Therapie des lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinoms

Trotz weithin propagierter Vorsorgeuntersuchungen sind noch immer etwa ein Viertel bis ein Drittel der neu diagnostizierten PCa als Hochrisikotumoren einzustufen (Shao, JNCI 2009). Hochrisiko ist aber nicht gleichbedeutend mit lokal fortgeschrittenem Stadium. Das lokal fortgeschrittene PCa ist definiert als klinischer, die Kapsel überschreitender oder in Nachbarorgane einwachsender Tumor (cT3-4-N0-M0-Tumor). Zum Unterschied früherer WHO-Klassifikationen ist in der letzten Fassung die Infiltration des Blasenhalses nicht mehr als T4, sondern als T3 klassifiziert, da sich kein Unterschied im Progressionsverhalten zeigte. (UICC 2010). Vom klinischen Aspekt geht man heute von 3 Risikogruppen aus (Tab.) Die klinische Stadienzuordnung zu organbegrenztem (cT2) und organüberschreitenden PCa (cT3) ist höchst fehlerhaft und auch durch moderne radiologische Verfahren kaum besser geworden.

Tab.: PCa-Risikogruppen (nach D’Amico)

Gruppe

Charakteristik

5-10a BCR

Low

PSA < 10, no GG 4,5
T1/T2a

10-20%

Intermediate

PSA 10-20, GS 7
T2/T3a

40-60%

High

PSA > 20, GS 8-10
T3b

60-100%

GG = Gleason Grade; GS = Gleason Score

Primärtherapie

Früher wurde ein cT3-Tumor als inoperabel bzw. nicht heilbar eingestuft und die Patienten wurden einer hormonablativen Therapie zugeführt. Die Erfahrung der letzen Jahre hat aber gezeigt, dass eine beträchtliche Gruppe von T3-Tumoren definitiv heilbar ist (Ward, 2005; van Poppel, 2008). Nach 5, 10 bzw. 15 Jahren Nachbeobachtungszeit waren 85, 73 bzw. 67% der Patienten frei von lokaler und systemischer Progression. Nur weniger als die Hälfte der Patienten erhielten eine adjuvante Therapie. Ähnliche Ergebnisse lassen sich auch mit Strahlentherapie (EBRT) in Kombination mit einer über 3 Jahre zusätzlichen Androgendeprivationstherapie (ADT) erzielen (Bolla 2009). Neueste Daten zeigen aber, dass sich mit radikaler Operation allein eine adjuvante ADT in über 70% vermeiden lässt. Es häufen sich die Hinweise in der Literatur, dass eine länger dauernde ADT beträchtliche kardiovaskuläre Risiken mit sich bringt (Keating 2006, Saigal 2007). Es muss daher unser Ziel sein, den optimalen Therapieerfolg mit den geringsten therapieinduzierten Nebenwirkungen zu erzielen. Ein entscheidender Vorteil der Operation gegenüber der EBRT ist ein exaktes pathologisches Staging, insbesondere betreffend die Lymphknoten und die Resektionsränder.

Randomisierte Studien zu Operation versus Strahlentherapie beim lokal fortgeschrittenen PCa wurden begonnen, mussten aber wegen schwacher Rekrutierung abgebrochen werden.
Die jeweilige Therapieentscheidung ist daher im Gespräch mit dem Patienten und in Abhängigkeit von  Alter und Komorbiditäten zu treffen.

Sekundärtherapie

Positiver Resektionsrand (R1) und biochemisches Rezidiv (BCR): R1-Resektion bedeutet, dass der Tumor in den mit Tusche markierten Rand des Op-Präparates hineinreicht und der Pathologe daher nicht definieren kann, ob ein Residualtumor zurückgeblieben ist. Drei prospektiv randomisierte Studien haben gezeigt, dass die adjuvante Bestrahlung gegenüber der Beobachtung eine längere BCR-freie Zeit zur Folge hat. Nur eine Studie davon konnte einen Vorteil auch für das metastasenfreie und das Gesamtüberleben nachweisen. Die Literatur zeigt aber ebenfalls, dass 30-50% der R1-Resektionen nie ein lokales Rezidiv entwickeln. Um eine Überbehandlung zu vermeiden erscheint es sinnvoll, diese Patienten erst dann einer Salvage-Strahlentherapie zuzuführen, wenn der PSA-Wert im Verlauf den als BCR festgelegten Wert von 0,2 und eines weiteren über 0,2 liegenden erreicht hat. Jedenfalls sollte aber die Salvage-Bestrahlung vor Erreichen des PSA von 1,0 durchgeführt werden, anderenfalls die Ergebnisse deutlich schlechter werden.
Zurzeit ist die RADICALS-Studie des MRC (Medical Research Council) in der Rekrutierungsphase, die prospektiv randomisiert untersucht, ob Radiotherapie mit oder ohne ADT beim BCR nach RPE gegeben werden soll. Die Daten der Martiniklinik Hamburg (Isbarn H et al., 2010) (Abb.) geben die Ergebnisse der RPE und R1-Resektion ohne adjuvante Therapie wieder.

Take Home Message

Primärtherapie: RPE oder Bestrahlung in Kombination mit ADT.

Entscheidung mit dem Patienten: Komorbiditäten, Alter, Charlson-Score

Sekundärtherapie: R1, BCR: adjuvante vs. Salvage-Therapie in Abhängigkeit von PSA-Verlauf und der PSA-Verdopplungszeit möglichst frühzeitig, Strahlentherapie und/oder ADT.