cT1-Nierentumoren in einem Hybrid-Operationssaal, wie von Bigot et al. beschrieben, durch. Die durchschnittliche Embolisationsdauer lag bei 43 Minuten. Bei 62 % der Patienten war die Embolisation einer Subsegmentalarterie notwendig, bei 30 % wurden zwei Arterien, bei 8 % drei bis vier Arterien embolisiert. Die durchschnittliche Operationsdauer lag bei 80 Minuten und der durchschnittliche Blutverlust bei 100 ml. Komplikationen wurden bei 5 Patienten (Clavien-Dindo I: 2, Clavien-Dindo II: 3) beschrieben. Es konnte keine Verschlechterung der GFR nach einem bzw. sechs Monaten festgestellt werden.20
In der rezentesten Arbeit von Benoit et al. aus 2018 wurden 57 Patienten mit einer präoperativen Embolisation und anschließender LPN behandelt. Die Eingriffe wurden ebenfalls in einem Hybrid- Operationssaal durchgeführt. Alle Eingriffe wurden in der Embolisation+LPN-Gruppe durch denselben interventionellen Radiologen und denselben Operateur durchgeführt. Die Kohorte wurde mit einer Gruppe von Patienten, die sich einer RAPN unterzogen (n = 48), verglichen. In der RAPN-Vergleichsgruppe wurden die Eingriffe durch zwei Operateure und in warmer Ischämie durchgeführt. Die onkologischen Ergebnisse waren vergleichbar (R1: LPN = 2 [4,4 %], RAPN = 4 [10,3 %] [p = 0,32]). Die durchschnittlichen GFR-Raten verschlechterten sich nach jeweils einem Monat ohne signifikante Unterschiede (GFR: LPN = 88,78 ml/min auf 83,36 ml/min [–5,5 %], RAPN = 83,95 ml/min auf 75,44 ml/ min [–8,3 %] [p = 0,17]). Die durchschnittliche Operationsdauer lag bei der LPN-Gruppe bei 150 Minuten (46 Minuten für Embolisation und 84 Minuten für PN) und in der RAPN-Gruppe bei 195 Minuten – die durchschnittliche warme Ischämiezeit lag bei 19 Minuten. Benoit et al. kamen zu der Schlussfolgerung, dass die Embolisation vor einer LPN zu einem geringeren Abfall der GFR-Rate führt und eine sichere Methode darstellt – vor allem bei Verfügbarkeit eines Hybrid-Operationssaals und bei fehlender Ausstattung mit einem Operationsroboter.
Die aktuelle Studienlage lässt noch keinen hinreichenden Schluss über den Nutzen und Vorteil einer präoperativen Embolisation von Nierentumoren vor einer minimalinvasiven Resektion zu. Ein technischer Vorteil wurde für das System der Embolisation und Operation am selben Tag in einem Hybrid-Operationssaals