Adjuvante Therapie des nichtmuskelinvasiven Harnblasenkarzinoms

Die transurethrale Resektion eines Blasentumors dient einerseits der kompletten Entfernung, andererseits der korrekten Diagnosefindung. Zur Planung einer suffizienten adjuvanten Therapie werden daraufhin die Patienten in 3 Risikogruppen (low, intermediate und highrisk) eingeteilt. Für eine genauere Differenzierung des Rezidiv- bzw. Progressionsverhaltens wurde von der EORTC ein Scoring-System entwickelt, das auf den Faktoren Anzahl, Größe, Rezidivrate, CIS, Grad und pT-Stadium basiert. Die hiermit berechneten Punktewerte geben Auskunft über die Rezidiv- und Progressionswahrscheinlichkeit und somit über das individuelle Risiko zu einem definierten Zeitpunkt (www.eortc.be/tools/bladdercalculator). Für die Diagnose und Therapie des NMIBC sind im Herbst 2010 die neuen österreichischen Leitlinien durch den Arbeitskreis Urologische Onkologie (AUO) publiziert worden. Im März 2011 ist das Update der Europäischen Leitlinien im European Urology erschienen.

Einmalige postoperative Instillation

Die Rationale der early instillation ist die Zerstörung zirkulierender Tumorzellen im Rahmen der TUR, die Zellimplantation sollte innerhalb der ersten postoperativen Stunden verhindert werden. In sämtlichen diesbezüglichen Studien wurde die Instillation innerhalb von 24 Stunden durchgeführt, eine Subgruppenanalyse ergab, dass ein 2-fach erhöhtes Rezidivrisiko besteht, wenn nicht am Operationstag instilliert wurde1. Die Durchführung ist bei allen Patienten mit NMIBC empfohlen, da das Rezidivrisiko um 50% innerhalb der ersten beiden und um etwa 15 % innerhalb der ersten fünf Jahre vermindert wird2,3. Die im Juni 2004 publizierte EORTC-Metaanalyse mit 1.476 Patienten aus sieben randomisierten Studien demonstrierte eine Verminderung der Rezidivwahrscheinlichkeit in allen Risikogruppen um 39%, wobei ein Benefit sowohl bei singulären als auch multilokulären Tumoren zu beobachten war, bei Letzteren und High-Risk-Tumoren gilt eine alleinige Instillation allerdings als nicht ausreichend2. Mitomycin, Epirubicin und Doxorubicin sind gleich effektiv, pro 8,5 Patienten kann eine TUR gespart werden, der Effekt hält etwa 500 Tage an1. Zuletzt wurden Studien publiziert, in denen die Wertigkeit der Frühinstillation in Frage gestellt wurde. Die Arbeit von Gudjónsson et al., in die 305 Patienten mit Low- und Intermediate-Risk-Tumoren über einen mittleren Beobachtungszeitraum von 3,9 Jahren eingeschlossen waren, berichtet über einen alleinigen Effekt der Frühinstillation mit 80 mg Epirubicin bei primären und solitären Tumoren, während bei Rezidiven oder Multifokalität kein Benefit zu beobachten war4. In einer kürzlich publizierten Studie mit 248 Patienten mit Ta-1-G1-3-Tumoren erhielten jeweils 124 entweder 2000 mg Gemcitabin oder Placebo als Frühinstillation gefolgt von einer Blasenirrigation von zumindest 20 Stunden, es konnte keine Überlegenheit des Chemotherapeutikums nachgewiesen werden5.

Zusätzliche adjuvante Instillationstherapie

Im Intermediate-Risk-Setting soll eine weitere Chemo- oder Immuntherapie durchgeführt werden, je nachdem, ob das Rezidiv- oder das Progressionsrisiko behandelt werden soll. Durch die intravesikale Chemotherapie ist es möglich, Rezidive zu verzögern oder zu verhindern, nicht aber den Progress, was durch eine Metaanalyse der EORTC und des MRC gezeigt werden konnte6. Das Ausmaß dieses Effekts betrug in dieser Arbeit mit 2535 Patienten allerdings nur 6% (47% vs. 52,6%), zumeist wird der Vorteil mit 8-15% angenommen. In einer Studie anhand 109 auswertbarer Patienten demonstrierten Addeo et al. rezent die Überlegenheit von Gemcitabin gegenüber MMC bei Ta-1-G1-3-Rezidiven: Während im GEM-Arm 72% der Patienten nach durchschnittlich 36 Monaten rezidivfrei blieben, waren dies im MMC-Arm 61%, in Letzterem fand sich zusätzlich eine höhere Toxizität sowie Progressrate7. In der EORTC-30911-Studie, die BCG mit Epirubicin verglich, waren von 837 Patienten 497 in der Intermediate-Risk-Gruppe. BCG war hierbei Epirubicin insofern überlegen, als die Zeit zum ersten Rezidiv und zur Fernmetastasierung, das Gesamtüberleben und das krankheitsspezifische Überleben signifikant länger waren; bezüglich des Progresses konnte kein Unterschied festgestellt werden8. Weiterhin ist kein optimales Regime definiert, zumeist werden initial 4-8 wöchentliche Instillationen durchgeführt, eine zusätzliche Rezidivsenkung ist durch weitere Instillationen bis zu 6 Monaten zu erreichen, darüber hinaus (z.B. 12 Monate) lässt sich zumeist kein gesteigerter Effekt erzielen3. Ein kürzeres und intensiveres Schema über drei bis vier Monate nach der early instillation dürfte gleich effektiv wie ein längeres sein, durch Fasten und Harnalkalisierung kann die Wirkung der intravesikalen Chemotherapie optimiert werden.

Immuntherapie

Aufgrund mehrerer Metaanalysen ist bekannt, dass BCG der alleinigen TURB und deren Kombination mit Chemotherapie bezüglich Rezidiven bei Ta/T1-Tumoren überlegen ist9,10. Da BCG den weiteren Verlauf der Erkrankung bei Low-Risk-Patienten nicht beeinflusst, sollte aufgrund der höheren Toxizität diese Therapie Patienten mit höherem Progressionsrisiko vorbehalten bleiben. Bei CIS ist BCG der intravesikalen Chemotherapie bezüglich Ansprechen und Langzeiteffekt überlegen, es können initiale Komplettremissionen von 70 bis 75% erreicht werden, von denen 50% langfristig sind.
Bezüglich Progressionsrisiko zeigt eine Metaanalyse aus dem Jahre 2002, dass eine 27%ige Reduktion der Progresswahrscheinlichkeit durch BCG erreicht werden kann, allerdings nur, wenn eine Erhaltungstherapie über mindestens 1 Jahr durchgeführt wird11. Zuletzt zeigte eine groß angelegte Studie, dass durch die Erhaltungstherapie eine 32%ige Risikoreduktion bezüglich Rezidiven erreicht werden kann, ohne Maintenance fanden sich sogar schlechtere Ergebnisse als mit MMC. Ein Unterschied hinsichtlich Progression konnte aber nicht beobachtet werden12. 323 Patienten der oben genannten EORTC-30911-Studie waren aus der High-Risk-Gruppe, auch für diese konnte die Überlegenheit von BCG gezeigt werden. Auch für BCG gibt es bisher kein allgemein gültiges optimales Anwendungsschema, seit etwa 10 Jahren ist ein 3-Wochen-3-Jahres-Schema etabliert, wobei in der zu Grunde liegenden Studie nur 16% der Patienten alle Kurse erhalten haben11. Weiterhin ist die optimale Anzahl der Instillationen unbekannt, wahrscheinlich muss zumindest über 1 Jahr therapiert werden. Eine Dosisreduktion auf 1/3 ist möglich und sicher, bei einer weiteren Reduktion (z.B. auf 1/6) scheint sich der Effekt der Therapie zu verringern13. Im Falle eines Persisters nach 3 Monaten kann ein zweiter BCG-Zyklus mit neuerlicher über 50%iger Komplettremission durchgeführt werden. Bei Vorliegen eines BCG-Versagens (muskelinvasiver Tumor oder High-Grade-Persister nach 3 und 6 Monaten) ist die Zystektomie indiziert1.

Hämocyanin (KLH): Für das in mehreren europäischen Ländern für die Instillationstherapie zugelassene Immucothel existieren 8 randomisierte klinische Studien mit 393 Patienten, die Donald Lamm zuletzt am EAU 2007 in Berlin zusammenfasste. Diese ergaben Rezidivraten von 41,0% für die Gruppe TURB, Chemotherapie und/oder BCG gegenüber 25,7% für KLH. BCG war demgemäß KLH mit 14% vs. 41% Rezidiven überlegen, die Patientengruppen ohne BCG bzw. mit Mitomycin waren allerdings mit 44% vs. 24% bzw. 33% vs. 13% gegenüber KLH im Nachteil. Nach einer intrakutanen Immunisierung erfolgt zunächst eine 6-wöchentliche Instillation und danach 1-mal monatlich für 1 Jahr14.

Take Home Message

Die adjuvante Therapie des Harnblasenkarzinoms lässt auch im Jahr 2011 viele Fragen offen. Die Rolle der early instillation, der intravesikalen Chemotherapie und von BCG sowie deren Durchführungsmodalitäten sind mehr denn je nicht unumstritten.
Die aktuellen Guidelines stellen allerdings einen gewissen Leitfaden für dieses schwierig zu beurteilende Thema dar.
Die early instillation reduziert signifikant das Rezidivrisiko von TaT1-Tumoren, sie stellt die Therapie der Wahl bei singulären papillären Low-Risk-NMIBC dar. Bei höherem Risikoprofil ist sie als initialer Ansatz zu sehen. Im Intermediate-Risk-Setting soll je nach Therapieziel eine weitere Chemo- oder Immuntherapie durchgeführt werden.
BCG sollte dem intermediären und vor allem hohen Risikoprofil vorenthalten bleiben. Beim primären, sekundären und konkomittierenden CIS ist es Therapie der Wahl

1 Babjuk M et al., Eur Urol 2011; 59(6):997-1008
2 Sylvester RJ et al., J Urol 2004; 171(6 Pt 1):2186-90
3 Bouffioux C et al., J Urol 1995; 153(3 Pt 2):934-41
4 Gudjónsson S et al., Eur Urol 2009; 55(4):773-80
5 Böhle A et al., Eur Urol 2009; 56(3):495-503
6 Pawinski A et al., J Urol 1996; 156(6):1934-1941
7 Addeo R et al., J Clin Oncol 2010; 28(4):543-8
8 Sylvester RJ et al., Eur Urol 2010; 57(5):766-73
9 Shelley MD et al., BJU Int 2004; 93:485-90
10 Böhle A et al., J Urol 2003; 169(1):90-5.
11 Lamm D et al., J Urol 2000; 163:1124-9
12 Malmström PU et al., Eur Urol 2009; 56(2):247-56
13 Ojea A et al., Eur Urol 2007; 52(5):1398-406
14 Scholz M et al., J Urol Urogynäkol 2010; 17(3):22-30